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MELDUNG/327: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 18.04.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Spektakuläre Entdeckung
      Ein Gen steuert Haarfarbe und Gedächtnis
→  Hirnveränderungen bei Übergewicht
      Erstmals geschlechtsspezifische Unterschiede gezeigt
→  Kein Strang gleicht dem anderen
      Neuer Mechanismus zur Verlängerung von viralen Genomenden beschrieben


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Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf - 15.04.2011

Spektakuläre Entdeckung am UKE - Ein Gen steuert Haarfarbe und Gedächtnis

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) haben die Funktion eines Proteins entschlüsselt, das offensichtlich sowohl Gehirnfunktionen reguliert, die fürs Lernen und die Gedächtnisleistung bedeutsam sind, als auch maßgeblich für die Ausprägung der Haarfarbe ist. Ihre Erkenntnisse wurden jetzt in der aktuellen Ausgabe der renommierten Wissenschaftszeitschrift "Neuron" als Titelgeschichte veröffentlicht.

Die Forscher am Institut für Molekulare Neurogenetik des UKE um Prof. Matthias Kneussel haben das aus Muskelzellen bekannte Eiweiß mit der Bezeichnung Muskelin als einen bedeutenden Faktor im Gehirn identifiziert, der wesentliche Transportprozesse zwischen den Nervenzellen steuert.

Zellbestandteile werden innerhalb einer Zelle durch molekulare Motoren von einem Ort zum anderen transportiert. "Solche Transportvorgänge steuern eine Vielzahl biologischer Prozesse", erläutert Dr. Frank Heisler, Erstautor der gerade publizierten Untersuchung. So können sie die Signalübertragung zwischen zwei Neuronen im menschlichen Gehirn verändern. Wird etwa der so genannte GABA-Rezeptor, eine wichtige Bindungsstelle an der Oberfläche neuronaler Zellen, falsch lokalisiert, kann dies zum Beispiel die Entstehung von Epilepsie oder Angststörungen begünstigen.

Um den Transport der GABA-Rezeptoren genauer zu untersuchen, haben die UKE-Experten im Mausmodell das Muskelin-Gen gezielt abgeschaltet. Nach Entfernen des Eiweißes konnten die Forscher in bestimmten Hirnarealen bei Mäusen veränderte Bewegungen nachweisen. Prof. Kneussel: "Wir nehmen an, dass diese Oszillationen Gehirnfunktionen wie Lernen und Gedächtnisbildung maßgeblich beeinflussen."

Doch nicht nur das: Zur Überraschung der UKE-Forscher folgt der Transport in Hautzellen offenbar ähnlichen Prinzipien wie denen in Nervenzellen, denn die Mäuse wechselten nach der Entfernung des Muskelin-Gens ihre Fellfarbe. Bei einem Chamäleon wird der Farbwechsel über den Transport von Pigmenten gesteuert, Mäuse verfügen normalerweise nicht über diese Eigenschaft. Die Befunde der Forscher deuten darauf hin, dass ein Verlust der Fellfarbe durch einen gestörten Transport von Pigmenten verursacht wird.

"Mit Muskelin haben wir ganz offensichtlich einen Schlüsselfaktor für die Funktion unterschiedlicher Gewebe identifiziert", freut sich UKE-Forscher Heisler. Die Wissenschaftler hoffen, mit den neuen Erkenntnissen Lern- und Gedächtnisstörungen künftig besser zu verstehen. Es ist denkbar, dass daraus in der Zukunft therapeutische Ansätze entwickelt werden können, um ein vorzeitiges Ergrauen der Haare beim Menschen zu verhindern. Arten der Pressemitteilung: Wissenschaftliche Publikationen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution347

Quelle: Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Christine Jähn, 15.04.2011


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Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. - 15.04.2011

Hirnveränderungen bei Übergewicht
Erstmals geschlechtsspezifische Unterschiede gezeigt

