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AUSLAND/2174: Mosambik - Gebärmutterhalskrebs im Visier der Gesundheitsbehörden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. November 2014

Mosambik:
Mit Impfungen Leben retten - Gebärmutterhalskrebs im Visier der Gesundheitsbehörden

von Mercedes Sayagues


Bild: © Mercedes Sayagues/IPS

In Mosambik wurden 2014 landesweit 8.500 Mädchen im Alter von zehn Jahren gegen Gebärmutterhalskrebs geimpft
Bild: © Mercedes Sayagues/IPS

Maputo, 4. Oktober (IPS) - Die Frau in dem Bett mit der Nummer 27 in der onkologischen Abteilung des Zentralkrankenhauses von Maputo (HCM) hat unglaubliches Glück gehabt. Erst nach Monaten heftiger Schmerzen im Unterleib fand sie sich zur Untersuchung in der Klinik von Matola, rund 15 Kilometer von der mosambikanischen Hauptstadt Maputo ein. Dort hatte das Gesundheitspersonal gerade einen Lehrgang für die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs abgeschlossen.

Bei der neuen Patientin stellten die frisch geschulten Schwestern eine Wucherung am Muttermund fest, die auf ein Zervixkarzinom hindeutete. Daraufhin wurde die Frau ans HCM überwiesen, wo sie sich einer drei Monate langen Chemotherapie unterzog. Nach Aussagen der Ärzte ist sie inzwischen über den Berg.

In Mosambik ist eine solche gute Botschaft eher die Seltenheit. Denn das Land weist afrikaweit das höchste kulminierte Risiko für Frauen auf, diese Krebsart zu entwickeln und daran zu sterben. Sieben von 100 weiblichen Neugeborenen laufen Gefahr, an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, für fünf von ihnen bedeutet die Krankheit das Todesurteil. Nach Malawi ist Mosambik das Land in der Region mit den meisten Gebärmutterhalskrebserkrankungen, wie die Afrikanische Koalition für Mütter-, Säuglings- und Kindergesundheit berichtet.


Hohe Sterberate

Jedes Jahr wird die Krankheit bei 5.600 Mosambikanerinnen festgestellt. 4.000 von ihnen sterben an den Folgen. Das sind elf Todesopfer pro Tag. Da die betroffenen Frauen keinen Zugang zu einer palliativen radiologischen Therapie haben, fallen sie meist einem schmerzhaften Tod zum Opfer.

Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Denn nur die Hälfte der Mosambikanerinnen hat Zugang zu einer medizinischen Versorgung. Somit sterben viele Frauen an den Folgen einer Krankheit, die durch einen HPV-Test frühzeitig erkannt und meist geheilt werden könnte.

HPV steht für humane Papillomviren, mit denen sich fast alle Menschen im Verlauf ihres Lebens infizieren. Doch neben den harmlosen Varianten gibt es einige hochgefährliche Typen, die das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen erhöhen. Dazu gehört auch Gebärmutterhalskrebs. Die Übertragung der verantwortlichen HPV erfolgt vorwiegend durch Geschlechtsverkehr. Medizinern zufolge bieten Impfungen den sichersten Schutz vor einer Übertragung.

Die mosambikanischen Gesundheitsbehörden haben dem Gebärmutterhalskrebs nun den Kampf angesagt. So wurden im laufenden Jahr in drei Bezirken des Landes 8.500 Mädchen im Alter von zehn Jahren immunisiert. Das Pilotprojekt endet in diesem Monat, wenn den Mädchen die letzte von drei Impfdosen verabreicht sein wird, wie Khatia Munguambe vom Manhiça-Gesundheitszentrum (CISM), gegenüber IPS erklärte.

Manhiça liegt 90 Kilometer südlich von Maputo. Im CISM wurden die in Mosambik häufig auftretenden HPV-Typen untersucht und das Gesundheitspersonal in Sachen Früherkennung und erste Hilfe fortgebildet.

Zu Munguambes Aufgaben gehört unter anderem, die Akzeptanz der HPV-Impfungen in den Gemeinschaften zu überprüfen. "In Manhiça", so ihre Erkenntnis, "gibt es so gut wie keinen Widerstand gegen das Vakzin". In einem nächsten Schritt sollen weitere Gruppen von Mädchen geimpft werden, um bis 2015 eine Immunisierung aller 2005 in Manhiça und Vila de Manica im Süden sowie in Mocimboa da Praia im Norden geborenen Mädchen zu erreichen.

Die Früherkennung in Mosambik erfolgt durch die visuelle Inspektion nach Applikation von Essigsäure (VIA). Durch das Auftragen von verdünnter Essigsäure lassen sich befallene Stellen am Muttermund und dem umliegenden Gewebe gut erkennen. Ist das der Fall, kann das infizierte Gewebe an Ort und Stelle durch einen kältechirurgischen Eingriff entfernt oder eine Biopsie bei einem Arzt angeordnet werden.

VIA ist eine einfache, schnelle und preiswerte Form der Früherkennung und Frühbehandlung, die sich vor allem in den ländlichen und armen Regionen als ein Segen erweist. Diese Untersuchung, die in Mosambik von Krankenschwestern in den Basisgesundheitsdiensten vorgenommen wird, hat auch der Patientin in Bett Nummer 27 das Leben gerettet.

"Die Frauen kommen erst, wenn sie Schmerzen haben. Manchmal bedeutet der Schmerz jedoch Krebs im Anfangsstadium", meint dazu die Krankenschwester Ana Mafalda Chissano. "Würden sie zu einem Gynäkologen gehen und einen Papillom-Abstrich vornehmen lassen, müssten sie Monate auf das Ergebnis warten. Dann könnte es für sie zu spät sein."


