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MELDUNG/660: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 26.02.13 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Welches Potential hat die molekulare Pinzette?
→  PET/MRT ermöglicht bei Kindern sichere Diagnostik
→  Gen-Katalog für regenerierendes Gewebe



Universität Duisburg-Essen - 25.02.2013

Mit der Kraft der Pinzette

Die molekulare Pinzette ist in aller Munde: gleich zwei renommierte internationale Fachzeitschriften (Brain* und nun Nature Chemistry**) griffen in kurzer Zeit die viel versprechende Erfindung der Universität Duisburg-Essen (UDE) auf. Relativ weit sind die Forschungen bereits für einen möglichen künftigen Einsatz bei der Alzheimer-Erkrankung. Es gibt aber auch schon erste Hinweise, dass diese molekulare Pinzette noch sehr viel mehr kann - eventuell auch gegen Krebs.

Prof. Dr. Thomas Schrader, einer der Erfinder des Pinzetten ("Tweezer")-Moleküls und Professor für Biosupramolekulare Chemie an der UDE: "Ausgangspunkt ist ein Molekül, das die weit verbreite Aminosäure Lysin wie eine Pinzette greifen kann." Zusammen mit Forschern vom Chemical Genomics Centre der Max-Planck-Gesellschaft in Dortmund und vom Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr untersuchte er die kleinen Pinzetten an bestimmten Adapterproteinen, die viele Prozesse im Körper beeinflussen.

Nach neuesten Erkenntnissen unterscheiden die Lysin-Pinzetten sehr empfindlich zwischen unterschiedlichen Standorten der Aminosäure auf der Proteinoberfläche. Mithilfe von Röntgenbeugung und Computersimulationen konnte nun gezeigt werden, an welchem Lysin-Standort sich die Tweezer vorzugsweise festsetzen - und warum das so ist. Damit kann der Einfluss dieses Wirkstoffs auf die Proteine nun genau vorhergesagt werden, für den bisher keine schädlichen Nebenwirkungen bekannt sind.

Für die drei Teams um Thomas Schrader (UDE), Christian Ottman (Dortmund) und Elsa Sanchez Garcia (Mülheim an der Ruhr) ist dies ein viel versprechender Ansatz für verschiedene biologische und medizinische Anwendungsbereiche, auch wenn sich die Forschung dafür noch in einem sehr frühen Stadium befindet. Aber schon jetzt ist absehbar, dass die Hemmung der Adaptorproteine, die die Wissenschaftler jetzt für ihre Experimente verwenden, bemerkenswerte Auswirkungen hat. Bestimmte Adapterproteine sind nämlich in der Lage, andere Proteine so zu stabilisieren, dass sie Zellen vor der Tumorbildung schützen. Dadurch zeichnet sich bereits ab, dass molekulare Pinzetten künftig auch bei der Therapie schwerer Erkrankungen wie Krebs eine Rolle spielen könnten.

* http://brain.oxfordjournals.org/content/135/12/3735
** http://www.nature.com/nchem/journal/v5/n3/full/nchem.1570.html

Weitere Informationen:
- Thomas Schrader, thomas.schrader@uni-due.de
- http://www.uni-due.de/de/presse/meldung.php?id=7857

Redaktion: Beate H. Kostka

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
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Molekulare Pinzette

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution801

Quelle: Universität Duisburg-Essen, Beate Kostka M.A., 25.02.2013

Raute

Universitätsklinikum Leipzig AöR - 25.02.2013

PET/MRT ermöglicht bei Kindern sichere Diagnostik

Leipziger Kinderradiologen und Nuklearmediziner belegen erstmals Aussagekraft des neuen Verfahrens

Leipzig. Eine Diagnose per PET/MRT ist bei krebskranken Kindern nicht nur schonender, sondern ebenso aussagekräftig wie die bisherigen Verfahren. Leipziger Unimediziner beschreiben weltweit erstmals das Verfahren für den Einsatz der neuen Methode in der Kinderradiologie. Das Ergebnis: Bei einer um 80 Prozent niedrigeren Strahlenexposition können hochpräzise Diagnosen bei komplizierten Tumorerkrankungen gestellt werden.

