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MELDUNG/113: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 03.05.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Freiburger Forscher erfinden neue Technologie zur Fernbedienung von Proteinen
→  MDC- und FMP-Forscher klären grundlegenden Prozess für Proteinabbau auf

Raute

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 30.04.2010

Es werde Licht - Freiburger Forscher erfinden neue Technologie zur Fernbedienung von Proteinen

- Lichtgesteuerte Proteinfragmente können Onkogene ein- und ausschalten
- Publikation in "Angewandte Chemie", International Edition

Das Ablesen von Genen und die damit verknüpfte Herstellung zellulärer Eiweißmoleküle sind wesentlich für das korrekte Funktionieren jeder Zelle. Dieser als Genexpression bezeichnete Prozess wird durch spezielle Eiweißmoleküle, so genannte Transkriptionsfaktoren gesteuert. Ihre Veränderung führt in den meisten Fällen zu einer krankhaften Veränderung wie etwa Krebs. Die Freiburger Forschergruppe von Prof. Dr. Katja Arndt, Institut für Biologie III der Universität Freiburg, hat nun kleine Eiweißfragmente konstruiert, die fehlregulierte Genexpression hemmen können. In Zusammenarbeit mit dem Team von Andrew Woolley, Professor an der University of Toronto, entwickelten die Wissenschaftler einen Mechanismus, mit dem sich diese Inhibitoren "per Lichtschalter" fernsteuern lassen.

Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der führenden Fachzeitschrift "Angewandte Chemie" veröffentlicht und wegen ihrer Bedeutung auf einem sich schnell entwickelnden Gebiet von großem Interesse von den Herausgebern als "Hot Paper" eingestuft. Der DAAD und BIOSS, das Centre for Biological Signalling Studies, Exzellenzcluster an der Universität Freiburg, sowie die FRIAS School of Life Sciences - LifeNet förderten das Projekt.

Die publizierte Arbeit verknüpft zwei Expertisen: die von Katja Arndt konstruierten Inhibitoren, die Onkogene (Krebs-Gene) regulieren, und chemische Adaptermoleküle, die in Abhängigkeit von der Wellenlänge in zwei strukturellen Zuständen vorkommen und von der Gruppe von Andrew Woolley entwickelt wurden. Die chemischen Linker können derart an die Inhibitoren gekoppelt werden, dass sie wie ein Lichtschalter funktionieren: Im lichtangestrahlten Zustand ist der Inhibitor "an", also aktiv, und im dunklen Zustand ist der Inhibitor "aus", also inaktiv. Die Forscherinnen und Forscher können mithilfe dieses schaltbaren Inhibitors die Aktivität des onkogenen (krebserzeugenden) Transkriptionsfaktors AP-1 (Activator Protein 1) steuern. Selbst eine Grundvoraussetzung für die Steuerung der Genexpression, die Kontrolle der DNA-Bindung, lässt sich durch Licht lenken. Auch nachgeschaltete Gene knipsen die Forscher unter der Kontrolle des AP-1 Transkriptionsfaktors wie mit einem Lichtschalter an und aus. Durch "Einschalten" des Lichts aktivieren sie den Inhibitor und hemmen damit die Expression, durch "Ausschalten" des Lichts heben sie die Inhibition wieder auf.

Für die neue Technologie bieten sich viele Anwendungsmöglichkeiten. Zum einen sind solche molekularen Lichtschalter interessante Bauteile für den Steckkasten der Synthetischen Biologie, einem Kernstück von BIOSS, denn sie ermöglichen in synthetischen Signalwegen eine einfache Kontrolle von außen. Zum anderen versprechen sich die Wissenschaftler interessante Anwendungen in der Systembiologie. So spielen die neu entwickelten Lichtschalter bei der Erforschung zeitlich kontrollierter biologischer Prozesse, wie etwa der Entstehung und Wiedererkennung von Angst, eine Rolle. In der Medizin können die Lichtschalter als Leitsubstanzen für mögliche neue Therapieansätze eingesetzt werden.

Neben Prof. Dr. Katja Arndt und Prof. Dr. Andrew Woolley sind auch Katharina Timm, Doktorandin im Excellenzcluster BIOSS, und Dr. Fuzhong Zhang aus der Gruppe von Andrew Woolley an der Studie beteiligt. Katja Arndt ist Mitglied von BIOSS, Junior Fellow am Freiburg Institute for Advanced Studies, dem Forschungskolleg der Universität Freiburg, arbeitet am Institut für Biologie III und ist seit kurzem Lehrstuhlinhaber für Molekulare Biotechnologie der Universität Potsdam.

