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MELDUNG/452: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 09.11.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Deutsche Krebshilfe fördert gemeinsames Forschungsprojekt der Universitäten
      Wuppertal und Bochum
→  Im Zebrafisch erstmals die Neubildung von Nervenzellen aus Stammzellen aufgeklärt
→  Computersimulation von Gedächtniszellen


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Bergische Universität Wuppertal - 07.11.2011

Deutsche Krebshilfe fördert gemeinsames Forschungsprojekt der Universitäten Wuppertal und Bochum

Krebserkrankungen gehören nach Herz-/Kreislauferkrankungen zu den häufigsten Todesursachen. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr über 200.000 Menschen an Krebs. Bösartige Tumore entstehen durch Fehlsteuerungen von Teilungs- und Differenzierungsprozessen in den Zellen.

An diesem hochkomplexen Geschehen sind zahlreiche Proteine beteiligt, die auf verschiedenste Weisen miteinander in Wechselwirkung treten können. Ein Ansatzpunkt in der Entwicklung neuer Behandlungsmethoden ist der Eingriff in die Vorgänge, die Zellwachstum und Zellteilung steuern. In einem Gemeinschaftsprojekt untersuchen Wissenschaftler der Bergischen Universität Wuppertal und der Ruhr-Universität Bochum die sogenannten Ras-Proteine, die u.a. bei der Entstehung von Pankreas- und Darmkrebs eine wichtige Rolle spielen. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Projekt in den nächsten zwei Jahren mit 200.000 Euro.

Beteiligt sind aus Wuppertal die Arbeitsgruppe Bioorganische Chemie unter Leitung von Prof. Dr. Jürgen Scherkenbeck und aus Bochum die Arbeitsgruppe Biomolekulare NMR-Spektroskopie von Prof. Dr. Raphael Stoll.

Die membranständigen Ras-Proteine fungieren in der lebenden Zelle als molekulare Schalter, die Signale auf Proteine im Inneren der Zelle übertragen. Kleinste Veränderungen an diversen Stellen führen dazu, dass die Ras-Proteine in der "Ein"-Position blockiert werden. Einmal aktiviert, senden sie dann permanent Wachstumssignale in den Zellkern, was eine Entartung der Zellen und letztendlich Krebs zur Folge hat.

Im Rahmen des Gemeinschaftsprojektes sollen maßgeschneiderte Rezeptormoleküle synthetisiert werden, die die Ras-Proteine erkennen und inaktivieren, indem sie die Einbindung in die Zellmembran verhindern. Prof. Scherkenbeck: "Im Erfolgsfall liefert unser Vorhaben toxikologisch unbedenklichere Antitumor-Leitstrukturen mit unmittelbarer klinischer Relevanz."

Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Scherkenbeck
Bergische Universität Wuppertal
E-Mail scherkenbeck@uni-wuppertal.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution650

Quelle: Bergische Universität Wuppertal, Dr. Maren Wagner, 07.11.2011


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DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden - 08.11.2011

Im Zebrafisch erstmals die Neubildung von Nervenzellen aus Stammzellen aufgeklärt

Nach Hirntraumata bei Zebrafischen werden verlorengegangene Nervenzellen durch vorhandene neuronale Stammzellen so effizient ersetzt, dass sich größere Gehirnregionen komplett von selbst wiederherstellen. Obwohl die Regenerationsfähigkeit des Gehirns bei Fischen seit 50 Jahren vermutet wurde, blieben die Herkunft der neugebildeten Nervenzellen und die steuernden Mechanismen bisher ungeklärt. Nun ist es erstmals Dresdner Regenerationsforschern des DFG-Forschungszentrums für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) und dem Biotechnologischen Zentrum der TU Dresden (BIOTEC) gelungen, die Quelle der wiederhergestellten Nervenzellen zu identifizieren. (Development 2011, DOI 10.1242/dev.072587).

