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ARTIKEL/1340: Wiedereinstieg in den Arztberuf - Eigeninitiative nach dem Ende der beruflichen Auszeit (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 5/2014

Wiedereinstieg
Mut und Eigeninitiative nach dem Ende der beruflichen Auszeit

Von Dr. Carsten Leffmann


Die Gründe, nicht mehr ärztlich tätig zu sein, sind vielfältig. Einen Wiedereinstieg in den Beruf schließen viele nicht aus - wenn die Bedingungen stimmen.


Sie sind fachlich gut ausgebildet, motiviert und willkommen in der Versorgung - Ärzte, die derzeit nicht in ihrem Beruf tätig sind. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Bei manchen hat das Interesse an einem anderen Beruf den Ausschlag gegeben, sich umzuorientieren. Bei anderen ist eine Familienpause länger als geplant ausgefallen. Einige von ihnen haben sich noch gar nicht mit einem Wiedereinstieg auseinandergesetzt, andere trauen sich diesen nach der mehrjährigen Pause nicht zu. Fest steht aber: In den nicht ärztlich tätigen Kollegen steckt Potenzial, das derzeit nicht genutzt wird. Das Gesundheitsministerium und die Ärztekammer Schleswig-Holstein gehen deshalb seit Herbst vergangenen Jahres der Frage nach, ob es in Schleswig-Holstein Ärztinnen und Ärzte gibt, die sich einen Wiedereinstieg in den ärztlichen Beruf vorstellen können.

Die Herangehensweise: Gemäß Heilberufekammergesetz führt die Ärztekammer ein sogenanntes Ärzteverzeichnis und alle Ärzte sind (eigentlich) aufgefordert, die sie betreffenden Angaben darin aktuell zu halten. Der Berufstätigkeitsstatus wird bundeseinheitlich erfasst, z.B. mit "Ambulant/Praxis", "Stationär/Krankenhaus" , oder - für unsere Fragestellung relevant - "ohne ärztliche Tätigkeit". Diese Gruppe lässt sich weiter unterteilen in: "Ruhestand", "arbeitslos", "Haushalt", "berufsfremd", "Elternzeit", "berufsunfähig" und "Sonstiger Grund".

In diesen Kategorien waren an einem Stichtag im Sommer 2013 unter Herausrechnung der Ruheständler bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein 1.116 Ärzte mit der in Abb. 1 ersichtlichen Verteilung gemeldet. Die Berufsunfähigen stehen der ärztlichen Arbeitswelt (ggf. temporär) nicht zur Verfügung. Die berufsfremd Tätigen werden triftige Gründe haben, nicht oder nicht mehr als Arzt zu arbeiten. Bei den in Elternzeit befindlichen Ärzten sind wir davon ausgegangen, dass eine Arbeitsplatzgarantie besteht und ein Wiedereinstieg zumindest geplant ist. In den Fokus unseres Interesses sind somit die zum damaligen Zeitpunkt knapp 700 arbeitslos oder unter "Haushalt" Gemeldeten gerückt. Eine weitere Eingrenzung auf die unter 61-Jährigen ist unter der Annahme erfolgt, dass eine Rückkehr in den ärztlichen Beruf in den letzten Jahren vor dem Ruhestand eher unwahrscheinlich ist.

Abb. 1

49 % arbeitslos
28 % Elternzeit
11 % Haushalt
07 % berufsunfähig
04 % berufsfremd tätig
01 % Sonstige

Es blieben 393 Ärztinnen und 150 Ärzte (gesamt 543), wovon 76 Prozent ohne und 24 Prozent mit abgeschlossener Facharztqualifikation gemeldet waren. Diese wurden im Oktober von der Ärztekammer angeschrieben und um anonyme Angaben zu ihrem Lebenslauf und ihren Wünschen für die Zukunft auf einem einseitigen Fragebogen gebeten. Die Rücksendung war portofrei möglich.

