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ARTIKEL/1335: Tagungbericht - Patientenrechte sind in der Praxis manchmal schwer umsetzbar (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2014

Berliner Tagung
Patientenrechte sind in der Praxis manchmal schwer umsetzbar

Von Horst Kreussler


Symposium für Ärzte und Juristen: Wird der ärztliche Handlungsspielraum unter ökonomischem Druck und durch rechtliche Normierungen immer kleiner?


Beim "Symposium für Juristen und Ärzte" der Kaiserin-Friedrich-Stiftung für das ärztliche Fortbildungswesen waren Geschehnisse aus dem letzten Jahr Anlass für das Rahmenthema "Patientenrechte und ärztliches Handeln": das vor gut einem Jahr in Kraft getretene Patientenrechte-Gesetz (PatRG), die Transplantationsaffären, die Diskussionen über Korruption in der ambulanten Medizin, über Datenschutz und über die ökonomisch induzierte Gefährdung der medizinischen Indikationsstellung in Krankenhäusern. Alle Themen haben kausal oder im Ergebnis mit einer Einschränkung ärztlicher Handlungsspielräume zu tun: Der Gesetzgeber reagiert - oder überreagiert - meist restriktiv auf Probleme.

Den tieferen Grund für diese Entwicklung skizzierte Prof. Paul U. Unschuld (Berlin): "Ärzte haben ihre alte Rolle verloren und das Arzt-Patienten-Verhältnis hat sich völlig verändert." Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts standen die medizinischen Experten, voran die Ärzte, im Zentrum der Entscheidungen über Diagnose und Therapie. Ärzte hatten, so der Referent, das Mandat, die Gesundheitsinteressen der Bevölkerung zu vertreten, auch gegenüber dem Staat. Anders heute: "Stattdessen wächst die Erkenntnis, dass die Behandlung von Krankheiten eine bessere Rendite verheißt als das Bemühen um Gesundheit. Die "Gesundheitswirtschaft" gilt als Wachstumsmotor, Gesundheit wird zur kommerziellen Ware ..." Die medizinisch-fachliche und medizinethische Ausbildung der Ärzte stehe heute im Widerspruch zu Gewinnerwartungen. Daher seien Ärzte aus den Entscheidungszentren zu verdrängen. Und der Patient müsse davon ausgehen, "dass kommerzielle Erwägungen nicht selten den Vorrang haben". In der Diskussion kam wenig Zuversicht auf, als Juristen einige Mediziner-Fragen nach den Schutzmöglichkeiten des Rechts gegen diese Entwicklung gering einschätzten.

Das PatRG sollte Rechte des Patienten gegenüber Ärzten schützen - herausgekommen ist aber laut Prof. Jochen Taupitz (Mannheim) ein "sehr zwiespältig zu beurteilendes" Artikelgesetz. Einerseits schreibe es die Rechtsprechung etwa zur Beweislast des Arztes für die Patientenaufklärung fest, vergesse dabei aber wichtige Einschränkungen. Die zivilrechtliche Arzthaftung sei so komprimiert geregelt, dass sie großenteils nur für Juristen verständlich sei, und: Ob ihre Kodifizierung zu Rechtssicherheit oder eher zur "Versteinerung" führe, sei offen. Manche dem Arzt auferlegten Pflichten seien in der Praxis kaum zu erfüllen, etwa bereits zu Beginn der Behandlung eine umfassende Sicherungsaufklärung durchzuführen oder gar über frühere Behandlungsfehler zu informieren. Manche Vorschriften führten zu erheblichen Auslegungsproblemen, wie die Frage, wer in Zukunft noch die Aufklärung des Patienten vornehmen dürfe. Taupitz' Fazit: "Das PatRG bringt wenig Neues, doch die Rechtsprechung kann noch korrigieren."

Beim Thema Korruption zeigten die Referenten, dass die Sanktionsmöglichkeiten des Berufsrechts, des kassenärztlichen Disziplinarrechts, des Zulassungsrechts, des Approbationsrechts und die bisherigen strafrechtlichen Vorschriften der Bestechung/Bestechlichkeit und Untreue in der Praxis kaum greifen. Die berufsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten der Ärztekammern wie Rüge oder Geldbuße liefen oft etwa durch überlange Verfahren der Strafverfolgung mit Verjährungsfolgen ins Leere, sagte die Leiterin der Rechtsabteilung der Berliner Kammer, Martina Jaklin. Ein neuer Straftatbestand, der auch Vertragsärzte erfassen würde, sei aber ebenfalls in seiner lebenspraktischen Bedeutung nicht zu überschätzen, kritisierte Strafrechtsprofessor Gunnar Duttge: Wirksamer sei ein multifaktorielles Vorgehen aus positiven Anreizen, Zwang zur Offenlegung von Interessenkonflikten und mehr Präventivkontrolle.

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2014 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2014/201404/h14044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt April 2014
67. Jahrgang, Seite 53
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2014

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