Informationen unter:
- http://www3.interscience.wiley.com/journal/123375293/abstract
    (internationale Version) und
- http://www3.interscience.wiley.com/journal/123375281/abstract
   (deutsche Version).

Kontakt:
Prof. Dr. Katja Arndt
Institut für Biologie III
Universität Freiburg
E-Mail: katja@biologie.uni-freiburg.de /
katja.arndt@uni-potsdam.de

Weitere Informationen finden Sie unter
- http://www3.interscience.wiley.com/journal/123375293/abstract
- http://www3.interscience.wiley.com/journal/123375281/abstract

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image114737
"Licht schaltet die Aktivität des AP-1 Transkriptionsfaktors (blau-grün) in lebenden Zellen mit Hilfe des Inhibitors (rot-gelb), der mit einem speziellen lichtsensitiven chemischen Adapter modifiziert wurde"

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution69

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Rudolf-Werner Dreier, 30.04.2010

Raute

Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch - 30.04.2010

MDC- und FMP-Forscher klären grundlegenden Prozess für Proteinabbau auf
Störung führt zu schweren Krankheiten

Der Abbau von Eiweißen (Proteinen) in Zellen ist lebenswichtig. Ist er gestört, können schwere Erkrankungen die Folge sein. Jetzt hat die Forschergruppe von Prof. Thomas Jentsch (Max-Delbrück-Centrum, MDC /Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie, FMP) in Berlin-Buch einen dafür grundlegenden zellbiologischen Vorgang aufgeklärt. In gleich zwei Publikationen in der amerikanischen Fachzeitschrift Science konnten sie zeigen, dass der Proteinabbau in winzigen Zellorganellen entgegen gängiger Lehrmeinung nicht allein vom pH-Wert abhängt, sondern von der Anreicherung von Chloridionen in ihrem Innern (Science Express online DOI: 10.1126/science.1188070; DOI: 10.1126/science.1188072)*.

Proteine sind die Baustoffe und Maschinen des Lebens. Sie kommen zigtausendfach in einer Zelle vor und erfüllen lebenswichtige Aufgaben im Organismus. Haben sie ihre Funktion erfüllt, müssen sie abgebaut werden, um keinen Schaden anzurichten. Ein Weg, über den Proteine abgebaut werden, läuft über Verdauungsprozesse im Innern winziger Organellen in Zellen, den sogenannten Lysosomen. Der Transport der für den Abbau vorgesehenen Proteine zu diesen "zellulären Mülleimern" erfolgt zum Teil über Endosomen. Sie nehmen diese Proteine von außen in die Zellen auf. Die Funktion sowohl von Endosomen als auch Lysosomen hängt von der Konzentration von Ionen in ihrem Innern ab. Insbesondere einer hohen Konzentration von Wasserstoffionen, dass heißt einem sauren pH, wird hier eine wichtige Rolle zugeschrieben.

Dreh- und Angelpunkt der jetzt veröffentlichten Arbeiten von Dr. Stefanie Weinert, Dr. Gaia Novarino und Prof. Thomas Jentsch sind zwei bestimmte Ionentransportproteine, die Chloridtransporter ClC-5 und ClC-7. Diese sitzen in der Membran von Endosomen bzw. Lysosomen und tauschen negativ geladene Chloridionen gegen positiv geladene Wasserstoffionen aus.

ClC-5 befindet sich in der Membran von Endosomen in Nierenzellen. Ist ClC-5 mutiert oder fehlt es, werden Proteine kaum mehr aus dem Harn aufgenommen und es kommt über indirekte Mechanismen zu Nierensteinen (Dent`sches Erbleiden).

ClC-7 liegt in der Membran von Lysosomen in allen Zellen des Körpers vor. Die Gruppe um Thomas Jentsch hatte schon vor einigen Jahren gezeigt, dass Mutationen von ClC-7 in Maus und Mensch zu schweren Krankheitssymptomen führen. Durch gestörten lysosomalen Proteinabbau im Gehirn kommt es zu schweren degenerativen Veränderungen und massivem Absterben von Nervenzellen. Störung der Ansäuerung durch knochenabbauende Zellen, den Osteoklasten, führt zu stark verkalkten Knochen, der Osteopetrose.

Die Chlorid-Wasserstoff-Ionenaustauscher ClC-5 und ClC-7 fungieren parallel zur Wasserstoffionenpumpe, die ein saures Milieu in Endosomen und Lysosomen gewährleistet. ClC-5 und ClC-7 sorgen dafür, dass Chloridionen (negativ geladene Teilchen) in die Zellorganelle einströmen und den Ladungsausgleich für den Einwärtstransport positiv geladener Wasserstoffionen durch die "Pumpe" sicherstellen. Bisher ging die Forschung davon aus, dass ClC-5 und ClC-7 nur für diesen Ladungsausgleich gebraucht werden. Ohne diesen Ladungsausgleich und diese Ansäuerung ist sowohl der Transport von Endosomen als auch der lysosomale Eiweißabbau gestört.

