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AUSLAND/2013: Uganda - Schwieriger Kampf gegen Geburtsfisteln, landesweit nur 24 Chirurgen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. November 2013

Uganda: Schwieriger Kampf gegen Geburtsfisteln - Landesweit nur 24 Chirurgen

Von Amy Fallon


Bild: © Amy Fallon/IPS

Zwei Prozent der Uganderinnen im gebärfähigen Alter leiden unter einer Geburtsfistel
Bild: © Amy Fallon/IPS

Kampala, 20. November (IPS) - In Uganda wissen zwei Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter aus leidvoller Erfahrung, was es heißt, mit einer Geburts- oder Scheidenfistel gestraft zu sein. Werden sie nicht operiert, droht ihnen die lebenslange Isolation und Diskriminierung.

Zu den Betroffenen gehört Mary, die im wirklichen Leben anders heißt. Seit einer Fehlgeburt vor 15 Jahren ist die Bäuerin aus dem Bezirk Mubende in Zentraluganda inkontinent. Nun soll ihr ein operativer Eingriff im Mulago-Krankenhaus die Rückkehr ins normale Leben ermöglichen.

Marys Scheidenfistel wurde durch Komplikationen bei der Geburt verursacht. Ihr Kind steckte mehr als 48 Stunden fest. Da das Gewebe zwischen Vagina und Blase nicht mehr mit Blut versorgt werden konnte, entstand eine Öffnung, aus der Urin austritt. "Jedes Mal wenn ich etwas trinke, fließt Urin nach", berichtet die 35-Jährige. Da sie den Fluss nicht selbst regulieren kann, trägt sie Binden aus Kleidungsresten, die sie ständig wechseln muss. Dabei hatte sie noch Glück im Unglück. Wäre die Öffnung zwischen Scheide und Anus entstanden, wären Fäkalien ausgetreten.

Aufgrund der großen Entfernung zum nächsten Krankenhaus - Mubende liegt 144 Kilometer westlich von Kampala entfernt - hatte sie eine traditionelle Geburtshelferin in die nächstgelegene Krankenstation gebracht. Da man ihr dort nicht helfen konnte, wurde sie in das Bezirkskrankenhaus eingeliefert, wo sie nach der langen Tortur schließlich eine Fehlgeburt erlitt. Danach ging ihr Leben in die Brüche: Erst wurde sie vom Kindsvater verlassen, dann von ihrer Familie geächtet und schließlich von der eigenen Schwester, mit der sie zusammenlebte, auf die Straße gesetzt.


Hohe Dunkelziffer

"Marys Geschichte ist kein Einzelfall", sagt dazu Susan Obore, eine auf Urogynäkologie spezialisierte Fachärztin für Frauenheilkunde, am Mulago-Krankenhaus. Nach offiziellen Angaben leiden rund 140.000 bis 200.000 Uganderinnen an einer Scheiden- oder Geburtsfistel. "Die Dunkelziffer dürfte viel höher sein, da viele Fälle aufgrund der Stigmatisierung des Problems gar nicht erst bekannt werden", erläutert Obore. "Was wir sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs."

In Uganda fehlt es an Fachärzten, die sich auf die Operation von Fisteln verstehen. Derzeit gibt es im ganzen Land mit bis zu 37 Millionen Einwohnern gerade einmal 24 Chirurgen. "Ein Tropfen auf den heißen Stein", meint dazu der Fistelspezialist im Gesundheitsministerium, Peter Mukasa. "Der Eingriff müsste eigentlich in allen Krankenhäusern angeboten werden."

Mukasa zufolge kommen jedes Jahr 1.900 neue Fälle dieses Frauenleidens hinzu. 2.000 Frauen können jährlich operiert werden. Doch kommen die Kliniken aufgrund der zahlreichen unbehandelten Fistelfälle nicht mit den Eingriffen hinterher. "Es wird Jahre dauern, bis wir den Rückstand aufholen können", räumt er ein. "Bei durchschnittlich jeder 250. Geburt entsteht durch Komplikationen eine neue Fistel."

Die Kosten pro Eingriff liegen bei rund 400 US-Dollar. Hinzu kommen Ausgaben für den Transport der Patientinnen und für die stationäre Behandlung. "Das ist eine Menge Geld in einem Land, das weitgehend auf die Unterstützung des UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) angewiesen ist", sagt Mukasa.

In Äthiopien, wo es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation jedes Jahr zu 8.000 neuen Fällen der Frauenkrankheit kommt, gibt es in der Hauptstadt Addis Abeba inzwischen das weltweit erste Krankenhaus, das auf die Behandlung von Geburtsfisteln spezialisiert ist.

Nach Ansicht von Obore braucht Uganda eine solche Spezialeinrichtung nicht. "Wir sind guter Hoffnung, dass wir auch so mit den Fisteln fertig werden", sagt sie und fügt hinzu, dass eine der besten Methoden, um der Krankheit vorzubeugen, die Stärkung der Rolle der Frau sei. Hauptrisikogruppe sind vor allem junge Analphabetinnen in den ländlichen Gebieten.

In Afrika, Asien und der arabischen Welt leiden nach Angaben der globalen Anti-Fistel-Kampagne der UNFPA zwei Millionen Frauen an einer unbehandelten Geburtsfistel. Jedes Jahr kommen 50.000 bis 100.000 neue Krankheitsfälle hinzu.


Hilfe von Nichtregierungsorganisationen

Das 'Uganda Village Project' (UVP), eine internationale Nichtregierungsorganisation, führt drei Mal im Jahr am Missionshospital in Kamuli Operationen gegen das Übel durch. Die betroffenen Frauen werden mit Hilfe von Radioshows, Aufklärungskampagnen und Mund-zu-Mund-Propaganda auf das Projekt hingewiesen. Wer sich für eine OP anmeldet, wird ins Krankenhaus gebracht und von Chirurgen der britischen Hilfsorganisation 'Uganda Childbirth Injuries Fund' operiert.

Im letzten dieser Fistel-OP-Camps wurden insgesamt 15 Frauen einem solchen Eingriff unterzogen. Neun Patientinnen wurden geheilt, die verbliebenen sechs werden in einem zweiten Durchgang Anfang des Jahres nochmals operiert, wie die Geschäftsführerin des UVP-Büros in Iganga, Kait Maloney, berichtet.

Mary hatte aus dem Radio von den OPs erfahren. Nachdem der erste Eingriff in einer ländlichen Klinik erfolglos verlaufen ist, wird sie nun im Mulango-Krankenhaus operiert. "Ich bin so glücklich darüber", sagt sie. Das Risiko einer Schwangerschaft will sie nicht mehr auf sich nehmen. "Dazu ist die Erinnerung an das Leid, dass ich erfahren habe, zu groß." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.ugandavillageproject.org/
http://www.prb.org/Publications/Articles/2004/MarriedasChildrenWomenWithObstetricFistulasHaveNoFuture.aspx
http://www.measuredhs.com/pubs/pdf/FR264/FR264.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/11/grappling-to-give-ugandas-fistula-patients-dignity/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2013