Die Ergebnisse: 219 (40 Prozent der angeschriebenen Kammermitglieder "ohne ärztliche Tätigkeit") haben geantwortet. Bei 69 von ihnen (immerhin knapp einem Drittel) stellte sich heraus, dass die Angaben im Ärzteverzeichnis nicht aktuell waren. Über 30 Ärzte waren sehr wohl ärztlich tätig und teilweise geradezu empört darüber, dass die Kammer das offensichtlich "falsch" dokumentiert hatte. Da nahezu alle angaben eine entsprechende Statusänderung angezeigt zu haben, konnte erst durch gezieltes Nachfragen ein weit verbreiteter Irrtum aufgedeckt werden. Eine Anmeldung bei der Versorgungseinrichtung der Ärztekammer Schleswig-Holstein (persönlich oder über den Arbeitgeber) führt aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht automatisch auch zu einer Aktualisierung im Ärzteverzeichnis.

Einige Langzeiterkrankte (auch hier ist von einer automatischen Meldung einer Berufsunfähigkeit von der Versorgungseinrichtung an das Ärzteverzeichnis nicht auszugehen) und Frischapprobierte nahmen wir ebenfalls aus der näheren Betrachtung.

Es blieben nunmehr 150 Ärztinnen und Ärzte, bei denen unsere Grundannahme zutreffend war und die auswertbare Angaben gemacht haben. Die Dauer der Berufspause variiert erwartungsgemäß stark (Abb. 3). 41 (28 Prozent) verfügen über eine abgeschlossene Weiterbildung, 109 (72 Prozent) nicht. Auf die Schlüsselfrage: "Ist für Sie die Aufnahme einer hausärztlichen Tätigkeit denkbar?" antworteten 60 der 150 (40 Prozent) mit "ja". Von den verbleibenden 90 können sich weitere 44 (29 Prozent) generell die Aufnahme einer (anderen) ärztlichen Tätigkeit vorstellen.

Abb. 3

27 % > zehn Jahre nicht ärztlich tätig
33 % 1 bis 10 Jahre nicht ärztlich tätig
20 % 1 bis 12 Monate nicht ärztlich tätig
20 % nie ärztlich tätig

Dieses überraschende Ergebnis legt nahe, dass in Schleswig-Holstein weit über 100 Kolleginnen und Kollegen auf eine Gelegenheit zum Wiedereinstieg in den ärztlichen Beruf warten oder diese suchen. Allerdings werden bezüglich der Tätigkeit auch klare Wünsche und Anforderungen gestellt: Nur ungefähr ein Viertel stünde für eine Vollzeitstelle zur Verfügung. Je ein Fünftel wünscht sich explizit Teilzeitstellen im Krankenhaus bzw. in einer Praxis. Für ein Viertel wäre die Wohnortnähe Bedingung, je ein Drittel wünscht sich eine Kinderbetreuung bzw. ein vorheriges Wiedereinstiegsseminar. Vereinzelt wird angegeben, keine (Nacht-)Dienste (mehr) übernehmen zu wollen.

Die Ergebnisse wurden in diesem Frühjahr im Kreise von schleswig-holsteinischen Verantwortlichen des Ministeriums, der Ärztekammer, der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenhausgesellschaft beraten. Schnell herrschte Einigkeit, dass jeder gelungene Wiedereinstieg in die ärztliche Tätigkeit angesichts der vielerorts unübersichtlichen Mangelsituation in der (zukünftigen) Versorgung für unser Bundesland ein Gewinn wäre. Neben einer neuerlichen Sensibilisierung für diese Thematik (wie z.B. durch dieses Heft) sollen beginnend mit der Allgemeinmedizin und schwerpunktmäßig in bestimmten Regionen Kontaktvermittlungsaktionen zwischen Wiedereinsteigern und Arbeitgebern aufgebaut werden. Die Ärztekammer wird ihre entsprechenden Mitglieder dazu nochmals anschreiben.