Prof. Jentsch und seine Mitarbeiter hatten aber schon vor einigen Jahren zeigen können, dass sich der pH-Wert bei Lysosomen, denen ClC-7 fehlt, nicht verändert und dennoch eine lysosomale Speicherkrankheit sowie Osteopetrose auftreten. Das heißt, dass in Lysosomen ein Ladungsausgleich auch über einen anderen, bisher unbekannten Mechanismus erfolgen kann, und dass möglicherweise die Rolle von ClC-7 eher in der Regulation der Chloridkonzentration von Lysosomen zu sehen ist. Die Berliner Gruppe formulierte die Hypothese, dass der Austausch von Chlorid gegen Wasserstoffionen, die im sauren Milieu von Lysosomen höher konzentriert sind als im sonstigen Zellinnern, zu einer funktionell wichtigen Chloridakkumulation in der Organelle führt.

Um diese Hypothese zu testen, wandelten Dr. Novarino und Dr. Weinert, wie Prof. Jentsch weiter erläutert, "in einem eleganten Versuchsansatz" die ClC-5 und ClC-7 Chlorid-Wasserstoff-Ionenaustauscher in der Maus in reine Chloridleitfähigkeiten (Kanäle) um. Dazu tauschten sie eine einzige Aminosäure von insgesamt rund 800 dieser Eiweißbausteine der Ionentransporter aus. Die dadurch entstandenen mutierten Transportproteine sind optimal für einen Ladungsausgleich für die Wasserstoffionen-Pumpe geeignet und sollten daher, so die Annahme der Forschergruppe, die Ansäuerung der Organellen bestens unterstützen. Die fehlende Kopplung von Chlorid- an Wasserstoffionentransport sollten jedoch die Chloridakkumulation im Innern der Organellen stark verringern, wie es die Forscher an ihrem Mausmodell experimentell bestätigen konnten.

"Erstaunlicherweise", so Prof. Jentsch, "zeigten die entsprechenden Mäuse fast die gleichen Krankheitserscheinungen wie bei einem totalen Verlust der jeweiligen Proteine." Mit diesem Experiment konnten die MDC- und FMP-Forscher erstmals zeigen, dass nicht nur eine fehlende Ansäuerung, sondern die verringerte Ansammlung von Chloridionen in den Organellen bei defekten ClC-5 und ClC-7 eine entscheidende Rolle bei der Entstehung dieser schweren Erbleiden des Menschen spielt. Diese erstmals entdeckte Funktion von Chlorid wird möglicherweise auch bei anderen Krankheiten des Menschen eine Rolle spielen.

* Endosomal Chloride-Proton Exchange Rather Than Chloride Conductance is Crucial for Renal Endocytosis
   Gaia Novarino 1, Stefanie Weinert 1, Gesa Rickheit 1,2 & Thomas J. Jentsch 1
1 Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP)and Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), Berlin, Germany
2 Present address: TaconicArtemis GmbH, Köln, Germany

* Lysosomal Pathology and Osteopetrosis Upon Loss of H(+)-Driven Lysosomal Cl- Accumulation
   Stefanie Weinert 1,2; Sabrina Jabs 1,2,6; Chayarop Supanchart 3; Michaela Schweizer 4; Niclas Gimber 1,2;
   Martin Richter 1,6; Jörg Rademann 1,6,7; Tobias Stauber 1,2; Uwe Kornak 3,5 & Thomas J. Jentsch 1,2
1 Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP), Berlin, Germany
2 Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC), Berlin, Germany
3 Institut für Medizinische Genetik, Charité Universitätsmedizin Berlin, Germany
4 Zentrum für Molekulare Neurobiologie (ZMNH), Universität Hamburg, Hamburg, Germany
5 Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, Berlin, Germany
6 Freie Universität, Berlin, Germany
7 Present address: Institut für Pharmazie, Universität Leipzig, Leipzig, Germany

Barbara Bachtler, Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum
für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
Robert-Rössle-Straße 10, 13125 Berlin
E-Mail: presse@mdc-berlin.de
http://www.mdc-berlin.de/

Silke Oßwald
Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP)
im Forschungsverbund e.V.
Robert-Rössle-Str. 10, 13125 Berlin
E-mail: osswald (at) fmp-berlin.de
http://www.fmp-berlin.de/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution672

Quelle: Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, Barbara Bachtler, 30.04.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 04. Mai 2010