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FORSCHUNG/096: Erstmals bundesweiter Morbiditäts- und Sozialatlas vorgelegt (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 11, November 2022

In Schleswig-Holstein lebt es sich gesünder

von Martin Geist


MORBIDITÄT. Die Barmer legt einen Morbiditäts- und Sozialatlas vor. In Schleswig-Holstein sind die Menschen gesünder als in den meisten anderen Bundesländern. Wie überall in Deutschland hängt das Krankheitsrisiko allerdings stark vom Einkommen ab.

Ein Pool mit - selbstverständlich anonymisierten - Daten von fast neun Millionen Versicherten: Das ist der Stoff, aus dem für die Medizinstatistiker der Barmer Krankenkasse die Träume sind. Dank des Barmer Instituts für Gesundheitsforschung konnte damit erstmals ein bundesweiter Morbiditäts- und Sozialatlas vorgelegt werden. Und das "in absolut repräsentativer Weise", betonte Dr. rer. oec. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer Schleswig-Holstein.

Die Aussagen, die der Atlas für Schleswig-Holstein trifft, stimmen Hillebrandt zunächst einmal froh. Schließlich liegt die Gesamtmorbidität mit 96 % leicht unter dem deutschen Durchschnitt und bedeuten immerhin den sechstbesten Platz. Am gesündesten lebt es sich offenbar im Herzogtum Lauenburg sowie in den Kreisen Nordfriesland und Pinneberg, die allesamt eine Quote von lediglich 90 % aufweisen. Der Landkreis Ostholstein und die Stadt Lübeck erreichen hingegen jeweils 106 % und liegen damit über dem Bundesdurchschnitt.

Die Datenbank der Barmer erlaubt darüber hinaus tiefere Blicke auf Details. Beispielsweise geht daraus hervor, dass chronischer Schmerz im Land zwischen den Meeren um 20 % seltener auftritt als im Bundesdurchschnitt. Hamburg liegt in dieser Kategorie sogar um 37 % darunter, Mecklenburg-Vorpommern aber um 15 % darüber. Die geografische Lage allein kann diese Unterschiede also nicht erklären.

Plausibler wird es, wenn man das Einkommen berücksichtigt. Hamburg ist ein besonders reicher Stadtstaat, Mecklenburg-Vorpommern ein besonders armes Bundesland. Wenn man weiß, dass der Barmer-Atlas für einen Jahresverdienst von 40.000 Euro oder mehr einen Krankheitsindex von weniger als 50 % des Durchschnitts ausweist, bei 25.000 Euro und weniger aber 140 bis 180 %, überrascht das Gefälle der beiden Nordländer schon weniger. Laut Klaus Stein vom Barmer Institut für Gesundheitsforschung wurde für diese Statistik das Jahres-Bruttoeinkommen der jeweils versicherten Person zugrunde gelegt.

Am wichtigsten für die Interpretation aller Daten ist der Umstand, dass auf die Berücksichtigung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verzichtet wurde. Stattdessen hält sich die Studie an alle Diagnosen, die in ambulanten und stationären medizinischen Einrichtungen gestellt wurden sowie an die verordneten Arzneimittel.

Diese aussagekräftigen Daten lassen Rückschlüsse auf die Häufigkeit und Verteilung zahlreicher Krankheiten zu. So zeigt sich bei den Muskel-Skelett-Leiden, dass Schleswig-Holstein nach Baden-Württemberg das Flächenland mit den zweitwenigsten Fällen ist. Mit 210 Fällen je 1.000 Menschen liegt die Rate 9 % unter dem Bundesdurchschnitt. Ganz klar gib es aber einheitliche Trends in allen Regionen: Muskel-Skelett-Erkrankungen häufen sich mit zunehmendem Alter und betreffen weitaus mehr Frauen als Männer.

Ebenfalls gut steht der Norden mit 9 % unter dem Bundesdurchschnitt bei ernährungsbezogenen Erkrankungen da. Wobei sich nach den Worten Steins hier wie in etlichen weiteren Feldern eindeutig zeigt: "Ohne Schulabschluss ist das Risiko doppelt so hoch wie mit Abitur oder Fachhochschulreife." Für Hillebrandt liegt deshalb die Forderung auf der Hand, die Bildung insgesamt und speziell die zu Fragen der Gesundheit und Ernährung zu stärken.

Der aktuelle und erste Morbiditäts- und Sozialatlas führt Zahlen für die Jahre 2018 bis 2020 auf. Weil Daten zu den ausgestellten Rezepten immer erst mit 13 Monaten Verspätung vorliegen, können sich weiteren Aktualisierungen grundsätzlich nur aufs vorletzte abgeschlossene Kalenderjahr beziehen. Standard sind Zahlen zu Deutschland insgesamt, zu den Bundesländern und auch den Landkreisen. Noch feinere Aufschlüsselungen, etwa nach Gemeinden oder einzelnen Stadtteilen von Großstädten, kann die Barmer zumindest in bestimmten Fällen auf Anfrage liefern. Detailliert und interaktiv aufgeführt sind die Daten im Netz unter www.bifg.de/atlas.

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 11, November 2022
75. Jahrgang, Seite 24
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 9. Dezember 2022

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