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AUSLAND/2246: Lateinamerika - Soziale Ungleichheit größtes Hindernis im Kampf gegen Kindersterblichkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. Juni 2015

Lateinamerika: Soziale Ungleichheit größtes Hindernis im Kampf gegen Kindersterblichkeit

von Marianela Jarroud


Bild: © Franz Chávez/IPS

Vorsorgeuntersuchung eines zehnmonatigen Kleinkindes in Bolivien
Bild: © Franz Chávez/IPS

SANTIAGO DE CHILE (IPS) - Die Fortschritte, die Lateinamerika bei der Senkung der Kindersterblichkeit vorweisen kann, werden von internationalen Institutionen als vorbildlich hervorgehoben. Doch das Gefälle sowohl zwischen den einzelnen lateinamerikanischen Ländern und als auch innerhalb der Regionen ist riesig.

Die Region hat das vierte Millenniumsentwicklungsziel der Vereinten Nationen erreicht, bis Ende des Jahres die Todesfälle bei unter Fünfjährigen um zwei Drittel gegenüber den Vergleichswerten von 1990 zu verringern. Das sei ein gewaltiger Erfolg, räumt Luisa Brumana, Gesundheitsberaterin im Büro des Weltkinderhilfswerks UNICEF in Panama-Stadt, ein.

Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass die Entwicklung in den verschiedenen Staaten unterschiedlich verlaufen sei. Auch wenn der nationale Durchschnittswert in manchen Fällen gut sei, würden die Unterschiede in der Region mit der weiterhin größten Ungleichheit deutlich sichtbar.

In Chile, wo das Bruttoinlandsprodukt mehr als 277 Milliarden US-Dollar beträgt, steht laut der Stiftung Sol einem Kind in einer wohlhabenden Familie 8.000 Mal mehr Geld zur Verfügung als einem Kind, das in Armut aufwächst. Dieses Gefälle zeigt sich insbesondere in den Bereichen Bildung und Gesundheit.

So starben beispielsweise im Jahr 2002 in einem staatlichen Krankenhaus in Viña del Mar, 140 Kilometer nordöstlich von Santiago de Chile, fünf Frühchen aus armen Familien infolge eines septischen Schocks, weil die Formula-Kost, mit der sie künstlich ernährt worden waren, durch Abwasser verunreinigt war, das von der Decke herabtropfte.


Säuglingssterblichkeit von 54 auf 19 pro 1.000 Lebendgeburten verringert

Laut UNICEF ging in Lateinamerika die Sterblichkeitsrate bei unter Fünfjährigen zwischen 1990 und 2013 um 67 Prozent zurück. Damit hat die Region gemeinsam mit Asien und dem Pazifikraum den größten Schritt nach vorn getan. Wie eine Auswertung der Fortschritte auf dem Weg zu den Millenniumszielen ergab, hat Lateinamerika die Zahl der Todesfälle bei Kleinkindern von 54 auf 19 pro 1.000 Lebendgeburten reduziert.

Diese Entwicklung wird unter anderem auf das Wirtschaftswachstum in der Region zurückgeführt. Etwa 70 Millionen Menschen fanden in den vergangenen zehn Jahren einen Weg aus der Armut, wie die UN-Agrarorganisation FAO Ende Mai mitteilte.


Bild: © Jesús Abad Colorado/IPS

Familie in einem Dorf im Nordwesten Kolumbiens
Bild: © Jesús Abad Colorado/IPS

Für den Tod von Kindern sind vor allem vermeidbare und behandelbare Krankheiten verantwortlich. Die Probleme werden durch die anhaltende Ungleichheit verschärft, die von dem Einkommensstand, der Bevölkerungsschicht und dem Bildungsniveau der Eltern abhängt.

Eine Familie in einer ländlichen Region, die nicht in der Nähe eines Krankenhauses lebe, habe größere Probleme damit, den Zeitrahmen für Impfungen einzuhalten, erläutert Brumana. Zudem seien die Kosten der Gesundheitsversorgung für einkommensschwache Haushalte zu hoch.

Die niedrigsten regionalen Kindersterblichkeitsraten von weniger als zehn pro 1.000 Lebendgeburten in der Region verzeichnen laut dem UNICEF-Fortschrittsbericht 'Committing to Child Survival: A Promise Renewed' von 2014 fünf Länder: Kuba, Chile, Antigua und Barbuda, Costa Rica und St. Kitts und Nevis. Am anderen Ende der Skala stehen Haiti, Bolivien, Guyana, Guatemala und die Dominikanische Republik. In Haiti, dem ärmsten Staat Lateinamerikas, starben im Jahr 2013 73 von jeweils 1.000 lebend geborenen Babys.


Stadt-Land-Gefälle

In Kolumbien sind die statistischen Durchschnittswerte auf nationaler Ebene gut. Im Hinterland zeigen sich jedoch große Ungleichheiten, die von Provinz zu Provinz differieren. In dem nordwestlich gelegenen Departement Chocó war laut Statistiken von 2011 die Sterblichkeit bei den unter Fünfjährigen mit 30,5 pro 1.000 Lebendgeburten fast drei Mal höher als in der Hauptstadt (13,77).

"Für gewöhnlich wird angenommen, dass Kinder in ländlichen Gebieten unter den schwierigsten Bedingungen leben", so Brumana. "Die Abwanderung in die großen Städte und die ungünstigen Lebensumstände in den armen Vierteln und Vororten haben die Situation jedoch auch dort kompliziert werden lassen."

Sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen einen besseren Zugang zur Gesundheitsversorgung zu geben, habe Priorität, sagt Brumana. Dafür setzten sich regionale Initiativen wie "A Promise Renewed for the Americas" ein. Eine besondere Herausforderung liege darin, die Sterblichkeit von Kindern in ihrem ersten Lebensmonat zu verringern. Weltweit sterben etwa 2,8 Millionen Säuglinge in diesem Altersabschnitt. Eine Million davon erlebt nicht einmal den zweiten Lebenstag. (Ende/IPS/ck/10.06.2015)


Links:

http://www.ipsnews.net/2015/06/inequality-blocks-further-reduction-in-child-mortality-in-latin-america/
http://www.ipsnoticias.net/2015/06/desigualdad-marca-caida-de-mortalidad-infantil-en-america-latina/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. Juni 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2015

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