Helmholtz Zentrum München / Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt - 16.01.2017
Feinstaub weckt schlafende Viren in der Lunge
Nanopartikel aus Verbrennungsmotoren können Viren aktivieren, die in Lungengewebszellen "ruhen". Das fanden Forscher des Helmholtz Zentrums München, Partner im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL), heraus. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift "Particle and Fibre Toxicology" nachzulesen.
Nanopartikel aus Verbrennungsmotoren (hier gezeigt) können Viren aktivieren,
die in Lungengewebe ruhen.
Quelle: Helmholtz Zentrum München
Um dem Immunsystem zu entgehen, verbergen sich einige Viren in Zellen ihres Wirtes und verharren dort. Im Fachjargon nennt sich dieser Zustand latente Infektion. Wird das Immunsystem geschwächt oder ändern sich bestimmte Bedingungen, werden die Viren wieder aktiv, beginnen sich zu vermehren und zerstören die Wirtszelle. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Dr. Tobias Stöger vom Institut für Lungenbiologie und Prof. Dr. Heiko Adler, stellv. Leiter der Abteilung Lung Repair and Regeneration am Helmholtz Zentrum München, berichten nun, dass auch Nanopartikel diesen Prozess auslösen können.
"Aus vorangegangenen Modellstudien wussten wir bereits, dass das Einatmen von Nanopartikeln eine entzündliche Wirkung hat und das Immunsystem verändert", so Studienleiter Stöger. Gemeinsam mit seinen Kollegen Heiko Adler und Prof. Dr. Philippe Schmitt-Kopplin konnte er nun zeigen, dass "eine Exposition mit Nanopartikeln in der Lunge latente Herpesviren reaktivieren kann."
Konkret testeten die Wissenschaftler den Einfluss von Nanopartikeln, wie sie typischerweise bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern entstehen, in einem Versuchsmodell für eine bestimmte Herpesvirusinfektion. Dabei konnten sie einen deutlichen Anstieg viraler Proteine nachweisen, die nur bei aktiver Virusvermehrung produziert werden. "Auch Stoffwechsel- und Genexpressionsanalysen ergaben Muster wie bei einer akuten Infektion", so Philippe Schmitt-Kopplin, Leiter der Abteilung für Analytische BioGeoChemie. Weitere Experimente mit menschlichen Zellen belegten zudem, dass auch Epstein-Barr-Viren bei einem Kontakt mit den Nanopartikeln "geweckt" werden.
In weiteren Studien möchte das Forscherteam nun testen, ob sich die Ergebnisse auch auf den Menschen übertragen lassen. Denn: "Viele Menschen tragen Herpesviren in sich und Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose sind dabei besonders betroffen", so Heiko Adler. "Wenn sich die Ergebnisse beim Menschen bestätigen, wäre es wichtig, den molekularen Ablauf der Reaktivierung von latenten Herpesviren durch Partikelinhalation zu ergründen. Dann könnte man versuchen, diesen Wirkungsweg auch therapeutisch zu beeinflussen."
Spezielle Zellkulturmodelle sollen daher künftig den genauen Mechanismus der Virus-Reaktivierung durch Nanopartikel aufklären. "Zudem möchten wir in Langzeitstudien prüfen, inwieweit eine wiederholte Partikelexposition mit entsprechender Virus-Reaktivierung zu chronischen Entzündungs- und Umbauprozessen in der Lunge führen kann", blickt Tobias Stöger voraus.
Weitere Informationen
Hintergrund:
2015 demonstrierte eine andere Gruppe am Helmholtz Zentrum München, wie
es dem Epstein-Barr-Virus gelingt, sich in menschlichen Zellen zu
verstecken.
https://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/alle-pressemitteilungen/pressemitteilung/article/27036/index.html
Im März 2016 konnten Forscher zudem zeigen, dass sogenannte microRNAs den
Hilferuf von Zellen unterbinden, die mit dem Epstein-Barr-Virus infiziert
sind.
https://www.helmholtz-muenchen.de/presse-medien/pressemitteilungen/alle-pressemitteilungen/pressemitteilung/article/36021/index.html
Original-Publikation:
Sattler, C. et al. (2016): Nanoparticle exposure reactivates latent
herpesvirus and restores a signature of acute infection. Particle and
Fibre Toxicology, DOI 10.1186/s12989-016-0181-1
https://particleandfibretoxicology.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12989-016-0181-1
- Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für
Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose,
Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes
mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das
Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz
des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum
München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der
Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und
medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten
angehören.