Abhängigkeit zwischen Body-Mass-Index (BMI) und strukturellen Eigenschaften der weißen Substanz ist bei Frauen besonders ausgeprägt

Übergewicht zählt zu den häufigsten Zivilisationskrankheiten und hat eine Vielzahl von negativen Auswirkungen auf die Gesundheit. Dazu gehören auch Veränderungen des Gehirns. Studien der letzten Jahre ergaben, dass Menschen mit stark erhöhtem Gewicht ein geringeres Gehirnvolumen und eine verringerte Gewebedichte in der grauen Substanz haben. Forscher vom Leipziger Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften haben nun zusammen mit der Abteilung für Endokrinologie des Universitätsklinikums Leipzig, dem Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrum Adipositaserkrankungen in Leipzig und dem University College London erstmals geschlechtsspezifische Unterschiede festgestellt. (PLoS ONE, 11. April 2011.)

Die Forscher untersuchten die Gehirne von normalgewichtigen bis stark übergewichtigen Frauen und Männern mithilfe diffusionsgewichteter Magnetresonanztomographie (MRT). Mit dieser Methode lassen sich Bewegungen der Wassermoleküle im Gehirn erfassen, die von Barrieren im Gewebe - wie etwa den Nervenfasern - beeinflusst werden. Die Technik ist deshalb besonders geeignet um die weiße Substanz zu untersuchen, in der sich die Nervenfasern befinden. Diese bestehen aus den signalübertragenden Fortsätzen der Nervenzellen, den Axonen, und einer mehrlagigen isolierenden Membranschicht, dem Myelin.

"Wenn sich die Beweglichkeit der Wassermoleküle im Hirngewebe auf bestimmte Weise verändert, kann das darauf hinweisen, dass Axone oder Myelin geschädigt sind", sagt Karsten Müller, der Erstautor der Studie. Genau diese Veränderungen traten im Corpus callosum auf, einer Struktur aus etwa 250 Millionen Nervenfasern, die linke und rechte Hirnhälfte miteinander verbindet. Die Beweglichkeit des Wassers war bei zunehmendem BMI sowohl entlang der Nervenfasern als auch senkrecht zu ihnen verändert. Dabei stellten die Forscher bei beiden Geschlechtern eine verlangsamte Diffusion in Faserrichtung fest. Nur bei den Frauen zeigte sich zudem auch eine erhöhte Beweglichkeit senkrecht zur Faserrichtung. Beide Befunde könnten auf - möglicherweise unterschiedliche - Degenerationsprozesse hinweisen.

Die Diffusionsunterschiede, die ähnlich auch im Zusammenhang mit vorzeitiger Alterung des Gewebes zu beobachten sind, waren bei den weiblichen Versuchspersonen ausgeprägter und betrafen größere Teile des Corpus callosum. Es ist das erste Mal, dass bei der Wirkung von Übergewicht auf das Gehirn systematische Unterschiede zwischen den Geschlechtern nachgewiesen werden konnten. Dies könnte, so die Forscher, möglicherweise damit zusammenhängen, dass die Faserverknüpfungen zwischen den Hirnhälften bei Männern und Frauen insgesamt Unterschiede zeigen.

Noch lasse sich aus den Daten jedoch nicht ableiten, welche mikrostrukturellen Veränderungen tatsächlich vorliegen. Weitere Studien sollen dies in den nächsten Jahren aufklären.