Hürden beim Wiedereinstieg: Ärzte sind seit Jahren als Forschungsobjekte entdeckt. Insbesondere in Zeiten (relativen) Ärztemangels wird mit Arbeitszufriedenheitsuntersuchungen und Befragungen zur geplanten oder besser "gewünschten" Erwerbsbiografie versucht, die Aspekte herauszuarbeiten, die eine Personalakquise oder die Bindung der wertvollen Ressource Arzt an die eigene Einrichtung erfolgversprechender machen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen ähneln sich in vielerlei Hinsicht und so werden folgende Eckpunkte immer wieder genannt:

  • Beherrschbare Arbeitsbelastung, überbordende Bürokratie
  • Betriebs-/Arbeitsklima, interkollegialer Umgang in Hierarchien
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  • Angemessene Vergütung

Diese Aspekte gelten für Wiedereinsteiger mindestens in gleicher Weise. Vielfach sind die Anforderungen aufgrund von Lebenserfahrungen und der privaten Konstellationen oft deutlich höher. In eher klassischen Familiensettings mit einem sogenannten Hauptverdiener kommt die gelegentlich auch fehlende dringende Notwendigkeit der Wiederaufnahme einer Berufstätigkeit für den Partner hinzu. Hier gilt es umso mehr, den Wiedereinstieg attraktiv zu machen. Im Gegenzug dazu werden z.B. immer wieder die enorme Effizienz von Müttern und Vätern sowie positive Effekte auf das Betriebsklima erwähnt.

Der Wunsch, nach längerer Pause oder anderweitiger Tätigkeit wieder in den ärztlichen Beruf zurückzukehren, geht mit Befürchtungen einher und wirft bei den entsprechenden Kolleginnen und Kollegen viele Fragen auf. Naturgemäß nimmt das Vertrauen in die eigenen Kenntnisse und Fertigkeiten mit der Zeit ab, wenn man sich überhaupt nicht mehr in seinem Berufsfeld bewegt. Andererseits berichten viele davon, bei gezielter Konfrontation längst vergessen geglaubte Details doch plötzlich parat zu haben und beispielsweise bei einem Notfall intuitiv und sicher gehandelt zu haben. Gelegentlich bestehen Bedenken bezüglich der eigenen Wirkung auf andere. So berichten Wiedereinsteiger "mittleren Alters" zwar vereinzelt von Abgrenzungsproblemen mit jüngeren Ober- oder Chefärzten, wohingegen die Kollegen auf derselben Hierarchieebene und vor allem die Patienten aber wenige Probleme zu sehen scheinen.

Hier gilt es, insbesondere die eigene "Courage" und die gegenseitige Anpassungsfähigkeit in geeignetem Umfeld zunächst austesten zu können, um weitere Schritte individuell zu planen. Allenthalben werden dazu Hospitationen empfohlen. Diese sollten individuell gesucht und vereinbart werden und sind im Rahmen von einigen Stunden bis zu mehreren Wochen denkbar. Um den "roten Faden" wieder zu finden und Perspektiven zu entwickeln, sind mitunter mehrere Hospitationen an unterschiedlichen Einrichtungen sinnvoll.

Der nächste Schritt könnte der Besuch eines "Wiedereinstiegskurses" sein. Diese werden von Ärztekammern, Kassenärztlichen Vereinigungen und anderen Bildungsträgern unterschiedlich in Umfang und Organisationsstruktur angeboten. Die Herausforderung liegt darin, "Refresher-" und "Update"-Funktionen zu vereinbaren sowie eine gewisse Vollständigkeit zu bieten. Das ist an ein bis zwei Abenden nicht machbar. Neben der Bereitschaft, sich eher für ein bis zwei ganzwöchige Seminare an einen womöglich weiter entfernten Ort zu begeben, muss auch mit entsprechenden Teilnahmegebühren gerechnet werden (die unter gegebenen Umständen aber förderungswürdig sein können). Unter Berücksichtigung der (vorherrschenden) Elternsituation hatte eine Ärztekammer vor einigen Jahren auch eine auf den Vormittag beschränkte 120-stündige Seminarreihe im Programm. Regelmäßige Angebote gibt es in den großen Kammerbereichen Baden-Württemberg, Bayern und Westfalen-Lippe oder auch in Berlin. In Schleswig-Holstein ist ein solches Seminarangebot aufgrund zu geringer Nachfrage bislang nicht zustande gekommen, eine Abfrage zum Bedarf ist aber vorgesehen. Unter der Feststellung, dass "man nicht allein ist", können derartige Seminare auch zur Netzwerkbildung über die Bildungsmaßnahme hinaus beitragen.