Schwerwiegende Verletzungen des menschlichen Gehirns beispielsweise durch Traumata führen zu einer massiven Zerstörung von Nervenzellen. Der damit einhergehende Verlust der Gehirnfunktion ist dauerhaft, da eine Neubildung von Nervenzellen in geschädigten Gehirnarealen praktisch nicht stattfindet. Im Gegensatz dazu besitzen andere Wirbeltiere wie Salamander und Fische die Fähigkeit, große Regionen ihres zentralen Nervensystems, zum Beispiel die Netzhaut, das Rückenmark und das Gehirn, auch nach schwerwiegenden Verletzungen wieder zu erneuern. Obwohl diese erstaunliche Selbstheilungsfähigkeit schon seit den frühen sechziger Jahren an Fischen untersucht wurde, konnte bisher nicht geklärt werden, woher die neugebildeten Nervenzellen stammen, die die verlorenen Zellen ersetzen.

"Die bisherigen Forschungen konnten keinen Nachweis für die Nervenzellneubildung aus neuralen Stammzellen nach Verletzungen des Nervensystems bei erwachsenen Zebrafischen erbringen", berichtet Prof. Dr. rer. nat. Michael Brand, Direktor des DFG-Forschungszentrums für Regenerative Therapien Dresden sowie des Biotechnologischen Zentrums der TU Dresden. Mit seiner Arbeitsgruppe hat er ein neues Modell entwickelt, das das erste Mal wissenschaftlich detailliert nachweist, woher originär die neu nachgebildeten Nervenzellen stammen, die die Regeneration des erwachsenen Zebrafischgehirns ermöglichen. Dafür wurden neuronale Stammzellen und von diesen abstammende neugebildete Nervenzellen genetisch mit Hilfe des sogenannten Cre/loxP-System dauerhaft markiert und dadurch sichtbar gemacht.

Normalerweise teilen sich beim Zebrafisch die neuronalen Vorläufer- oder Stammzellen im Außenbereich des Gehirns. Bei diesem Prozess entstehen neue Nervenzellen, die ausschließlich in diesem Randbereich eingebaut werden. Mit einer Kanüle verletzen die Dresdner nun die Mitte des Zebrafischgehirns. "Dabei werden rund 20 Prozent des Vorderhirns geschädigt", erläutert Dr. rer. nat. Volker Kroehne die Versuchsreihen der Forschungsgruppe. Diese Verletzung würde ein Säugetier nicht überleben. Kroehne führt weiter aus: "Der Fisch kann die zerstörten Areale durch einen auf neuronalen Stammzellen basierenden Mechanismus wiederherstellen. Diese neuronalen Vorläuferzellen, sogenannte radiale Gliazellen, beschleunigen ihre Zellteilung und erhöhen damit die Produktion von neuen Nervenzellen, die dann in die Mitte des Gehirns wandern und die verlorenen Zellen im Verletzungsgebiet ersetzen." Langzeitstudien von mehr als einem Jahr zeigten, dass die regenerierten Nervenzellen permanent im Fischgehirn verbleiben und wahrscheinlich dauerhaft in das neuronale Netzwerk eingebaut werden. Interessanterweise unterscheidet sich der neu entdeckte stammzellbasierte Regenerationsmechanismus grundlegend von dem des Herzens und des Skeletts bei Fischen: Dort entstehen neue Herzmuskel- und Skelettzellen nämlich ausschließlich aus vorhandenen ausgereiften Zellen, die sich in undifferenzierte Entwicklungsstufen zurückbilden und danach mit der Zellteilung beginnen (Dedifferenzierung).

Ein Hauptproblem bei Verletzungen im erwachsenen menschlichen Gehirn ist die Bildung von Narbengewebe, das unter anderem durch Ablagerungen von sternförmigen Gliazellen (Astrozyten) entsteht. Genau diese Verwandten der menschlichen Gliazelle, die radialen Gliazellen, erzeugen im Zebrafisch kein Narbengewebe, sondern neue Nervenzellen. Mit histologischen Methoden haben die Dresdner Regenerationsforscher ebenfalls nachgewiesen, dass im geschädigten Gehirn von Zebrafischen keine Narbenbildung stattfindet.

