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UMWELT/674: Sri Lanka - 400.000 Nierenkranke in Hauptanbaugebiet, Ärzte machen Agrochemikalien verantwortlich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. August 2012

Sri Lanka: 400.000 Nierenkranke in Hauptanbaugebiet - Ärzte machen Agrochemikalien verantwortlich

von Amantha Perera

Bericht sieht Zusammenhang zwischen Nierenleiden und Pestiziden im Trinkwasser - Bild: © Amantha Perera/IPS

Bericht sieht Zusammenhang zwischen Nierenleiden und Pestiziden im Trinkwasser
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo, 22. August (IPS) - Ein neuer Untersuchungsbericht sieht einen Zusammenhang zwischen der Verbreitung chronischer Nierenleiden in Sri Lankas Hauptagrargebieten und einer Belastung des Trinkwassers mit Schwermetallen, die in Agrarchemikalien enthalten sind.

Etliche Studien haben sich bereits mit der hohen Zahl von Nierenerkrankungen in der nordzentralen Anbauregion beschäftigt, ohne sich auf eine konkrete Ursache festzulegen. Der am 14. August erschienene Bericht einer Gruppe srilankischer Ärzte bildet eine Ausnahme. Er schätzt die Zahl der Nierenkranken in der Region auf bis zu 400.000 und die Zahl der Todesfälle in den letzten 20 Jahren auf 22.000.

Die Studie, die den Ärzten zufolge als Teil eines laufenden Forschungsprojekts der srilankischen Regierung und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) entstanden ist, macht zwar eine Kombination mehrerer Faktoren für die vielen Nierenerkrankungen verantwortlich. Gleichzeitig betont sie aber, dass man bei den Untersuchungen auf nephrotoxische (die Niere schädigende) Agrarchemikalien, Arsen und Kadmium gestoßen sei.

"Die Verbreitung des Leidens ist auf die Konzentration von Schwermetallen im Wasser zurückzuführen, die durch den unregulierten Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft verursacht wurde", sagte Channa Jayasumana von der Medizinischen Fakultät der Rajarata-Universität in Anuradhapura, im IPS-Gespräch.


Regierung Untätigkeit vorgeworfen

Jayasumana gehört dem Team der Ärzte an, die den Bericht veröffentlicht haben. Wie diese berichteten, hätten sie ihre Untersuchungsergebnisse der Regierung bereits im letzten Jahr vorgelegt. Die Öffentlichkeit sei aber nicht informiert worden. Ebenso wenig hätten die Behörden Gegenmaßnahmen ergriffen.

Mit der Veröffentlichung der Studie haben die Ärzte einen Aufschrei der Empörung ausgelöst. Doch bisher haben Colombo und WHO zu den Vorwürfen keine Stellung bezogen. Aus WHO-Kreisen war zu erfahren, dass einer der zitierten Wissenschafter - Shanthi Mendis - für die internationale Organisation tätig ist. Einige Details, wie sie in den Medien wiedergegeben worden seien, deckten sich aber nicht mit den WHO-Berichten, hieß es.

Wie aus den WHO nahestehenden Quellen aber auch zu hören war, soll die Weltgesundheitsorganisation der srilankischen Regierung empfohlen haben, die Dünger- und Pestizidimporte zu regulieren und zu standardisieren. Das Gleiche fordern die Ärzte in ihrem Bericht.

Einen Tag vor Veröffentlichung des Mediziner-Berichts kam das Zentrum für Wissenschaft und Umwelt (CSE) im indischen Neu-Delhi in einer eigenen Studie zu dem Ergebnis, dass Schwermetalle im lokalen Trinkwasser als Hauptursache für die Nierenerkrankungen in Sri Lanka nicht in Frage kämen. Sollten aber tatsächlich Schwermetalle für die vielen Fälle verantwortlich sein, müsse nach einem anderen Verbreitungsweg geforscht werden.

"Wären Düngemittel und Pestizide tatsächlich die Ursache für die Nierenleiden, müssten diese auch in anderen Agrarregionen des Landes auftreten, meint der CSE-Vizedirektor Chandra Bushan. Dem CSE-Bericht zufolge geht die Gefahr eher von Bohrbrunnen und belastetem Grundwasser aus.

Der Untersuchung zufolge ist das nordzentrale Anbaugebiet 17.000 Quadratkilometer groß. Dort leben 2,5 Millionen Menschen, von denen wiederum 95 Prozent in ländlichen Gebieten leben. Die Studie beruft sich auf das wichtigste Krankenhaus des nordzentralsrilankischen Bezirks Anuradhapura, dem zufolge die Zahl der Patienten im Endstadium einer chronischen Nierenerkrankung um 227 Prozent angestiegen ist. Die Todesrate habe in den letzten Jahren sogar um 354 Prozent zugelegt.


Zehn Prozent der Bevölkerung gefährdet

Dem CSE-Bericht zufolge, der in Anuradhapura veröffentlicht wurde, leben mehr als zehn Prozent der bald 21 Millionen Srilanker in Hochrisikogebieten im zentralen Norden, Südosten, Zentrum und Norden des Landes.

Trotz der unterschiedlichen Schlussfolgerungen, zu denen beide Berichte kommen, würdigten die Wissenschaftler beider Lager die Forschungsergebnisse der jeweils anderen. "Wir sagen seit langem, dass der Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln geregelt werden muss", betonte Bushan vom CSE. "Es steht außer Frage, dass die Wasserqualität schlecht ist", meinte auch Jayasumana, dessen Forschungsergebnisse ebenfalls im CSE-Bericht vorgestellt wurden.

Beide Studien fordern die Regierung zum Handeln auf, um die weitere Verbreitung der Nierenkrankheiten zu verhindern. Die Statistik zeigt, dass vor allem männliche Bauern an einem chronischen Nierenleiden erkranken. Als Hauptrisikogruppe hat der CSE-Bericht 30- bis 60-jährige Männer ausgemacht. Die Studie der srilankischen Ärzte zeigt, dass mindestens 15 Prozent der Männer in den nordzentralen und südöstlichen Provinzen an einer Nierenerkrankung leiden.

Die Bauern der betroffenen Regionen sind ratlos. "Was sollen wir denn tun? Wir müssen Düngemittel und Pestizide verwenden, wenn wir eine gute Ernte haben wollen. Wir müssen das Wasser trinken, wenn wir nicht verdursten wollen", meint Karunarathne Gamage aus der nordzentralen Region.

Bushan zufolge unterstreicht die CSE-Studie auch die schlechte Qualität der regionalen Gesundheitsversorgung. Eine Dialyse-Sitzung kostet 90 US-Dollar, und die meisten regionalen Krankenhäuser leiden unter einem Mangel an Personal und Fazilitäten, um die Blutwäsche durchzuführen. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.cseindia.org/userfiles/sri_lanka_final_report.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/08/study-links-kidney-disease-in-sri-lankas-farm-belt-to-agrochemicals/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. August 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2012