Eine individuelle Beratung zu Fragen der Anerkennungsfähigkeit von Inhalten und Zeiten aus früheren Tätigkeiten auf Facharztqualifikationen ist nach Terminvereinbarung in der Abteilung Weiterbildung der Ärztekammer Schleswig-Holstein jederzeit unverbindlich möglich. Dies gilt auch bei Fragen zum Wechsel der Ausrichtung. Fachärzten mit längerer Erfahrung steht befristet bis Ende 2015 auch der Quereinstieg in die Allgemeinmedizin (weitere Informationen hierzu auf den Seiten 18 bis 21 in dieser Ausgabe) zur Verfügung.

Wiedereinsteiger wünschen sich häufig eine enge Begleitung z.B. im Sinne eines Coachings. Im Bedarfsfall wird die (Neu-)Planung der persönlichen Lebensumstände rund um die Wiederaufnahme einer ärztlichen Berufstätigkeit professionellen Coaching-Anbietern vorbehalten bleiben. Im wieder aufgenommenen Berufsalltag wären hier die Personalabteilungen der Krankenhäuser oder die Personalverantwortlichen anderer größerer Gesundheitseinrichtungen gefordert. Hier existieren längst attraktive und erstaunlich flexible Angebote. Für Fachärzte und Ärzte auf dem Weg zur Vervollständigung oder zum Neuerwerb einer Facharztqualifikation sieht die Ärztekammer darin eine Hauptaufgabe bei den Weiterbildungsbefugten.

Das Mentorenprogramm der Ärztekammer ist bislang hauptsächlich auf die "Karrierebegleitung und -unterstützung" von Ärztinnen ausgerichtet. Eine Weiterentwicklung dieses Programmes ist nicht ausgeschlossen. Bei Interesse hilft die Abteilung Ärztliche Angelegenheiten der Ärztekammer weiter.

Aussichten: Ganz unabhängig davon, ob und in welcher Form im Lande ein Bedarf an Ärzten besteht, kann der Wiedereinstieg ein enormer Gewinn für die persönliche Weiterentwicklung von Angehörigen dieses wunderbaren Berufes sein. Er wird einem heutzutage leichter gemacht, auch wenn ein erhebliches Maß an Eigeninitiative gefordert bleibt. Sämtliche Befragungen von Kursabsolventen der "Wiedereinstiegsseminare" zeigen, dass sich die Teilnehmer in ihrem Vorhaben bestärkt fühlen. Spätere Abfragen der Erfolgsquote bei der Stellensuche sind ebenfalls erfreulich.

Attraktive Wiedereinstiegsmodelle können darüber hinaus ein Baustein zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung sein, insbesondere, da es sich bei Wiedereinsteigern in der Regel um Ärztinnen und Ärzte handelt, deren Lebensumfeld ein baldiges Verlassen des Landes eher unwahrscheinlich macht.

Wie überall in Deutschland und in weiten Teilen westlicher Industrienationen werden auch in Schleswig-Holstein in ca. zehn Jahren vermehrt Ärztinnen und Ärzte in den Ruhestand treten, einfach weil diese Jahrgänge zahlenmäßig besonders stark sind (Abb. 2). Gerade kürzlich hat die Bundesärztekammer mit der Veröffentlichung der Ärztestatistik 2013 einmal mehr auf den zukünftigen Bedarf an Ärzten aufmerksam gemacht.

Nun gibt es glücklicherweise fast 10.000 Absolventen medizinischer Hochschulen pro Jahr in Deutschland, wovon rein rechnerisch bei rund drei Prozent der Bundesbevölkerung in Schleswig-Holstein ca. 300 auf unser Land entfallen müssten. Im Herbst 2013 stellte das Institut der Deutschen Wirtschaft fest, dass es eher einen Nettozuwachs an Ärzten durch Zuwanderung aus dem Ausland gibt. Und das Statistikamt für Hamburg und Schleswig-Holstein prognostiziert einen Bevölkerungsrückgang für Schleswig-Holstein in manchen Landkreisen von bis zu acht Prozent bei einem Landesdurchschnitt von 1,5 Prozent bis 2025.