Die Gehirne von Mensch und Zebrafisch unterscheiden sich zwar oberflächlich betrachtet hinsichtlich Größe und Aussehen, sind aber neuroanatomisch und genetisch eng verwandt, bedingt durch ihre gemeinsame evolutionäre Abstammung. Es ist daher von grundlegender Bedeutung, die Regenerationsfähigkeit der Zebrafische zu verstehen. In den Gehirnen von erwachsenen Fischen entstehen lebenslang neue Nervenzellen, die dauerhaft verlorene Nervenzellen ersetzen können. Das Wissen um die Mechanismen der Regeneration bei Fischen könnte in Zukunft dazu beitragen, neue therapeutische Ansätze zur Förderung der Heilung des menschlichen Gehirns, bei Krankheiten und nach Verletzungen zu entwickeln.

Publikation:
Volker Kroehne, Dorian Freudenreich, Stefan Hans, Jan Kaslin and Michael Brand (2011):
Regeneration of the adult zebrafish brain from neurogenic radial glia-type progenitors.
Development 138, 4831-4841.
DOI 10.1242/dev.072587


DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden und Biotechnologisches Zentrum der TU Dresden.

Das 2006 gegründete DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der Technischen Universität
ist das bisher einzige DFG-Forschungszentrum und Exzellenzcluster in Ostdeutschland. Ziel des CRTD ist es, das Selbstheilungspotential des Körpers zu erforschen und völlig neuartige, regenerative Therapien für bisher unheilbare Krankheiten zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte des Zentrums konzentrieren sich auf Hämatologie und Immunologie, Diabetes, neurodegenerative Erkrankungen sowie Knochen- und Knorpelersatz. Zurzeit arbeiten sechs Professoren und elf Forschungsgruppenleiter am CRTD, die in einem interdisziplinären Netzwerk von über 80 Mitgliedern sieben verschiedener Institutionen Dresdens eingebunden sind. Zusätzlich unterstützen 18 Partner aus der Wirtschaft das Netzwerk. Dabei erlauben die Synergien im Netzwerk eine schnelle Übertragung von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung in klinische Anwendungen.

Das Biotechnologische Zentrum (BIOTEC)
wurde 2000 als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Technischen Universität Dresden mit dem Ziel gegründet, modernste Forschungsansätze in der Molekular- und Zellbiologie mit den in Dresden traditionell starken Ingenieurswissenschaften zu verbinden. Innerhalb der TU Dresden nimmt das BIOTEC eine zentrale Position in Forschung und Lehre mit dem Schwerpunkt "Molecular Bioengineering und Regenerative Medizin" ein. Es trägt damit entscheidend zur Profilierung der TU Dresden im Bereich moderner Biotechnologie und Biomedizin bei. Die Forschungsschwerpunkte der internationalen Arbeitsgruppen bilden die Genomik, die Proteomik, die Biophysik, zelluläre Maschinen, die Molekulargenetik, die Gewebezüchtung und die Bioinformatik.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.crt-dresden.de/press-and-public/press-releases.html

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image155457
Regeneration des Zebrafischgehirns: Die Körper der neuronalen Stammzellen (radiale Gliazellen, grün) befinden sich am äußeren Rand des Gehirns. Aus diesen Vorläuferzellen entstehen viele neuen Nervenzellen (gelb), die in der geschädigten linken Hirnhälfte tief in das Verletzungsgebiet in der Mitte einwandern. Der Stichkanal ist 21 Tage nach der Verletzung noch deutlich durch die Ansammlung von Blutzellen (blau) erkennbar. In der rechten gesunden Hirnhälfte hingegen befinden sich die neugebildeten Nervenzellen (gelb) ausschließlich am Rande des Gehirns. Die fadenartigen grünen Strukturen innerhalb des Gehirns sind die langen Fortsätze der radialen Gliazellen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1119

Quelle: DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden, Birte Urban-Eicheler, 08.11.2011


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Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) - 08.11.2011

Computersimulation von Gedächtniszellen

Zur Erforschung von Lernen und Gedächtnis mit Computermodellen erhalten Wissenschaftler des DZNE gemeinsam mit ihren Kollegen aus den USA 1,5 Millionen Dollar

