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AUSLAND/1939: Indien - Widerspruch des Pharmakonzerns Bayer gegen indische Zwangslizenz abgelehnt (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - 4. März 2013

Bayer-Widerspruch gegen indische Zwangslizenz abgelehnt

Ärzte ohne Grenzen begrüßt Entscheidung für bezahlbare Medikamente



Berlin/Chennai, 4. März 2013. Das indische Intellectual Property Appellate Board (IPAB) hat den Widerspruch des Pharmakonzerns Bayer gegen eine Zwangslizenz für die Produktion des Krebsmedikamentes Nexavar abgelehnt. Ärzte ohne Grenzen begrüßt die am Montag bekannt gegebene Entscheidung des obersten indischen Patentprüfungsausschusses in Chennai.

"Die Entscheidung stärkt Zwangslizenzen als wichtiges Instrument zum Schutz der öffentlichen Gesundheit", sagt Oliver Moldenhauer, Koordinator der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. "Wir fordern Bayer auf, die Entscheidung zu akzeptieren und nicht anzufechten. Patente machen lebenswichtige Medikamente für Patienten in armen Ländern oft unbezahlbar, während die Konkurrenz durch Generikahersteller schnell und nachhaltig für deutlich niedrigere Preise sorgt. Im konkreten Fall ging es mit Nexavar um ein Krebsmedikament. Jetzt kommt es darauf an, dass Indien und andere ärmere Länder das Instrument der Zwangslizenzen stärker einsetzen. Dann können bald auch neuere HIV/Aids-Medikamente von Generikaproduzenten zu einem Bruchteil des Originalpreises produziert werden."

"Neuere HIV/Aids-Medikamente sind heute noch für viele Menschen, die sie bräuchten, unerschwinglich", so Moldenhauer weiter. "Nicht zuletzt für diese Patienten ist die Entscheidung des IPAB eine großartige Nachricht. Zwangslizenzen sind ein im internationalen Handelsrecht verankerter Mechanismus, den Staaten nutzen können, um Wettbewerb zu ermöglichen und damit den Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten sicherzustellen."

Das indische Patentamt hatte dem indischen Generikahersteller Natco im März 2012 eine Zwangslizenz zur Produktion des in Nexavar enthaltenen Wirkstoffes Sorafenib Tosylate für die nächsten acht Jahre zugesprochen, weil Bayer es versäumt hatte, sein Medikament in ausreichender Menge und zu einem erschwinglichen Preis in Indien anzubieten. Der Preis sank dadurch um 97 Prozent. Natco zahlt dafür eine Lizenzgebühr in Höhe von sechs Prozent der Verkaufserlöse. Damit wurde in Indien zum ersten Mal eine Zwangslizenz für ein patentiertes Medikament erlassen.

Indien ist einer der bedeutendsten Generikahersteller weltweit. Die "Apotheke der Armen" versorgt sowohl zahlreiche Gesundheitsprogramme in armen Ländern als auch zahlreiche Organisationen mit kostengünstigen generischen Medikamenten. Mehr als 80 Prozent der Aidsmedikamente, mit denen Ärzte ohne Grenzen weltweit 220.000 Patienten in ärmeren Ländern behandelt, sind günstige Nachahmerpräparate aus Indien.

Derzeit steht noch eine weitere wegweisende Gerichtsentscheidung in Indien aus. Der Pharmakonzern Novartis klagt vor dem Obersten Gerichtshof, um eine Bestimmung des indischen Patentrechts zu ändern, die den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten sichert.

Mehr Informationen:
http://msf.de/1p

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Quelle:
Ärzte ohne Grenzen
Pressemitteilung Nr. 14/2013 vom 4.3.2013
Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin
Pressestelle: Telefon: 030/22 33 77 00
E-Mail: office@berlin.msf.org
Internet: www.aerzte-ohne-grenzen.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. März 2013