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DROGEN/277: Anzeichen für Cannabismissbrauch - Übelkeit, Bauchkrämpfe und heißes Duschen (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Montag, 3. März 2014

Cannabis-Hyperemesis-Syndrom

Anzeichen für Cannabismissbrauch: Übelkeit, Bauchkrämpfe und heißes Duschen



Stuttgart, März 2014 - Wenn der Anfall einsetzt, wird ihnen speiübel, sie müssen sich übergeben und krümmen sich vor Bauchschmerzen. Suchtmediziner sehen die Störung in letzter Zeit häufiger. Die Kombination aus Übelkeit, Bauchkoliken und einer hohen Wasserrechnung ist für sie ein untrügliches Zeichen für das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom, für das es laut einem Bericht in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2014) nur eine Behandlungsmöglichkeit gibt: den vollständigen Verzicht auf die Hanfdroge.

Die neue Erkrankung wurde zunächst in Süd-Australien beobachtet, wo Drogengesetze lockerer sind und die Jugend sich gerne bei einem Joint im Park entspannt. Die Mediziner dort vermuteten zunächst eine psychogene Störung, die sich wieder gibt. Mittlerweile sind sie sich jedoch sicher, dass das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom eine handfeste und ernstzunehmende Folge eines langjährigen, in der Regel hochdosierten Cannabiskonsums ist, wie Professor Udo Bonnet von der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Castrop-Rauxel berichtet.

Die Erkrankung ist in Deutschland noch wenig bekannt. Die Drogenkonsumenten erkennen den Zusammenhang meistens nicht, einige versuchen sogar, die Übelkeit mit der Droge zu bekämpfen. Viele haben im Internet recherchiert, dass Cannabis gegen Übelkeit hilft, erläutert Professor Bonnet. Dort lesen sie, dass Cannabis sogar bei Krebskranken eingesetzt wird, um eine Chemotherapie erträglicher zu machen.

Auch von den Ärzten wird das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom nur selten diagnostiziert. Wegen der akuten Dynamik und oft dramatischen Symptomatik der zyklisch auftretenden "abdominellen Krisen" haben die Patienten in der Regel mehrfach das gesamte ambulante und stationäre Notfallhilfesystem ihrer Region durchlaufen, schreibt Professor Bonnet in der DMW. Dort schildert der Suchtexperte den Fall eines jungen Konsumenten, der von einem Hausarzt als letztem Heilversuch sogar mit Morphin-Infusionen behandelt wurde. Dies linderte zwar die Übelkeit, behob aber nicht die Ursache der Probleme. Schon bald benötigte der Patient Methadon zum Opiatentzug.

Schließlich wurde beides, Methadon und Cannabis, abgesetzt. "Während der zweiwöchigen kontrollierten Abstinenz ist das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom nicht wieder aufgetreten", berichtet Professor Bonnet. Geheilt war der Patient dadurch jedoch nicht. Der jahrelange Cannabiskonsum hatte zu einer ausgeprägten Antriebs- und Motivationsstörung geführt. "Er hatte keine sozialen Kontakte und Beziehungen mehr, seine Ausbildung hatte er abgebrochen", so Professor Bonnet weiter. Die Suchtmediziner überwiesen den Patienten in eine Fachklinik, wo die Entwöhnung fortgesetzt und die Rückkehr in die Gesellschaft vorbereitet werden soll.

Ein Cannabis-Hyperemesis-Syndrom ist nicht ungefährlich: "Schwere Elektrolytstörungen und sogar ein Nierenversagen sind möglich", warnt der Experte. Manche Patienten erlitten sogar Hautverbrennungen durch zu heißes Duschen. Zudem können Duschen und Baden zu einem Zwangsverhalten werden, erläutert Professor Bonnet.

Eine Alternative zum Drogenverzicht sieht er nicht. Medikamente gegen Erbrechen seien wirkungslos, Beruhgungsmittel wie Lorazepam könnten die Patienten süchtig machen und Pschopharmaka hätten schwere Nebenwirkungen.


U. Bonnet, U. Stratmann und K. Isbruch:
Keine Opiate gegen das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2014; 139 (8); S.375-377

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Quelle:
FZMedNews - Montag, 3. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2014