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AUSLAND/1626: Kongo - Frauen mit Geburtsfisteln werden kostenlos operiert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Dezember 2010

Kongo: Start in ein neues Leben - Frauen mit Geburtsfisteln werden kostenlos operiert

Von El-Staël Enkari


Brazzaville, 20. Dezember (IPS) - Mit der kostenlosen Operation ihrer Geburtsfistel wurde im vergangenen Jahr in der Republik Kongo 49 Frauen ein neues Leben geschenkt. Von der Familie verstoßen und sozial ausgegrenzt ermöglichte ihnen die Heilung ihres Leidens die Rückkehr in eine würdige und wirtschaftlich unabhängige Existenz.

Die kostenlose Behandlung samt psychologischer Betreuung, beruflicher Ausbildung und finanzieller Starthilfe verdanken die Frauen dem Engagement des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA), des Rotary-Clubs und den Gesundheitsbehörden des westafrikanischen Landes. Im Rahmen seines Mütterprogramms hat der UNFPA seit 2007 im Kongo mehr als 400.000 US-Dollar in Geburtshilfe investiert. Seit 2003 betreibt der UN-Fonds in fast 40 Ländern eine Kampagne gegen die Blasen-Scheiden-Fistel und deren Ursachen.

Langlebige Traditionen wie Genitalverstümmelung und Kinderehe sind neben unzureichenden Gesundheitssystemen die Hauptursachen des Leidens. Wenn junge Frauen noch vor ihrer körperlichen Reife Kinder bekommen, sind Risikogeburten vorprogrammiert. Ohne medizinische Hilfe kann sich eine Geburt tagelang hinziehen und das Leben von Mutter und Kind gefährden. Häufig kommt es durch den langen Geburtsverlauf zu Geweberissen zwischen Blase, Darm und Vagina, die ohne Behandlung als Fisteln zur Inkontinenz führen.

Vor allem in ländlichen Regionen mit spärlicher Gesundheitsversorgung begleiten Informationsveranstaltungen und Aufklärungsarbeit in den Familien die staatlichen Initiativen zur Bekämpfung der Fistel. In der Republik Kongo wurden bei einer 2009 durchgeführten Untersuchung des UNFPA fast 130 Fälle von Geburtsfisteln registriert. In Subsahara-Afrika und Asien leiden mehr als zwei Millionen Frauen an einer Geburtsfistel, die sie ohne chirurgische Behandlung zeitlebens inkontinent und arbeitsunfähig macht. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommen Jahr für Jahr 50.000 bis 100.000 neue Fälle hinzu.

"Meine gesamte Familie hatte mich verstoßen, weil ich den Urin nicht mehr halten konnte", berichtete Pauline, eine der inzwischen operierten Frauen. Jetzt kann sie wieder ein normales Leben führen. Auch ihre Leidensgenossin Félie hat nach der Operation ihre Freude am Leben wieder gefunden und verdient jetzt ihren Lebensunterhalt als Kleinhändlerin.


Von der Familie im Stich gelassen

Wegen der im Kongo für die meisten Menschen unerschwinglichen Operationskosten von 500.000 bis 900.000 CFA-Franc (umgerechnet 760 bis 1.370 Dollar) sind die betroffenen Frauen gezwungen, mit der Fistel und den damit verbundenen Unannehmlichkeiten zu leben. "Häufig werden sie von Mann und Familie im Stich gelassen. Man muss ihnen helfen, denn sie fühlen sich gedemütigt", erklärte der Arzt Anani Odzébé, Urologe an der Universitätsklinik der Hauptstadt Brazzaville.

"Ich habe sehr gelitten", berichtete Claudine, die durch eine Operation von ihrem Fistelleiden befreit wurde. "Mein Mann beschimpfte mich ständig und suchte sich schließlich eine andere Frau."

Cornélie Adou Ngapi, die in der Republik Kongo für Frauenforderung und -Integration zuständige Generaldirektorin, wirbt bei den Familien der betroffenen Frauen um Verständnis und Hilfe. "Wir fordern sie auf, ihre kranken Angehörigen zu unterstützen", berichtete sie. "Wenn in einem Hospital eine Geburtsfistel entdeckt wird, setzen wir uns mit den Angehörigen der Patientin in Verbindung und versuchen ihnen klar zu machen, dass diese Frauen auf ihre liebevolle Fürsorge angewiesen sind", erklärte sie.

Die Ärztin Jeannette Bikoussi arbeitet als Expertin für Reproduktionsgesundheit für den UN-Bevölkerungsfonds. "Alle 30 kongolesischen Frauen, deren Geburtsfisteln 2009 operiert wurden, sind mittlerweile geheilt", berichtete sie. "20 von ihnen erhielten eine finanzielle Starthilfe und leben jetzt von eigener Arbeit." Jetzt hoffe man, im Rahmen der zweiten im Juni im Kongo gestarteten Kampagne noch mehr betroffene Frauen zu erreichen und ihnen zu helfen, betonte Bikoussi.

Auch der Rotary-Club ermöglichte 2009 im Rahmen einer medizinischen Hilfsmission 19 kongolesischen Frauen eine kostenlose Fisteloperation. "Wir hoffen, dass dieses Engagement von Dauer ist", betonte Jérémie Mouyokan, der Sekretär der zivilen Organisation. (Ende/IPS/mp/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2010