Risiko-Faktor HIV/Aids

Ein Risikofaktor für Gebärmutterhalskrebs ist HIV/Aids. Die Gefahr, ein Zervixkarzinom zu entwickeln, ist bei HIV-positiven Frauen besonders hoch. "Je schwächer das Immunsystem, umso schneller wächst der Tumor", bestätigt Amir Modan vom UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) in Maputo. Umgekehrt verdoppelt eine HPV-Infektion das HIV-Risiko.

Chissano arbeitet mit der Hilfsorganisation 'Ärzte ohne Grenzen' (MSF) in der staatlichen Alto-Maé-Klinik in Maputo zusammen, wo die HIV-Prävalenz bei 20 Prozent liegt. Von den Frauen, die hier HIV-positiv getestet werden, weist ein Drittel Anzeichen für eine Krebsvorstufe oder für Gebärmutterhalskrebs auf, der häufigsten Krebsart bei mosambikanischen Frauen der Altersgruppe der 15- bis 44-Jährigen, wie Modan berichtet.

Die Gesundheitsbehörden versuchen dem Problem mit einer Sensibilisierungskampagne und der Integration von Routineuntersuchungen in die Familienplanungsdienste zu begegnen. Sie hoffen die Früherkennungsangebote bis 2017 auf alle Bezirke des Landes ausweiten zu können. "Fast 1.000 Krankenschwestern wurden weitergebildet", weiß Aventina Cardoso, eine Expertin für Gebärmutterhalskrebs bei der Nichtregierungsorganisation 'Jhpiego', die mit der 'John Hopkins University' verbunden ist. "Doch die Nachfrage übersteigt die menschlichen Ressourcen."

Jhpiego-Zahlen zeigen, dass zehn Prozent der gescreenten Frauen Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs aufweisen. Bei fünf Prozent wurde ein ausgebildetes Zervixkarzinom festgestellt.

Nach einem kältechirurgischen Eingriff dürfen die Patientinnen 30 Tage lang keinen Sex haben. Eine heikle Angelegenheit, meint Janet Gibunda, eine für die MSF tätige Krankenschwester an der Alto-Mae-Klinik. Denn viele Frauen müssten ihre Männer vor dem Eingriff über das anstehende Enthaltsamkeitsgebot informieren. "Kommen die Frauen wieder, verlieren wir sie nicht." Gibunda zufolge sind es in erster Linie die schockierenden Fotos der Zervixkarzinome, die die Frauen veranlassen, wiederzukommen.


Risikofaktoren

Neben HIV begünstigen auch frühe sexuelle Kontakte, sexuell übertragbare Krankheiten, ein häufiger Partnerwechsel, die geringe Verwendung von Kondomen, der Tabakkonsum und eine familiäre Prädisposition die Entwicklung von Zervixkarzinomen.

In Mosambik werden Frauen häufig sehr jung verheiratet und vier von zehn Teenagern gebären bereits vor ihrem 19. Lebensjahr. Durchschnittlich bringen Frauen in dem Land mindestens fünf Kinder zur Welt, so Modan.

Cardoso zufolge sind Mädchen früh sexuell aktiv, manchmal schon im Alter von 13 Jahren.

Einer demographischen Studie von 2011 zufolge hatte ein Drittel aller Frauen ihren ersten Sex vor ihrem 15. Lebensjahr. Die Patientin in Bett Nummer 27 hatte im Alter von 15 Jahren geheiratet. Die 52-Jährige ist Mutter von sieben Kindern.

Layne Heller ist in der onkologischen Abteilung des HCM als ehrenamtliche Mitarbeiterin tätig. Seit fünf Jahren leistet sie den Patientinnen in den langen und einsamen Monaten der Chemotherapie emotionale Unterstützung. "Sie haben so viel Angst", sagt sie. "Gerade weil in den Dörfern die Meinung vorherrscht, dass Frauen, die ins HCM müssen, sterben werden."

Zu einem gewissen Grad ist das tatsächlich der Fall. Denn oft kommen Frauen nach Maputo, wenn die Krankheit viel zu weit fortgeschritten ist. Dank der Früherkennung und der entsprechenden medizinischen Versorgungen überleben aber inzwischen deutlich mehr Frauen als früher.


Krebskranke Frauen 'verhext'

Cardoso hatte 2010 Frauen in der Provinz Zambezia nach den Ursachen von Krebs befragt. Die Hälfte machte Promiskuität dafür verantwortlich, 42 Prozent hielten Zauberei für die Ursache. "Gebärmutterhalskrebs wurde auch die 'Krankheit durch den Nachbarn' genannt, weil die Leute glaubten, dass ein Nachbar die betroffenen Frauen mit einem Fluch belegt habe", berichtet Cardoso. "Doch die Aufklärungskampagne erweist sich inzwischen auch in dieser Frage als wirkungsvoll."

Im Rahmen der 2013 von der früheren First Lady Maria da Luz Guebuza gestarteten Kampagne wurden die Menschen durch die Medien und durch eine Vielzahl von Veranstaltungen für das Problem sensibilisiert.

Cardoso zufolge gilt es die Menschen von der Bedeutung von Präventivmaßnahmen zu überzeugen. "Prävention ist nicht Teil unserer Kultur", meint sie. "Wir gehen erst dann ins Krankenhaus, wenn wir krank sind. Doch allmählich begreifen die Menschen, dass Vorsorge Sinn macht." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/10/mozambique-tackles-its-twin-burden-of-cervical-cancer-and-hiv/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. November 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2014