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BILDUNG/670: Ärztliche Gesprächsführung in schwierigen Situationen - Training nötig (uni ulm intern)


uni ulm intern, Nr. 303, April 2010 - Das Ulmer Universitätsmagazin

Wie sage ich es meinem Patienten?
Ärztliche Gesprächsführung in schwierigen Situationen: Schulung und Training nötig

Von Willi Baur


Wie sage ich dem Patienten, dass sein HIV-Test positiv ausgefallen ist? Wie vermittle ich der Patientin, dass sie Brustkrebs hat? Wie teile ich nahen Angehörigen den Tod eines Familienmitglieds mit? Situationen wie diese zählen fraglos zu den schwierigsten, die ein Arzt oder eine Ärztin spätestens mit dem Berufseinstieg bestehen müssen, unabhängig von der jeweiligen fachlichen Ausrichtung. Inzwischen werden Mediziner darauf vorbereitet, an einigen Universitäten zumindest, seit zwei Jahren auch in Ulm.


"Ärztliche Gesprächsführung in schwierigen medizinischen Situationen" ist der Kurs überschrieben, an der Uni Ulm im Sommersemester 2008 erstmals als Wahlpflichtkurs angeboten, seit einem Jahr indes Pflicht im Abschlusssemester.

Auch bundesweit beginnt sich die Notwendigkeit einer entsprechenden Schulung durchzusetzen. Kein Zufall oder Versäumnis freilich, dass die Medizinerausbildung auf diesem Gebiet nachhinkt, während die Kunst der Gesprächsführung in vielen anderen Bereichen seit Jahrzehnten als unverzichtbare Grundlage vermittelt wird, von der Personalführung über den Einkauf bis zum Marketing.

Galt doch über mehr als zwei Jahrtausende hinweg die These des Hippokrates von Kos. Schon rund 500 Jahre vor Christus empfahl der berühmteste Arzt der Antike, Patienten gegenüber unangenehme Wahrheiten besser zu verschweigen, weil sie die Kranken nur belasteten.

Seit knapp zehn Jahren erst wird nun im Arzt-Patienten-Verhältnis ein fundamentaler Wechsel praktiziert.

Damit einher gehend die Erkenntnis, dass Kommunikation und Interaktion in dieser mitunter schwierigen Beziehung erlernt und trainiert werden können.

Vorreiter dabei: Wissenschaftler in angelsächsischen Ländern, unter anderem Professor Walter F. Baile, Psychiatriechef der Universität von Texas in Houston, der einen sehr detaillierten Leitfaden entwickelt hat, zunächst speziell ausgerichtet auf den Umgang mit Krebspatienten.

An diesem Gesprächsmodell orientiert sich denn auch der Kurs in Ulm wie der an der Berliner Charité, in Deutschland auf diesem Gebiet um einige Jahre voraus.

"Kompetenz auf diesem Gebiet sollte eigentlich jeder Arzt aufweisen, unabhängig vom Fach", ist denn auch Dr. Gerhard Hege-Scheuing überzeugt, seit vielen Jahren Anästhesiologie-Arzt in der Uniklinik und bislang Leiter des Kurses. Dabei stützt sich der Facharzt, der Ulm zwischenzeitlich verlassen hat, mitnichten nur auf seine breiten Erfahrungen in der Palliativmedizin. "Ein verstärktes Angebot zur Vermittlung kommunikativer und sozialer Kompetenzen soll sich deshalb künftig als roter Faden durch das Studium ziehen", so Hege-Scheuing, auch als Beitrag zur Ulmer Profilbildung beim Medizinstudium. Initiiert übrigens vom Arbeitskreis Curriculum-Entwicklung und Lehrinnovation der Medizinischen Fakultät und des Studiendekanats, ferner voll aus Studiengebühren finanziert.

Unter anderem auch die "Gagen" für die Simulationspatienten, die Gesprächspartner bei den Rollenspielen, zentrales Element bei den einzelnen Übungseinheiten. Wobei diese alle wichtigen Aspekte eines mustergültigen Gesprächsverlaufs beinhalten sollen: Den richtigen Rahmen schaffen, Augenkontakt herstellen, Zeit für Gefühle lassen und die Ziele vermitteln, vom Sammeln von Informationen und der Erklärung von Fakten über Unterstützungssignale bis zur Entwicklung des Behandlungsplans. Alles natürlich mittels Video aufgezeichnet, im Feedback beurteilt und anschließend intensiv nachgearbeitet.

Besonders wichtig bei den Übungsgesprächen, so Dr. Gerhard Hege-Scheuing: "Die Patienten richtig zu informieren und sie müssen sich mit ihren Anliegen verstanden fühlen."

Nicht weniger als 35 Simulationspatienten seien beim jüngsten Kurs eingesetzt worden, berichtet der Mediziner. Und hoch motiviert seien sie gewesen. "Sie können sich in den Zielen wiederfinden und wollen zu einer verbesserten Ärzteausbildung beitragen", hat er festgestellt.

Für ihn freilich nicht minder wichtig: Der sehr detaillierten Evaluation des Kurses zufolge war die Beurteilung durch die Teilnehmer sehr positiv.


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Quelle:
uni ulm intern, Nr. 303 (40. Jg.), April 2010, S. 42
Herausgeber: Universität Ulm, Pressestelle
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uni ulm intern erscheint sechsmal pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Mai 2010