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UMWELT/600: Nano-Technologie - Silber im Kleinstformat (Securvital)


Securvital 2/2010 - März/April
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

Nano-Technologie
Silber im Kleinstformat

Von Norbert Schnorbach


Faszinierende Möglichkeiten, unbekannte Gefahren: Die Nano-Technologie bietet beides und erregt die Gemüter von Forschern und Kritikern. Und die Verbraucher kaufen Nano-Silber-Produkte, ohne es zu wissen.

Sie sind schon fast überall: In Lebensmittelverpackungen, Wandfarben, Kosmetika und Sportsocken. Nano-Materialien sind dabei, einen Siegeszug um die Welt anzutreten. Die Technologie der winzig kleinen Teilchen (1 Nano = 1 Millionstel Millimeter) wird als Schlüsseltechnik des 21. Jahrhunderts angesehen. Industrie und Technik setzten allen Ehrgeiz daran, spektakuläre Anwendungsbereiche für Nano-Materialien voranzutreiben.

Die Einsatzgebiete reichen von der Lebensmittel- und Bekleidungsindustrie über die Medizin (z.B. Krebstherapien) bis hin zur Raumfahrt. Doch Forscher und Verbraucherschützer warnen: Einige Gesundheitsgefahren sind bereits bekannt und viele weitere werden noch befürchtet. Aber ausreichend untersucht sind die Folgen der neuen Technologie noch nicht.

»Die Konsumenten nehmen schon seit Jahren unfreiwillig an einem Großversuch mit Nano-Partikeln teil. Die Erforschung der Risiken aber ist bisher sträflich vernachlässigt worden«, meint die Wissenschaftsjournalistin Petra Thorbrietz. Auch das Umweltbundesamt warnte im vergangenen Herbst vor ungeklärten Risiken. Gesundheitsgefahren wie früher beim Asbest werden befürchtet. Verbraucherschützer fordern schon seit langem mehr Aufklärung und eine Zulassungspflicht für Nano-Bestandteile.

»Nano-Euphorie und Sauberkeitswahn sollen den Markterfolg sichern.«

Prof. Dr. Wilfried Kühling, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des BUND.

Die Nano-Techniker arbeiten mit Hilfe superkleiner Teilchen, Millionstel Millimeter groß, manchmal nur wenige Atome im Durchmesser. Elementare Eigenschaften von Stoffen und Materialien werden dadurch verändert: Oberflächen werden superglatt und schmutzabweisend. Wirkstoffe werden durch Nano-Partikel verhüllt und ausgeblendet oder mit zielgerichteten Vorgaben freigesetzt. Damit können Arzneimittel sozusagen in winzige U-Boote verpackt werden, die im Körper nicht mehr auf die Blutbahn angewiesen sind. Die Medikamente dringen direkt in betroffene Körperzellen ein, etwa in Tumor-Gewebe. Es gibt medizinische Nano-Vorzeigeprodukte, die bereits als »sanfte Krebstherapie« angepriesen werden. »Gerade weil die Nano-Technologie, die alle bisher bekannten biologischen und physikalischen Grenzen überwindet, auch große Potenziale birgt, müssen ihre Auswirkungen sorgfältig untersucht werden«, fordert Thorbrietz. Mehr Forschung über die Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit fordert auch die Umweltorganisation BUND. Sie hat kürzlich eine Studie über das häufig verwendete Nano-Material Silber veröffentlicht. Ausgerechnet das Edelmetall Silber hat sich zum Renner der Nano-Technologie entwickelt.


In Nieren und Lunge

Die Sportbekleidungsindustrie ist zum Massenverbraucher des Metalls geworden und wirbt zum Beispiel für Silber-Socken ohne Schweißgeruch. Silber wirkt, wie seit langem bekannt, antibakteriell gegen Keime. Wird nun Silber in nano-dünnen Schichten auf das Gewebe von Strümpfen, T-Shirts usw. aufgedampft, zerstört es Bakterien und hemmt den Geruch des Sportler-Schweißes. Der Nachteil: Das Nano-Silber wird in der Waschmaschine schnell wieder herausgewaschen, gelangt in steigenden Konzentrationen ins Grundwasser und von dort ins Trinkwasser und auf die Felder der Landwirtschaft. Mittlerweile wird vieles versilbert: Handys und Computertasten werben mit Nano-Silber überzogen, damit sie keimfrei bleiben sollen. Silberpartikel finden sich auf Spielzeug, Tapeten, Türklinken, Wasserhähnen, Putzlappen und Frischhaltefolien. 500.000 Kilo Silber werden schätzungsweise jedes Jahr für Nano-Produkte verarbeitet. Tendenz stark steigend.

»Eine den Körpergeruch hemmende Ausrüstung von Socken und Unterwäsche oder »antibakterielle« Computertastaturen sind Beispiele dafür, dass hier eine neue Technologie mit einer weit verbreitet geschürten Angst vor Bakterien zusammenkommt. Nano-Euphorie und Sauberkeitswahn sollen gemeinsam den Markterfolg sichern«, kritisiert Prof. Dr. Wilfried Kühling, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats des BUND. Tier versuche verheißen nichts Gutes: Ratten, die Nano-Silber einatmen, reichern es in Leber, Nieren und Lunge an, stellten Forscher fest (Toxicological Sciences 2009). In der Lunge entwickelten sich chronische Entzündungen. »Ob Oberflächen mit fest gebundenem Nano-Silber wie beispielsweise Computertastaturen gesundheitsschädlich sind, lässt sich mangels Studien nicht mit Sicherheit sagen«, meint der BUND-Experte Heribert Wefers. »Auf jeden Fall abraten würde ich aber von Sprays mit Nano-Silber, wie sie als Deos oder als 'Pflanzenstärkungsmittel' im Handel sind. Solche Nano-Partikel werden über die Lunge aufgenommen und sind mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Gesundheitsrisiko.«


WEITERE INFORMATIONEN

Umweltbundesamt: Nanotechnik für Mensch und Umwelt. Download im Internet: www.umweltbundesamt.de

BUND: »Nano-Silber - Der Glanz täuscht.« Kostenlose Broschüre,
erhältlich unter Tel. 030 / 275 8640 oder als Download im Internet unter www.bund.net


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:

Silber im Nano-Format wird in Sportbekleidung verarbeitet - und taucht im Trinkwasser wieder auf.


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Quelle:
Securvital 2/2010 - März/April, Seite 20 - 21
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA GmbH - Gesellschaft zur Entwicklung
alternativer Versicherungskonzepte
Redaktion: Norbert Schnorbach (V.i.S.d.P.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. April 2010