www.helmholtz-muenchen.de
- Das Institut für Lungenbiologie (iLBD) gehört dem Comprehensive Pneumoloy
Center (CPC) an, einem Zusammenschluss des Helmholtz Zentrums München mit
dem Universitätsklinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München und
den Asklepios Fachkliniken München-Gauting. Ziel des CPC ist die
Erforschung chronischer Lungenerkrankungen, um neue diagnostische und
therapeutische Strategien zu entwickeln. Das iLBD führt mit der
Untersuchung zellulärer, molekularer und immunologischer Mechanismen von
Lungenerkrankungen den Schwerpunkt der experimentellen Pneumologie an. Das
CPC ist ein Standort des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL).
www.helmholtz-muenchen.de/ilbd
- Die Abteilung Lung Repair and Regeneration gehört dem Comprehensive
Pneumoloy Center (CPC) an, einem Zusammenschluss des Helmholtz Zentrums
München mit dem Universitätsklinikum der Ludwig-Maximilians-Universität
München und den Asklepios Fachkliniken München-Gauting. Ziel des CPC ist die
Erforschung chronischer Lungenerkrankungen, um neue diagnostische und
therapeutische Strategien zu entwickeln. Die Abteilung LRR untersucht neue
Mechanismen um Reparaturprozesse der Lungen besser zu verstehen und so neue
therapeutische Ansätze zu entwickeln. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der
Entwicklung neuer Methoden um die Lücke zwischen der präklinischen Forschung
und deren Anwendung am Patienten zu verringern. Das CPC ist ein Standort des
Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL).
www.helmholtz-muenchen.de/lrr
- Die selbstständige Abteilung Analytische Biogeochemie (BGC) untersucht
molekulare Wechselwirkungen von Stoffen in Biogeosystemen. Hochauflösende
Methoden der organischen Strukturaufklärung ermöglichen zusammen mit
Trennverfahren und mathematischen Methoden eine präzise raum- und
zeitauflösende Analyse. Ziel ist es, das Verständnis der molekularen
Abläufe in Ökosystemen und die Bestimmung von Biomarkern in Organismen zu
verbessern. BGC gehört dem Department of Environmental Sciences an.
www.helmholtz-muenchen.de/bgc
- Ziel der Forschung des Instituts für Experimentelle Genetik (IEG) ist,
Ursachen und Entstehung menschlicher Erkrankungen zu verstehen. Durch
seine leitende Funktion in interdisziplinären und internationalen
Konsortien hat das IEG eine weltweit führende Position in der systemischen
Untersuchung von Mausmodellen für Krankheiten des Menschen und der
Aufklärung von beteiligten Genen. Schwerpunkt bilden dabei
Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes. Das IEG ist Gründer der Deutschen
Mausklinik (GMC) und leitet das Europäische Maus Mutanten Archiv (EMMA).
Zudem koordiniert das IEG die europäische Forschungsinfrastruktur
Infrafrontier (ESFRI). Das IEG ist Teil des Helmholtz Diabetes Center
(HDC). Dem IEG gehört die Abteilung Genomanalysezentrum (GAC) an, die die
Entwicklung komplexer Krankheiten und den Umwelteinfluss bei ihrer
Entstehung untersucht.
www.helmholtz-muenchen.de/ieg
- Das Deutsche Zentrum für Lungenforschung (DZL) ist ein nationaler Verbund,
der Experten auf dem Gebiet der Lungenforschung bündelt und
Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung verzahnt.
Standorte sind Borstel/Lübeck/Kiel/Großhansdorf, Gießen/Marburg/Bad
Nauheim, Hannover, Heidelberg und München. Ziel des DZL ist es, über einen
neuartigen, integrativen Forschungsansatz Antworten auf offene Fragen in
der Erforschung von Lungenkrankheiten zu finden und damit einen
wesentlichen Beitrag zur Verbesserung von Prävention, Diagnose und
Therapie zu leisten.
http://www.dzl.de/index.php/de
Fachlicher Ansprechpartner:
Dr. Tobias Stöger
Helmholtz Zentrum München -
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GmbH)
Institut für Lungenbiologie
Ingolstädter Landstraße 1, 85764 Neuherberg
E-Mail: tobias.stoeger@helmholtz-muenchen.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution44
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Sonja Opitz, Abteilung, 16.01.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Januar 2017
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