Im Rahmen der transnationalen Förderinitiative "Deutschland - USA Zusammenarbeit in Computational Neuroscience" erhält Stefan Remy, Wissenschaftler am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) gemeinsam mit seinen Kollegen Nelson Spruston, Bill Kath (Northwestern University) und Stephen Smith (Stanford University) 1,5 Mio. US-Dollar zur Erforschung neuronaler Gedächtnisfunktionen. Das Projekt wird über einen Zeitraum von drei Jahren vom National Institutes of Health (NIH) und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Ziel des Projektes ist es, neuronale Verschaltungen des Hippokampus besser zu verstehen. Der Hippokampus ist eine Region im Schläfenlappen des Gehirns, die besonders wichtig für Lern- und Gedächtnisleistungen ist. Wissenschaftler nehmen an, dass die Signalweitergabe der Nervenzellen und ihre funktionelle Verschaltung bei vielen Erkrankungen des Nervensystems wie z.B. der Alzheimer-Demenz, Epilepsie und Schizophrenie verändert sind.

Jede Aktivität des Gehirns - Sinneswahrnehmung, Denken, Erinnern - beruht auf der elektrischen Aktivität der Nervenzellen. Elektrische Signale werden von Zelle zu Zelle an ihren Kontaktstellen, den Synapsen, weitergegeben. Im Rahmen der Projektförderung entwickeln Remy und seine Kollegen realistische Computermodelle von einzelnen Nervenzellen und nutzen diese Modelle, um das komplexe Zusammenspiel von Nervenzellen in Netzwerken simulieren zu können. Um kognitiven Leistungen des Gehirns und deren Fehlfunktion bei neurodegenerativen Erkrankungen besser zu verstehen, sind solche Computersimulationen unerlässlich.

Nervenzellen senden lange, fein verästelte Fortsätze in benachbarte Hirnregionen. An rund 50.000 Synapsen - neuronalen Kontaktstellen - erhält eine Nervenzelle elektrische Signale von vorgeschalteten Zellen und rechnet diese Information zusammen. Um realistische Modelle einer Nervenzelle zu entwickeln, ist es wichtig, die genaue Verteilung der Synapsen auf den verzweigten neuronalen Strukturen zu kennen. Auch weitere Faktoren, wie die Stärke des synaptischen Kontakts oder die Dicke des Zellfortsatzes an der Kontaktstelle spielen bei der Signalverarbeitung eine wesentliche Rolle. Diese Faktoren untersuchen Remy und seine Kollegen mithilfe von neuen Methoden mit einer bisher unerreichten Genauigkeit. Zum einen wird die Funktion der Synapsen mithilfe von gezielten Laserpulsen untersucht, die einen Botenstoff - das Glutamat - auf einzelnen oder mehreren Synapsen freisetzen können. Zum anderen analysieren die Wissenschaftler die Struktur der Nervenzelle mit allen Verästelungen und Synapsen mit hochmodernen Mikroskopie- und Tomographiemethoden. Aus verbesserten Computermodellen, die diese Faktoren berücksichtigen, werden neue Hypothesen zur Gehirnfunktion hervorgehen, die dann wieder im Experiment getestet werden sollen. Darüber hinaus untersuchen die Forscher, wie sich die Stärke der Synapsen verändert. Die Veränderung synaptischer Verbindungen aufgrund neuronaler Aktivität, genannt neuronale Plastizität, wird als das Korrelat des Lernens und des Gedächtnisses angesehen und ist bei neurodegenerativen Erkrankungen häufig gestört.

Kontaktinformation:

Dr. Stefan Remy
Arbeitsgruppenleiter
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
c/o Uniklinik Bonn
Sigmund-Freud-Str. 25
53105 Bonn
Email: stefan.remy(at)dzne.de

Dr. Katrin Weigmann
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE)
Holbeinstr. 13-15
53175 Bonn
Email: katrin.weigmann(at)dzne.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dzne.de/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1369

Quelle: Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), Katrin Weigmann, 08.11.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2011