Auch wenn die Prognosen bezüglich der sogenannten demografischen Entwicklung also unterschiedlich und gelegentlich widersprüchlich sind, sollten wir in Schleswig-Holstein in den nächsten zehn Jahren folgende Ziele verfolgen, um für alle Entwicklungen gewappnet zu sein und dabei zusätzlich noch die Berufszufriedenheit von Ärzten zu erhöhen:

  • Individuelle Personalpolitik (Angebote zum Wiedereinstieg, familienfreundliche Arbeitsplatzgestaltung, Personalförderung ...)
  • Aktive Mitgestaltung der lokalen Versorgungslandschaft (Kooperationen, Netze, Verbünde ...)
  • Neue Wege der Arbeitsteilung ausprobieren und finden
  • Nutzung moderner Medien

Wenn dies gelingt, könnten eventuell auch die in andere Berufe abgewanderten Kollegen den Weg in die Gesundheitsversorgung zurück finden. Eine nichtrepräsentative Nachfrage an einigen Schwerpunktkrankenhäusern im Land ergab, dass diese Gruppe in den Kliniken bislang noch nicht in den Blickpunkt der Personalverantwortlichen gerückt ist, obwohl viele von ihnen schon Probleme haben, alle Arztstellen zu besetzen.

Neue Offenheit

Bundesweites Aufsehen erregte das Klinikum Salzgitter mit seinem Welcome back-Programm unter dem Titel "Zurück in den Kittel", das den Wiedereinstieg für Ärztinnen und Ärzte erleichtern soll. Gut möglich, dass es in absehbarer Zeit ein vergleichbares Programm auch in Heide oder sogar im 6K-Verbund geben wird. Wie berichtet wechselt Salzgitters Klinikchefin Dr. Anke Lasserre im Juni ins Westküstenklinikum. Auf Nachfrage des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblattes wollte sie nicht ausschließen, das Programm auch dort oder im Verbund mit anderen Kliniken aufzulegen.

Die Erfahrungen mit dem im August 2013 gestarteten Programm sind positiv. Bislang haben sich 17 Interessenten dafür in Salzgitter gemeldet, von denen die ersten inzwischen als festangestellte Ärzte arbeiten. Das Programm startet mit einer unentgeltlichen Hospitation, die maximal sechs Wochen dauert. In dieser Phase geht es darum zu klären, ob ein Wiedereinstieg in den Arztberuf sinnvoll ist. Es schließt sich eine maximal sechsmonatige Trainingsphase an, in der viel Wert auf Praxis gelegt wird. In dieser Zeit werden die Ärzte nach Tarif bezahlt. Von den 17 Interessenten waren ein Drittel Männer, alle waren über 40 Jahre alt.

Die Kosten für das Programm und dessen Promotion sieht Lasserre gut angelegt. Sie liegen nach ihren Angaben unter den Kosten für Stellenanzeigen und die Beschäftigung von Honorarärzten. Wiedereinstiegstrainings sind aus ihrer Sicht spätestens nach zwei Jahren Pause sinnvoll, zum einen wegen des medizinischen Fortschritts, zum anderen wegen der praktischen Übung. Längere Absenz führt zu erhöhter Unsicherheit bei den praktischen Fertigkeiten.

Die meisten Interessenten im Programm des Klinikums Salzgitter sind Frauen, die eine längere Familienpause eingelegt haben. Die zweite größere Gruppe sind Ärzte, die eine Zeitlang im administrativen Bereich des Gesundheitswesens gearbeitet haben, etwa im Controlling, für Krankenkassen oder in der Pharmaindustrie. Rückkehrer aus ganz anderen Branchen, die keine Berührungspunkte zum Gesundheitswesen hatten, waren nicht darunter.

