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AUSLAND/1747: Kenia - Gebären im Flüchtlingslager - Somalische Tradition gefährdet Mutter und Kind (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2011

Kenia:
Gebären im Flüchtlingslager - Somalische Tradition gefährdet Mutter und Kind

von Isaiah Esipisu


Dadaab, Kenia, 26. September (IPS) - Jede im Hospital des Flüchtlingslagers Hagadera im nordostkenianischen Dadaab anstehende Kaiserschnittentbindung kann für Beldina Gikundi, die Leiterin der Geburtenstation, und ihr Team zu einem Wettlauf mit der Zeit werden. Die Frauenärztin kennt die somalische Tradition, die verlangt, dass der Schwiegervater oder der Mann der Patientin der Leben rettenden Operation zustimmen muss. Doch oft dauert es zu lange, um die männlichen Angehörigen rechtzeitig ausfindig zu machen.

In dem nach Angaben des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) weltweit größten Flüchtlingslager Dadaab leben 440.000 Menschen. Die meisten sind Frauen aus Somalia, die mit ihren Kindern vor Hunger und Krieg in ihrem Heimatland geflohen sind. Viele Männer sind an ihrem Arbeitsplatz in Mogadischu oder in ihren Dörfern geblieben, um ihren Landbesitz zu schützen.

Dadaab ist in die drei Lager Dagahaley, Hagadera und Ifo unterteilt. Das gut ausgerüstete Hospital im Lager Hagadera verfügt über 120 Betten und wird von der Nichtregierungsorganisation 'International Rescue Committee' unterhalten. Hier können Patienten rund um die Uhr operiert werden. Die Behandlung ist kostenlos. Auch die ambulante Versorgung von Patienten ist möglich.

Dennoch kann eine komplizierte Geburt für Mutter und Kind zu einer Frage von Leben und Tod werden. "Wir haben schon oft versucht, die Männer in Mogadischu oder in ihren südsomalischen Heimatdörfern ausfindig zu machen, um ihre Einwilligung zu einem Kaiserschnitt einzuholen", berichtete Gikundi IPS.

"Weil manche Frauen tagelang in den Wehen liegen, bevor wir die für die Operation erforderliche Zustimmung eines männlichen Angehörigem erhalten, kommt ihr Kind tot zur Welt", sagte die Ärztin. Wenn die Frauen die Tortur überleben, bleibt bei ihnen häufig eine so genannte Geburtsfistel zurück, ein Riss zwischen Blase und Scheide, der sie inkontinent macht und sie sozial ausgrenzt. In der Frauenklinik im Lager Hagadera werden pro Monat durchschnittlich drei Fisteln operativ geschlossen.

Anne Burton, die in Dadaab im Gesundheitsdienst des UNHCR arbeitet, berichtete, im Flüchtlingslager seien zwischen Januar und Juli 14 Frauen bei der Geburt gestorben. Nach Angaben anderer Gesundheitsexperten des UNHCR sind in dem kenianischen Flüchtlingslager fast alle somalischen Frauen beschnitten. Die Genitalverstümmelung, der in Somalia 97 Prozent aller Mädchen und Frauen unterzogen werden, gilt als eine der Ursachen für die hohe Zahl der Mütter und Kinder, die eine Geburt nicht überleben. (Ende/IPS/mp/2011)



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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2011