Wird bei einem Patienten ein streuender und damit besonders gefährlicher Tumor vermutet, kommt in der Diagnostik in der Regel die Positronen-Emissions-Tomographie in Kombination mit dem Computertomographen (PET/CT) zum Einsatz. Dieses Verfahren zeigt mit großer Genauigkeit mögliche Tumorherde im gesamten Körper und misst ihre Stoffwechselaktivität. Gleichzeitig wird bei dieser Methode der Patient jedoch auch einer Strahlenexposition ausgesetzt. "Bei Kindern versuchen wir daher, auf die Computertomographie zu verzichten", erklärt Prof. Franz Wolfgang Hirsch, Leiter der Abteilung für Kinderradiologie am Universitätsklinikum Leipzig. Das kindliche Gewebe reagiere sensibler auf die Strahlung als das von Erwachsenen. "Dieses Risiko möchten wir vermeiden", so Hirsch, "gleichzeitig brauchen wir gerade bei schwer krebskranken Kindern aber vergleichbar aussagekräftige und verlässliche Bilddaten für die Diagnose und Therapieplanung."

Eine Lösung bietet der Einsatz des neuen PET/MRT-Systems. Solche Geräte, mit denen PET und MRT simultan stattfinden können, sind deutschlandweit bisher an sieben Standorten verfügbar. In Leipzig konnte das von der DFG geförderte System im September 2011 nach erfolgreichem Antrag durch das hiesige PER/MRT Konsortium, dessen Sprecher der Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin, Prof. Dr. med. Osama Sabri ist, in Betrieb genommen werden.

Die Leipziger Unimediziner prüften das neue Verfahren über ein Jahr bei krebskranken Kindern. Die dabei erstmals gewonnenen Erkenntnisse wurden jetzt aktuell in der Fachzeitschrift "Pediatric Radiology" veröffentlicht.

"Unsere Erfahrungen belegen, dass das schonendere Verfahren gleichzeitig hochpräzise und damit sehr gut geeignet für unsere Diagnosestellungen ist", so Prof. Hirsch. Der Kinderradiologe hat gemeinsam mit seinen Kollegen aus der Nuklearmedizin auch festgestellt, dass die zunächst geplante sehr lange Untersuchungsdauer in dem Ganzkörper-Gerät deutlich verkürzt werden kann. "Statt der ursprünglich angenommenen anderthalb Stunden reichen bereits 30 bis 45 Minuten, was für die kleinen Patienten auch deshalb deutlich angenehmer ist, da beide bildgebende Verfahren (PET und MRT) gleichzeitig stattfinden und ein umfassender Befund mit einer einzigen Untersuchung erhoben werden kann. Dies bedeutet neben der Vermeidung von Strahlenexposition auch eine erhebliche Entlastung für unsere kleinen Patienten".

Getestet wurde das neue Verfahren am UKL vor allem bei Kindern mit seltenen und streuenden Tumoren wie bei Knochenkrebserkrankungen, Neuroblastomen oder Lymphdrüsenkrebs. Bei diesen Erkrankungen ist es wichtig, alle Krebsherde im ganzen Körper zu erkennen. Die kombinierten Bilddaten des Ganzkörper-PET/MRT liefern den Ärzten sowohl die Informationen, wo sich die Tumoren befinden, als auch über das Ausbreitungsmuster und die Stoffwechselaktivität der Tumoren. "Anhand dieser Daten können wir die sehr individuelle Therapie für unsere kleinen Patienten planen und entsprechend auch die Wirksamkeit kontrollieren", beschreibt die Nuklearmedizinerin Prof. Regine Kluge.

"Dass wir nun dabei im Vergleich zur PET/CT problemlos auf den größten Teil der Strahlenexposition verzichten können, ist eine wichtige Erkenntnis und ein sehr großer Vorteil des PET/MRT. Die Zukunft wird zeigen, ob und inwieweit sich die PET/MRT bei Tumoren im Kindesalter zu einer Routine-Bildgebungsmethode entwickeln wird."

