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AUSLAND/2245: Irak - Immer mehr hilfsbedürftige Iraker ohne Zugang zu humanitärer Hilfe (Ärzte ohne Grenzen)


Ärzte ohne Grenzen - 8. Juni 2015

Irak: Immer mehr hilfsbedürftige Iraker ohne Zugang zu humanitärer Hilfe


Aufgrund der massiv ansteigenden Gewalt im Irak sitzen tausende Menschen, die im vergangenen Jahr aus ihrem Zuhause fliehen mussten, in "Grauzonen" fest, in denen sie keinerlei Zugang zu humanitärer Hilfe haben. Die internationale medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen warnt, dass der Konflikt in grossen Teilen des Landes weiterhin auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen wird und die humanitäre Hilfe bei Weitem nicht ausreicht.

"Der Irak kämpft aktuell mit der schlimmsten humanitären Krise seit Jahrzehnten", betont Fabio Forgione, Landeskoordinator von Ärzte ohne Grenzen im Irak. "Tausende Menschen, insbesondere im Zentralirak, haben keinen Zugang zu dringend benötigter humanitärer Hilfe."

Im vergangenen Jahr haben heftige Kämpfe fast drei Millionen Menschen aus dem Zentral- und Nordirak in die Flucht getrieben, besonders aus den Gouvernements al-Anbar, Ninawa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala. Tausende Familien, die aufgrund der um sich greifenden Gewalt und den sich stetig verschiebenden Frontlinien ihr Zuhause verliessen, wurden mehrmals vertrieben und haben dabei alles verloren. Viele sind in überfüllten Unterkünften wie Zelten, Rohbauten, religiösen Gebäuden oder Schulen untergekommen, in denen sie unter prekären Bedingungen leben.

Teams von Ärzte ohne Grenzen, die in solchen "Grauzonen" - nördlich von Mossul und in Regionen zwischen Bagdad und Anbar - tätig sind, berichten von zahlreichen Vertriebenen, die ohne sanitäre Einrichtungen oder sauberes Wasser leben. Die örtliche Infrastruktur und Gesundheitseinrichtungen wurden entweder beschädigt oder sind nicht mehr in Betrieb, auch medizinisches Personal gibt es immer weniger. Viele Menschen haben nicht einmal Zugang zu elementarer Gesundheitsversorgung. In unsicheren Gebieten trauen sich die Bewohner kaum, ein Krankenhaus aufzusuchen, da die Reise dorthin mit zu hohen Risiken verbunden ist.

"Trotz des enormen Bedarfs haben sich die Hilfsbemühungen bislang vorwiegend auf sichere Gebiete wie die Region Kurdistan beschränkt", erklärt Forgionen. "Ärzte ohne Grenzen ist eine der ganz wenigen internationalen Organisationen, die in Regionen im Nord- und Zentralirak, in denen die geflohenen Menschen Zuflucht suchen, Hilfe leisten. Auch wenn ohne Frage Sicherheitsvorkehrungen nötig sind, ist es möglich, dort zu arbeiten. Dennoch werden diese Gebiete weitgehend vernachlässigt."

Um angesichts der steigenden Bedürfnisse den Menschen besser zu helfen, hat Ärzte ohne Grenzen die Tätigkeiten im Zentral- und Nordirak ausgebaut. Teams der Organisation betreiben in den Gouvernements Kirkuk, Salah Al-Din, Diyala, Ninawa und Bagdad mobile Kliniken, mit denen sowohl Vertriebene als auch die ansässige Bevölkerung erreicht werden. Die angebotenen Leistungen umfassen allgemeine Gesundheitspflege, die Behandlung chronischer Krankheiten, Konsultationen im Bereich reproduktive Gesundheit sowie psychologische Betreuung.

"Wir sind sehr besorgt, dass die Gewalt auf weitere dicht besiedelte Städte übergreift und es dadurch zu noch mehr Vertreibungen kommt", sagt Forgione. "Alle Beteiligten im Irak müssen dafür sorgen, dass die Iraker, die wegen des Konflikts fliehen müssen, Zugang zu humanitären Hilfeleistungen erhalten. Unsere Teams tun alles, was sie können, aber es ist ihnen schlicht nicht möglich, sämtliche Bedürfnisse abzudecken."

Ärzte ohne Grenze führte 2014 im Irak an mehreren Standorten Notfalleinsätze durch, um vertriebenen Familien grundlegende medizinische Hilfe zu leisten. Insgesamt hielten Teams der Organisation 219.800 ambulante Sprechstunden sowie 17.700 psychologische Einzel- und Gruppengespräche ab. Die Organisation bleibt der Hauptanbieter von Gesundheitsleistungen im Lager Domiz im Gouvernement Dohuk, in dem 60.000 syrische Flüchtlinge leben. Das Angebot umfasst Leistungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit, die Behandlung chronischer Krankheiten und psychologische Unterstützung. Im August eröffnete Ärzte ohne Grenzen im Lager eine Geburtsklinik, in der bis Ende des vergangenen Jahres 571 Geburten begleitet wurden.

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juni 2015

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