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Ruhr-Universität Bochum - 29.01.2015

EU-Projekt "BIOCASCADES": Neue Enzymreaktionen für die Produktion von Arzneistoffen

Neue enzymatische Kettenreaktionen für die Produktion von Arzneistoffen will ein europäisches Forschungskonsortium im Projekt "BIOCASCADES" entwickeln. Die EU fördert das Vorhaben mit rund 2,7 Millionen Euro für vier Jahre im Rahmen von "Horizon 2020". Teil des Projekts ist ein Graduiertenprogramm, das Nachwuchswissenschaftler speziell für die Arbeit im Biotechnologiesektor qualifiziert. Juniorprofessor Dr. Robert Kourist, Arbeitsgruppe Mikrobielle Biotechnologie der Ruhr-Universität Bochum, koordiniert das Projekt, das im Januar 2015 gestartet ist.

Optisch reine Substanzen erzeugen

Ziel von "BIOCASCADES" ist es, neue enzymatische Reaktionskaskaden zu entwickeln, in denen Amine und Aminoalkohole entstehen, die für Medikamente benötigt werden. In der Regel bringen Enzymreaktionen immer zwei Versionen einer Substanz hervor, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten. Oft ist aber nur eine der Verbindungen pharmazeutisch wirksam, sodass die andere in einem aufwendigen Prozess herausgefiltert werden muss. Das Forscherteam will sogenannte optisch reine Substanzen erzeugen, also einen Prozess entwickeln, in dem nur die erwünschte Version einer Substanz entsteht. Die neuen Verfahren wären somit günstiger und energieeffizienter; außerdem würden weniger Abfallprodukte entstehen.

Nachwuchswissenschaftler für den Biotechnologiesektor ausbilden

Das neue EU-Projekt beinhaltet auch ein maßgeschneidertes Promotionsprogramm für elf Nachwuchsforscherinnen und -forscher im Biotechnologiesektor. Neben der Forschung in führenden europäischen Laboren stehen Aufenthalte bei Industriepartnern und spezielle Workshops auf dem Programm, um die unternehmerische Einstellung der Nachwuchskräfte zu fördern. Sieben Universitäten und fünf Industriepartner aus fünf europäischen Ländern kooperieren im Projekt "BIOCASCADES: sustainable and scalable biocatalytic cascade reactions training network". Eine Liste der Partner findet sich online unter
http://www.rub.de/ngkourist/consortium.html

Weitere Informationen

Jun.-Prof. Dr. Robert Kourist
Arbeitsgruppe Mikrobielle Biotechnologie
Fakultät für Biologie und Biotechnologie
Ruhr-Universität
44780 Bochum
E-Mail: Robert.Kourist@rub.de

Angeklickt

Horizon 2020
http://ec.europa.eu/programmes/horizon2020/

Projekt BIOCASCADES
http://www.ruhr-uni-bochum.de/ngkourist/biocascades.html.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution2

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Dr. Julia Weiler, 29.01.2015

Raute

Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover - 29.01.2015

Noroviren mit Kaltem Plasma bekämpfen

Anwendung könnte Ansteckungsgefahr über den Kontakt mit kontaminierten Oberflächen reduzieren.

Professor Dr. Günter Klein und Dr. Birte Ahlfeld aus dem Institut für Lebensmittelqualität und -sicherheit der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) haben zusammen mit Wissenschaftlern der Max-Planck-Gesellschaft und dem Sanitätsdienst der Bundeswehr untersucht, wie gut sich mit Noroviren kontaminierte Oberflächen mit Kaltem Plasma desinfizieren lassen. Ihre Ergebnisse haben sie im Online-Fachmagazin mBio veröffentlicht.

Kaltes Plasma ist ein energiegeladenes und hoch reaktives Gas, das sich erst seit den frühen 1990er-Jahren bei Atmosphärendruck erzeugen lässt. Eingesetzt wird es beispielsweise zum Bogenschweißen oder - in der Medizin - zur Wundheilung. Es entsteht, indem ein Gas oder auch normale Luft durch Hitze oder Hochspannung weiter mit Energie versorgt wird. Durch die Wärme- oder Stromzufuhr lösen sich aus den Gasmolekülen Elektronen, sodass positiv und negativ geladene Ionen entstehen. Medizinisch interessant sind die Plasmen durch ihre hohe Reaktivität. In Verbindung mit Luft bilden sich Sauerstoff- und Stickstoff-Radikale, die sowohl auf Mikroorganismen als auch auf Körperzellen wirken können.

