Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN


INTERNATIONAL/026: Weltgesundheitsorganisation - Angriffe auf Gesundheitsarbeiter müssen ein Ende haben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Dezember 2015

Gesundheit: Weltgesundheitsorganisation - Angriffe auf Gesundheitsarbeiter müssen Ende haben

von Tharanga Yakupitiyage


NEW YORK (IPS) - Angriffe auf Ärzte und Krankenpfleger haben in den vergangenen Jahren vor allem in Kriegs- und Konfliktregionen in absoluten Zahlen und in ihrer Brutalität zugenommen, kritisiert die Weltgesundheitsorganisation. Sie hat deshalb begonnen, Informationen über derlei Attacken aufzunehmen und zentral zu speichern und will die Daten für einen umfassenden Bericht auswerten, der im kommenden Jahr vorliegen soll.

"Wenn ein Arzt sich nicht zur Arbeit traut oder ein Krankenhaus Ziel eines Bombenangriffs wird, dann wirft uns das in der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung meilenweit zurück", sagte Erin Kenney, die für das neue Programm zuständig ist.

Nach WHO-Angaben wurden allein im Jahr 2014 in 32 Ländern 603 Mitarbeiter von Gesundheitsdiensten umgebracht und 958 bei Angriffen verletzt.

Ein solcher Vorfall waren US-Luftangriffe am 3. Oktober dieses Jahres auf ein von der Organisation Ärzte ohne Grenzen geleitetes Krankenhaus im afghanischen Kundus. Bei den Angriffen wurden mindestens 30 Menschen getötet. Unter den Toten befanden sich mindestens 14 Mitarbeiter des Gesundheitswesens und zehn Patienten.

"Der Angriff auf unser Krankenhaus in Kundus hat uns gerade zu einer Zeit getroffen, als uns die Patienten am meisten brauchten", kommentierte MSF-Präsidentin Joanne Liu den Angriff. "Wir brauchen die deutliche Zusicherung von allen Konfliktparteien, dass allein die Tatsache, dass wir medizinische Unterstützung leisten, uns nicht zum Ziel von Angriffen macht."


Angriffsmuster identifizieren

Mit dem neuen System zur Datensammlung sollen Angriffsmuster identifiziert werden, um letztlich Wege zu finden, die Angriffe zu verhindern oder zumindest ihre Auswirkungen zu mindern.

"Gesundheitspersonal zu schützen ist eine der dringendsten Aufgaben der internationalen Gemeinschaft", sagte Jim Campbell, Leiter des Bereichs 'Gesundheitspersonal' der WHO. "Ohne medizinisches Personal gibt es auch keine Gesundheitsversorgung."

Auch vor wenigen Tagen wurde wieder ein Krankenhaus angegriffen. Am 2. Dezember fielen Bomben auf eine Klinik der Organisation Ärzte ohne Grenzen in der südjemenitischen Stadt Taiz. Zwei MSF-Mitarbeiter wurden dabei getötet.

Weitere Zahlen nennt das UN-Büro für die Koordination Humanitärer Interventionen (UN OCHA). Seit 2012 wurden demnach allein in Syrien fast 60 Krankenhäuser komplett oder teilweise zerstört. Mehr als die Hälfte aller Mitarbeiter des Gesundheitswesens haben seitdem das Land verlassen oder wurden getötet. Das Gesundheitssystem des Landes liegt am Boden.

In Pakistan sind seit 2012 insgesamt 32 Menschen getötet worden, die sich dafür einsetzten, die Kinderlähmung (Polio) im Land auszurotten. Die Umstände, wann und wo die Angriffe durchgeführt wurden, wurden ausgewertet und bisherige Muster in der Arbeitsweise der Mitarbeiter geändert. Beispielsweise wurden Impfkampagnen, die bisher vier Tage lang andauerten, auf einen Tag verkürzt. Dadurch konnte die Zahl der Angriffe und der Toten reduziert werden.


Verhaltensweisen verändern

"Es geht darum, herauszufinden, wie wir uns verhalten sollten", sagt Kenney. "Wir machen uns nun auch verstärkt darüber Gedanken, wie wir Menschen in die Krankenhäuser schleusen und unbemerkt wieder herausbringen können, wie Evakuierungen aussehen könnten und stocken die Lebensmittelvorräte auf, um die Krankenhäuser weniger angreifbar zu machen."

Die WHO testet ihr neues Programm nicht nur in Pakistan, sondern auch in der Zentralafrikanischen Republik und in Syrien.

Insgesamt ist das Bewusstsein dafür gestiegen, in welcher Gefahr Ärzte und Krankenpersonal in Konfliktgebieten schweben. Im Dezember 2014 verabschiedete die UN-Generalversammlung bereits eine Resolution, in der sie darauf hinwies, dass Angriffe auf Gesundheitspersonal zur langfristigen Schwächung des Gesundheitssystems führen können. UN-Mitgliedstaaten wurden dazu aufgerufen, die Sicherheit des medizinischen Personals zu gewährleisten.

Seit dem Angriff des US-Militärs auf das MSF-Krankenhaus in Kundus hat die Ärzteorganisation verstärkt zu mehr Transparenz bei der Untersuchung von derlei Ereignissen aufgerufen und dazu, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Am 9. Dezember übergab die Organisation im Weißen Haus in Washington 550.000 Unterschriften, mit denen sie eine unabhängige Untersuchung des Angriffs einfordern will. (Ende/IPS/jk/11.12.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/12/who-plans-to-track-attacks-on-health-workers-in-war-zones/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Dezember 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang