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AUSLAND/1864: Haiti - US-Kongress macht Druck auf UNO, größerer Einsatz gegen Cholera verlangt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Juli 2012

Haiti: US-Kongress macht Druck auf UNO - Größerer Einsatz gegen Cholera verlangt

von Ethan Freedman



Washington, 23. Juli (IPS) - Mehr als hundert US-Abgeordnete fordern von den Vereinten Nationen, sich stärker im Kampf gegen die Cholera in Haiti zu engagieren. Seit dem Ausbruch der Epidemie vor drei Jahren sind in dem Karibikstaat bereits mehrere Tausend Menschen an der Infektionskrankheit gestorben.

In einem Schreiben appellieren 104 Kongressmitglieder an die Ständige Vertreterin der USA bei der Weltorganisation, Susan Rice, Druck auszuüben, damit sich die UN intensiver mit dem Problem befasst. "Es ist unumgänglich, dass die Vereinten Nationen entschlossen vorgehen, um die Cholera-Epidemie unter Kontrolle zu bringen", erklärte der Abgeordnete John Conyers. Ein Versagen würden nicht nur zu zahllosem weiteren Todesfällen führen, sondern auch eine permanente Gesundheitsgefahr in Haiti schaffen.

Untersuchungen führen den Ausbruch der Krankheit auf nepalesische Blauhelme zurück, die 2010 in Haiti stationiert waren. Wie aus einer im 'New England Journal of Medicine' veröffentlichten Studie hervorgeht, entsprach das auf die Karibikinsel gelangte Bakterium 'Vibrio cholerae' einem Erreger, der 2002 und 2008 in Südasien festgestellt worden war. Nach Angaben der US-Seuchenkontrollbehörden hatte sich in Haiti bis 2010 fast ein Jahrhundert lang kein Cholera-Fall eingestellt.

Im März erklärte der ehemalige Präsident Bill Clinton, zurzeit Haiti-Sondergesandter der UN, dass ein UN-Blauhelm die "direkte Ursache" für den Seuchenausbruch war. Die Vereinten Nationen selbst gaben IPS dazu keine formelle Erklärung ab.


100.000 Dollar Entschädigung für jeden Toten gefordert

Der Brief der Abgeordneten wurde von dem in Boston ansässigen unabhängigen Institut für Gerechtigkeit & Demokratie in Haiti (IJDH) begrüßt. Die Gruppe führt im Namen von 5.000 Cholera-Opfern einen Rechtsstreit gegen die Weltorganisation. Für jeden Toten werden 100.000 US-Dollar und für jeden Infizierten 50.000 Dollar Entschädigung gefordert.

"Der Aufruf des Kongresses zum Handeln spiegelt den wachsenden Konsens wider, dass die UN eine moralische und rechtliche Verantwortung im Hinblick auf die Cholera-Epidemie in Haiti trägt", erklärte IJDH-Direktor Brian Concannon. Es müsse nun dringend gehandelt werden, bevor es weitere Todesopfer gebe.

Die Vereinten Nationen haben bisher nicht die volle Verantwortung für die Cholera-Epidemie übernommen. In einem 2011 verbreiteten Report stellte die Weltorganisation allerdings fest, dass ein "Zusammentreffen von Umständen" den Ausbruch der Krankheit verursacht habe. Die Epidemie sei aber "nicht von einer Gruppe Einzelpersonen verschuldet oder vorsätzlich herbeigeführt worden".

Beobachter vermuten, dass die Vereinten Nationen ihre Verantwortung leugnen, um das Gesicht zu wahren. "Das Ganze ist ihnen peinlich und steht im Widerspruch zu ihrer Mission", meinte Daniel Beeton vom progressiven Thinktank 'Center for Economic and Policy Research'.

Laut der Panamerikanischen Gesundheitsorganisation (PAHO), die der Weltgesundheitsorganisation WHO angegliedert ist, sind seit dem Ausbruch 2010 bislang mehr als 7.000 Menschen in Haiti an der Cholera gestorben. Zudem habe die haitianische Regierung mehr als 520.000 Infektionsfälle gemeldet, sagte der PAHO-Vizedirektor Jon Kim Andrus.

Nach Einschätzung der WHO betrifft die Epidemie nicht nur den Gesundheitssektor. "Zusätzlich zu dem menschlichen Leid kann die Cholera für Panik sorgen, das soziale und wirtschaftliche Gefüge auseinander reißen und die Entwicklung der betroffenen Gemeinden behindern", erklärte die Organisation.

Als Beispiel wird das südamerikanische Land Peru zitiert, das 1991 eine Cholera-Epidemie erlebte. Handelsembargos auf Lebensmittel und widrige Auswirkungen auf den Tourismus brachten den Staat laut der WHO damals insgesamt 770 Millionen Dollar Verluste ein.

In Haiti trifft die Cholera, die Durchfälle und Erbrechen verursacht und durch einen extremen Flüssigkeitsverlust zum Tod führt, ein wirtschaftlich ohnehin schon stark geschwächtes Land. Die Arbeitslosenrate beträgt dort 40 Prozent, wie aus dem 'World Factbook' des US-Geheimdienstes CIA hervorgeht.

Als Reaktion auf die Cholera-Epidemie und die humanitären Krisen in dem Karibikstaat forderten die UN 2010 864 Millionen Dollar für Stabilisierungsmaßnahmen an. Das derzeitige Budget der UN-Mission in Haiti (MINUSTAH) liegt bei 793 Millionen Dollar. Nach Angaben der US-Entwicklungsbehörde USAID hat Washington der haitianischen Regierung zur Bekämpfung der Cholera Hilfe in Höhe von 73 Millionen Dollar bereitgestellt.


Cholera breitet sich in Karibikregion aus

Die Infektionskrankheit breitet sich im gesamten Karibikraum weiter aus. Auf Kuba gibt es mittlerweile 170 bestätigte Fälle, die allerdings nicht eindeutig mit der Epidemie in Haiti in Verbindung gebracht werden. Laut dem kubanischen Gesundheitsministerium wurde ein Auftreten von Cholera auf der Insel zuletzt kurz nach der Machtergreifung von Fidel Castro 1959 festgestellt.

In Haiti hat den UN das Fehlverhalten einzelner Blauhelme geschadet, denen Gewaltexzesse und sexuelle Übergriffe zur Last gelegt werden. Im März entließ die Weltorganisation drei Mitglieder einer in Pakistan ausgebildeten und in der MINUSTAH aktiven Polizeitruppe, die einen 14-jährigen Jungen sexuell attackiert haben sollen. Friedenssoldaten wurden zudem beschuldigt, 2011 einen 18-jährigen Haitianer missbraucht zu haben. Dieser Vorfall war mit einem Mobiltelefon gefilmt worden. (Ende/IPS/2012)


Links:

http://ijdh.org/
http://new.paho.org/index.php
http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/C.5/66/14
http://www.ipsnews.net/2012/07/u-n-urged-to-take-lead-in-aiding-cholera-stricken-haiti/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. Juli 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2012