Unabhängig vom Wiedereinstiegsprogramm rät Lasserre den Kliniken, den Kontakt zu Ärzten, die eine Pause einlegen, nicht abreißen zu lassen. An ihrem Haus hat die Kampagne nach ihrer Einschätzung zu einer neuen Offenheit auch gegenüber Menschen mit Karrierebrüchen geführt.

Dirk Schnack



"Ich hätte alles andere bevorzugt"

20 Jahre lang war Christiane Lieser nach ihrem Staatsexamen im Jahr 1986 Hausfrau, als Ärztin hatte sie in dieser Zeit nicht gearbeitet. Heute ist sie froh, dass sie den Weg zurück in den Beruf gefunden hat. Als ihr Mann vor zehn Jahren starb, stürzte sie ins Bodenlose - ohne Berufspraxis und ohne Job, aber mit Kindern, die zu versorgen waren. In dieser Situation fragte die Klinik, in der ihr Mann als Arzt gearbeitet hatte, ob sie sich einen Einstieg vorstellen könnte. Sie konnte zunächst nicht. "Das war ein Albtraum. Ich hatte große Angst, dass ich etwas falsch machen könnte. Lieber hätte ich mich bei Aldi an die Kasse gesetzt, alles hätte ich der ärztlichen Tätigkeit vorgezogen", sagt die in Ludwigsburg bei Stuttgart lebende Ärztin im Gespräch mit dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt.

Es gab aber keine Alternative für sie. In der Klinik wurde Lieser ins kalte Wasser geschubst. Die orthopädische Fachklinik setzte die unerfahrene Ärztin in vielen Bereichen ein. "Anfangs habe ich kein Wort verstanden. Ich war zu lange raus und hatte das meiste vergessen", erinnert sie sich. Neben Unerfahrenheit und Unsicherheit kam auch noch die körperliche Anstrengung hinzu - die Teilzeitkraft wurde auch im Operationssaal eingesetzt, musste Rufdienste machen und war auf der Station "Mädchen für alles". Mit den querschnittgelähmten Patienten fühlte sie sich überfordert, die Verantwortung erschien ihr viel zu groß. Es gab mehrfach und anhaltend das Gefühl, den Anforderungen in der Klinik nicht gewachsen zu sein. Wie lange die Unsicherheit gedauert hat und wann sie sich etabliert fühlte, weiß sie rückblickend nicht mehr - aber es waren viele Monate. Ohne die Unterstützung der Kollegen in der Klinik hätte sie sich dem Druck nicht gewachsen gefühlt.

Inzwischen ist Lieser froh, dass sie damals diesen Schritt gehen musste. "Ich habe meine Nische gefunden", sagt sie heute. Die Ärztin wird hauptsächlich in der Aufnahme des Fachkrankenhauses eingesetzt und hat heute nicht mehr so viel Verantwortung. "Heute habe ich mein Umfeld und meinen Rhythmus." Sie kennt Kolleginnen, die den Einstieg nach einer Pause nicht mehr gewagt haben und von anderen, schlechter bezahlten Tätigkeiten leben müssen. Um es neu oder wieder einsteigenden Kollegen leichter zu machen, wünscht sie sich Mentoren in den Kliniken. "Ich hätte mir gewünscht, dass mich jemand an die Hand nimmt und mir sagt, was ich machen soll. Das hätte geholfen", sagt sie. Heute ist sie sicher, dass sie persönlich von dem damals kaum zu bewältigenden Einstieg stark profitiert hat. "Man entwickelt sich dadurch weiter und gewinnt an Erfahrung - aber der Einstieg hätte sanfter sein können."

Dirk Schnack

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 5/2014 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2014/201405/h14054a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

(Abb. 2)
Alterspyramide der ärztlich tätigen Mitglieder der Ärztekammer Schleswig-Holstein (Stand: Ende 2013)

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Mai 2014
67. Jahrgang, Seite 12 - 17
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz-Joseph Bartmann (V.i.S.d.P.)
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.org
www.aeksh.de
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www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2014

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