Kontakt:
PD Dr. Karsten Mueller
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften
Methoden- und Entwicklungsgruppe Magnetresonanztomographie
karstenm@cbs.mpg.de

Peter Zekert
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
zekert@cbs.mpg.de

Originalpublikation:
Mueller K, Anwander A, Möller HE, Horstmann A, Lepsien J, Busse F, Mohammadi S, Schroeter ML, Stumvoll M, Villringer A, Pleger B (2011)
Sex-Dependent Influences of Obesity on Cerebral White Matter Investigated by Diffusion-Tensor Imaging.
PLoS ONE 6(4): e18544.
doi:10.1371/journal.pone.0018544
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0018544

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.mpg.de
Weitere Pressemitteilungen auf der Homepage der Max-Planck-Gesellschaft

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image140017
Bei übergewichtigen Frauen traten im Corpus callosum größere Veränderungen (rot markiert) auf als bei den männlichen Testpersonen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution207

Quelle: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., Barbara Abrell, 15.04.2011


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Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 15.04.2011

Kein Strang gleicht dem anderen

Neuer Mechanismus zur Verlängerung von viralen Genomenden beschrieben

Viren verfügen wie Bakterien über ein eigenes Genom. Für Virologen sind besonders die Enden einer solchen viralen RNA interessant. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Vermehrung und bei der Reaktion des angeborene Immunsystem auf das Virus. Die genetische Information wird vermehrt, indem ein Genomstrang in einen komplementären, so genannten Antigenomstrang abgeschrieben wird. Der wiederum dient als Vorlage oder Matrize für die Synthese eines neuen Genoms.

Durch diesen einfachen Kopiermechanismus sind normalerweise beide Stränge exakte Kopien voneinander. Dies ist jedoch beim Borna Disease Virus (BDV), das zur Gruppe der Negativstrang RNA-Viren gehört, nicht der Fall. Vergleicht man Genom und Antigenom des BDV, findet man, dass beide Stränge jeweils vier zusätzliche Nukleotide als Bausteine der RNA an ihren 3' Enden besitzen. Für diese Erweiterung gibt es keine Matrize auf dem komplementären Strang, der Vorgang kann mit dem Standardmodell der Vermehrung nicht erklärt werden.

In der vorliegenden Arbeit: "Genomic RNAs of Borna disease virus are elongated on internal template motifs after realignment of the 3' termini" konnte die Freiburger Arbeitsgruppe von Dr. Urs Schneider (jetzt Québec, Canada), am Institut für Mikrobiologie und Hygiene, Abteilung Virologie, zeigen, dass die zusätzlichen Nukleotide nicht vom komplementären Strang abgelesen werden, sondern von einer Matrize die innerhalb des neu synthetisierten Viren-Stranges liegt.

Die Benutzung interner Matrizen zur RNA-Synthese wurde in dieser Arbeit erstmals beschrieben und stellt eine bisher unbekannte Möglichkeit zur Modifizierung viraler Genomenden dar. Die Bedeutung der Genomverlängerung für die Vermehrung und Pathogenese des BDV ist noch nicht eindeutig geklärt. Es gibt jedoch Hinweise, dass dieser Mechanismus dazu dient, die Integrität der Genomenden einerseits zu bewahren und sie anderseits für das angeborene Immunsystem unkenntlich zu machen. Weitere Untersuchungen werden nötig sein, um die Bedeutung des hier beschriebenen "realignment-and-elongation" Mechanismus zu klären.

Das BDV etabliert in einigen Tieren (z.B. Pferden) eine dauerhafte Infektion, welche zum Ausbruch einer schweren neurologischen Erkrankung führen kann, die tödlich verläuft.

Kontakt:
Nadja Höfs
Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Abt. Virologie
Universitätsklinikum Freiburg
E-Mail: nadja.hoefs@uniklinik-freiburg.de

Veröffentlichung:
Arnold Martin, Nadja Hoefs, Josefine Tadewaldt, Peter Staeheli, Urs Schneider:
"Genomic RNAs of Borna disease virus are elongated on internal template motifs after realignment of the 3' termini".
PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences)
Edited by Charles Weissmann
The Scripps Research Institute, Jupiter, FL

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image139969
Das Borna Disease Virus besitzt sowohl im Genom und Antigenom jeweils vier zusätzliche Nukleotide an ihren 3' Enden.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution69

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Rudolf-Werner Dreier, 15.04.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2011