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TRANSPLANTATION/514: Stammzelltransplantation bei Multiplem Myelom - Neue Daten ändern Fazit von 2012 nicht (IQWiG)


Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) - 28.04.2015

Stammzelltransplantation bei Multiplem Myelom: Neue Daten ändern Fazit von 2012 nicht

Update-Recherche zeigt weiterhin unzureichende Studienlage / Aussagen zu sechs von neun Teilindikationen möglich


Eine Update-Recherche erweitert zwar den Pool von Studiendaten, ändert aber inhaltlich nichts am Fazit der Nutzenbewertung der Stammzelltransplantation (SZT) bei Multiplem Myelom aus dem Jahr 2012. Die Studienlage ist insgesamt weiterhin unzureichend. So wurden Daten zur Lebensqualität bisher in keiner einzigen Studie erhoben. Und drei große, zum Teil unter deutscher Leitung stehende Studien sind auch über 10 Jahre nach ihrem Abschluss nicht vollständig veröffentlicht. Dies ist das Ergebnis eines Rapid Reports, den das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) am 28. April 2015 publiziert hat.

Jetzt Daten zu sechs von neun Teilindikationen

Im Januar 2012 hatte das IQWiG einen Abschlussbericht und ein ergänzendes Arbeitspapier zum Nutzen der SZT bei Multiplem Myelom vorgelegt, für die die letzte Recherche nach Studien im Januar 2011 stattgefunden hatte. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat das IQWiG deshalb beauftragt, eine Update-Recherche durchzuführen, um gegebenenfalls aktuellere Erkenntnisse in seine Beratungen einzubeziehen.

Dabei identifizierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insgesamt vier weitere Studien. Drei waren bei der ersten Bewertung noch nicht im Volltext veröffentlicht gewesen, bei einer weiteren gab es eine aktuellere Auswertung. Damit lagen nun für sechs von insgesamt neun Teilindikationen Daten vor, 2012 waren es noch fünf gewesen.

Keine relevanten Unterschiede zwischen Behandlungsgruppen

Bei der Teilindikation, für die nun erstmals Daten vorlagen, handelt es sich um die allogene SZT mit verwandtem Spender im Vergleich zur allogenen SZT mit nicht verwandtem Spender. Die Ergebnisse der neuen, 2012 publizierten Studie waren allerdings aufgrund des Studiendesigns wenig belastbar.

Ohne Auswirkung auf die Bewertung blieb die nun zusätzlich verfügbare Studie zur allogenen SZT mit dosisreduzierter Konditionierung im Vergleich zur allogenen SZT mit myeloablativer Konditionierung: Aufgrund ihrer insgesamt geringen Ergebnissicherheit lassen sich aus den Daten weder ein Vorteil noch ein Nachteil der beiden Therapievarianten ableiten.

Dosisreduzierte Konditionierung: Sowohl Vorteile als auch Nachteile

Bei der Teilindikation allogene SZT mit dosisreduzierter Konditionierung im Vergleich zu autologer SZT konnte der Studienpool durch das Update auf sechs Studien erweitert werden. Hier waren zunächst nur als Abstract vorliegende Studienergebnisse im Volltext verfügbar.

Diese ergänzenden Daten veränderten das Ergebnis jedoch nicht: Das IQWiG sieht hier einerseits einen Hinweis auf einen Zusatznutzen durch längeres Gesamtüberleben. Andererseits gibt es weiterhin einen Hinweis auf sowie einen Beleg für einen höheren Schaden durch häufigere Todesfälle als Folge der Therapie sowie durch Abstoßungsreaktionen (Graft-versus-host-disease). Solche Abstoßungsreaktionen, die tödlich enden können, treten bei einer Übertragung eigener Zellen nicht auf. Während diese Risiken frühzeitig sichtbar sind, wird das bessere Gesamtüberleben erst langfristig erkennbar.

Deutsche Studienautoren halten weiter Ergebnisse unter Verschluss

Ergebnislos verlief die Suche nach neuen oder ergänzenden Studiendaten bei der Teilindikation der autologen Mehrfachtransplantation: Zwar gibt es drei große, längst abgeschlossene Studien, wie aus Abstract-Publikationen bekannt ist. Doch die vollständigen Ergebnisse sind noch immer nicht veröffentlicht.

Das IQWiG hatte die Studienautoren bereits 2011 um Herausgabe der Daten gebeten, und der G-BA hatte nun seinerseits angefragt - doch wieder ohne Erfolg. "Dass Ergebnisse von Studien, die zum Teil unter deutscher Leitung stehen und überwiegend mit öffentlichen Geldern finanziert wurden, unter Verschluss bleiben, ist weiterhin inakzeptabel und konterkariert alle Bemühungen um mehr Transparenz", kommentiert der stellvertretende IQWiG-Leiter Stefan Lange. "Bei Studien zu Arzneimitteln, die überwiegend von den Herstellern finanziert werden, gibt es inzwischen auch Erfolge. Denn bei ihnen besteht eine weitgehende Pflicht zur Veröffentlichung. Bei den sogenannten Investigator Initiated Trials sowie bei Studien zu Medizinprodukten klafft dagegen noch immer eine Regelungslücke", so Lange.

Einsatz nur unter Studienbedingungen zu rechtfertigen

Aufgrund der Wissenslücken und der vielen ungeklärten Fragen hält das IQWiG den Einsatz bestimmter Formen der Stammzelltransplantation bei Multiplem Myelom weiterhin nur im Rahmen von klinischen Studien für vertretbar. Patientinnen und Patienten müssen zudem umfassend über den möglichen potenziellen Nutzen und Schaden informiert werden. Damit künftige Studien helfen, die bisherigen Wissenslücken zu schließen, sollten sie möglichst randomisiert sein. Und sie sollten Daten zur Lebensqualität erheben. Denn dieses wichtige Zielkriterium wurde bisher in keiner einzigen Studie berücksichtigt.

Zum Ablauf der Berichtserstellung

Der G-BA hatte das IQWiG am 16. Oktober 2014 beauftragt, den Bericht in einem beschleunigten Verfahren als sogenannten Rapid Report zu erarbeiten. Im Unterschied zum sonst üblichen Prozedere werden hier keine Vorberichte veröffentlicht. Zwar wird eine Vorversion des Berichts extern begutachtet, es entfällt aber die Anhörung, bei der alle Interessierten Stellungnahmen abgeben können. Der Bericht (Version 1.0) wurde am 30. März 2015 an den Auftraggeber versandt.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.iqwig.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution906

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Dr. Anna-Sabine Ernst, 28.04.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2015

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