Kontakt:

Prof. Dr. Franz Wolfgang Hirsch
Leiter der Abteilung Kinderradiologie
Universitätsklinikum Leipzig
E-Mail: w.hirsch@medizin.uni-leipzig.de

Prof. Dr. Regine Kluge
Stellv. Direktorin der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin
Universitätsklinikum Leipzig
E-Mail: regine.kluge@medizin.uni-leipzig.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1298

Quelle: Universitätsklinikum Leipzig AöR, Helena Reinhardt, 25.02.2013

Raute

Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. - 21.02.2013

Gen-Katalog für regenerierendes Gewebe

Max-Planck-Forscher finden während der Neubildung von geschädigtem Gewebe bisher unbekannte Proteinfamilien

Amphibien können Gewebe und Organe nach Verletzungen teilweise oder komplett neu bilden. Erst seit kurzem kennen Wissenschaftler einige der molekularen Grundlagen dieser Regeneration. Forschern vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim ist es nun gelungen, einen Katalog aller aktiven Gene des Grünlichen Wassermolches (Notophthalmus viridescens) zu erstellen. Nun wollen die Wissenschaftler in diesem sogenannten Transkriptom nach speziellen Regenerationsgenen suchen.

Ein abgetrenntes Bein wächst innerhalb weniger Monate vollständig nach. Eine im Experiment mehrfach geschädigte Augenlinse wird immer wieder komplett regeneriert, und auch das Herz heilt nach einer Schädigung vollständig: Der Grünliche Wassermolch ist der Regenerationskünstler unter den Molchen. Bei kaum einem anderen Tier sind die Selbstheilungskräfte so perfekt.

Die genetischen Hintergründe dieser Selbstheilungskräfte sind weitestgehend unbekannt. Das liegt auch an der Größe des Molchgenoms. Das Genom des Molches ist etwa zehnmal so groß wie das des Menschen. Dadurch ist es selbst mit neuesten molekularbiologischen Verfahren extrem aufwendig, das Genom komplett zu entschlüsseln. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung wählten deshalb nun zusammen mit Kollegen aus Köln und den USA einen anderen Weg. "Wir haben zunächst aus verschiedenen Geweben von gesunden Molchen, aus den Larvenstadien und aus geschädigtem Gewebe die mRNA, also die Kopien aktiver Gene, vollständig isoliert und sequenziert", sagte Thomas Braun, Direktor am Max-Planck-Institut und Leiter der Studie. Rund 120.000 der als Transkripte bezeichneten Kopien wurden identifiziert und zum Transkription zusammengefügt und mit Daten aus Proteinuntersuchungen verglichen. "Wir fanden 826 Proteine, die es nur bei den Lurchen gibt, darunter einige bisher unbekannte Proteinfamilien, die in keiner Datenbank zu finden waren", so Braun.

Besonders interessant sind dabei die Proteine für die Max-Planck-Wissenschaftler aus den Geweben, die sich nach einer Schädigung in der Regenerationsphase befanden. "Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass einige der neu entdeckten Proteinfamilien am Regenerationsablauf beteiligt sind", so Braun. Mit dem neuen Molch-Transkriptom ist die Grundlage dafür geschaffen, gezielt die zugrunde liegenden molekularen Mechanismen zu untersuchen und die Funktion der neu entdeckten Proteine zu bestimmen.

Die Max-Planck-Forscher hoffen, dass ihre Studien mittelfristig Perspektiven für die Regenerationsmedizin bieten: "Wir glauben, dass bei den neuen Proteinfamilien Kandidaten dabei sind, die sich für eine Therapie eignen. Damit könnte der Selbstheilungsprozess eines Patienten stimuliert werden, beispielsweise im Herzmuskel nach einem Infarkt", sagte Braun.

Originalpublikation:
Mario Looso, Jens Preussner, Konstantinos Sousounis, Marc Bruckskotten, Christian S. Michel, Ettore Lignelli, Richard Reinhardt, Sabrina Höffner, Marcus Krüger, Panagiotis A. Tsonis, Thilo Borchardt, Thomas Braun
A de novo assembly of the newt transcriptome combined with proteomic validation identifies new protein families expressed during tissue regeneration.
Genome Biology 2013, 14:R16
doi:10.1186/gb-2013-14-2-r16

Kontakt:

Prof. Dr. Thomas Braun
Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung, Bad Nauheim
Email: thomas.braun@mpi-bn.mpg.de

Dr. Matthias Heil
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung
E-Mail: matthias.heil@mpi-bn.mpg.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image195273
Der Grünliche Wassermolch ist ein Regenerationskünstler, der verletztes Gewebe ganz oder teilweise neu bilden kann.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution207

Quelle: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., Dr. Harald Rösch, 21.02.2013

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2013