Die aktuell veröffentlichte Studie zeigt, dass sich Kaltes Plasma eignet, um Oberflächen zu desinfizieren, die von mit Noroviren infizierten Patienten berührt wurden. Noroviren sind hoch ansteckend und zählen zu den häufigsten Erregern infektiöser Magen-Darm-Erkrankungen. Eine Infektion äußert sich durch plötzlichen heftigen Durchfall, Übelkeit und schwallartigem Erbrechen.

Studien aus der gleichen Arbeitsgruppe belegen, dass Noroviren nach einem Ausbruch auch über kontaminierte Oberflächen wie Türklinken oder Tastaturen übertragen werden. Zur Desinfektion der Flächen werden häufig Chemikalien eingesetzt; hier besteht die Gefahr, dass sie empfindliche Oberflächen schädigen. Zudem können die Erreger Resistenzen gegenüber den Desinfektionsmitteln entwickeln. "Kaltes Plasma schädigt weder Oberflächen noch das menschliche Gewebe", erklärt Günter Klein. "Außerdem ist die Anwendung umweltfreundlich, sehr viel schneller als mit Desinfektionsmitteln und hinterlässt keine Rückstände."

Die aktuelle Studie von Klein und Mitarbeitern zeigt, dass Kaltes Plasma die Keimzahl von Noroviren signifikant reduziert. "Das hat uns überrascht, weil Noroviren in der Umwelt sehr stabil sind", berichtet Klein, "sie überstehen die Behandlung mit Chlor genau wie Einfrieren oder Erhitzen."

Um die Wirkung des Kalten Plasmas auf Noroviren zu untersuchen, präparierten die Wissenschaftler sterile Petrischalen mit verschiedenen Verdünnungen einer Stuhlprobe, in der sich Noroviren befanden. Dann ließen sie das Kalte Plasma unterschiedlich lang auf die Proben wirken. Nach der Behandlung zeigte sich, dass die Proben mit der längsten Einwirkzeit die geringsten Keimzahlen aufwiesen. "Ein mit Noroviren infizierter Patient hinterlässt ungefähr 22.000 Viruspartikel, wenn er beispielsweise eine Türklinke anfasst. Für eine Infektion sind ungefähr 10-100 Viruspartikel erforderlich", erklärt Klein. Das Kalte Plasma reduzierte die Zahl der potenziell infektiösen Viruspartikel nach zehn Minuten von 22.000 auf 1.400. Nach 15 Minuten waren nur noch 500 Viruspartikel vorhanden. Aber selbst nach einer Behandlung von nur einer Minute konnten die Wissenschaftler schon einen Effekt feststellen.

"Da Kaltes Plasma das Virus auf der getesteten Oberfläche inaktivieren kann, gehen wir davon aus", so Klein, "dass die Methode zur regelmäßigen Desinfektion von kontaminierten Oberflächen eingesetzt werden kann." Auch wenn die Erreger nicht vollständig entfernt würden, sei eine Verringerung der Erregerdichte schon ein großer Schritt, um die Infektionsgefahr für Menschen zu reduzieren.

In weiteren Untersuchungen möchten Professor Klein und seine Mitarbeiter die Desinfektionseigenschaften des Kalten Plasmas an anderen Oberflächen sowie mit anderen Norovirentypen testen. Zusätzlich werden sie elektronenmikroskopische Untersuchungen durchführen, um die Struktur des Virus vor und nach der Behandlung mit Kaltem Plasma zu vergleichen.

Die Studie erarbeiteten die TiHo-Wissenschaftler gemeinsam mit Forschern des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik in Garching, des Zentralen Instituts des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Kiel in Kronshagens sowie der Firma terraplasma GmbH (www.terraplasma.net), einer Ausgründung der Max-Planck-Gesellschaft

Die Originalpublikation
Inactivation of a foodborne norovirus outbreak strain with nonthermal atmospheric pressure plasma
Birte Ahlfeld, Yangfang Li, Annika Boulaaba, Alfred Binder, Ulrich Schotte, Julia L. Zimmermann, Gregor Morfill, Günter Klein
mBio, DOI: 10.1128/mBio.02300-14

Prof. Dr. Günter Klein
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Institut für Lebensmittelqualität und -sicherheit
guenter.klein@tiho-hannover.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.tiho-hannover.de/aktuelles-presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2014/pressemitteilungen-2014/article/noroviren-mit-kaltem-plasma-be/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution90

Quelle: Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Sonja von Brethorst, 29.01.2015

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2015


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