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STELLUNGNAHME/021: Zum Referentenentwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention" (DGAUM)


Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. - 17.11.2014

Arbeitsmediziner und Betriebsärzte als Lotsen zwischen Prävention, Kuration und Rehabilitation

Stellungnahme DGAUM zum Referentenentwurf eines "Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention"



Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V. (DGAUM) begrüßt die erneute Initiative des Gesetzgebers, den wachsenden gesellschaftlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit einer raschen Zunahme chronischer, inkl. psychischer Erkrankungen durch einen gesamtgesellschaftlichen Präventionsansatz zu begegnen. Eine Stärkung der betrieblichen Gesundheitsförderung und der Prävention in Lebenswelten entspricht der Zielsetzung der DGAUM und wird von ihr ausdrücklich unterstützt.

Die Bedeutung einer systematischen Prävention und Gesundheitsförderung wächst zunehmend, sowohl für den einzelnen Menschen als auch für die Gesellschaft als Ganzes. Die Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung dient nicht nur der Lebensqualität, sondern auch der ökonomischen Stabilisierung unseres Gesundheitswesens und ist zudem unverzichtbar für eine Begrenzung der durch chronische Krankheiten verursachten volkswirtschaftlichen Verluste. Im Referentenentwurf wird insbesondere auf die demografische Entwicklung und die damit ursächlich einhergehende Zunahme von chronischen, sowohl physischen als auch psychischen, Erkrankungen und die daraus resultierenden Herausforderungen hingewiesen. Nicht vergessen darf man in diesem Kontext jedoch den Einfluss des individuellen sozialen Status auf die Gesundheit sowie allgemeine, der Gesundheit abträgliche Lebensstiländerungen, wie diese gerade bereits bei jungen Menschen zu beobachten sind.

Um die Risiken erfolgreich zu minimieren bedarf es einer gesamtgesellschaftlichen, übergreifend aufgestellten Systematik der Prävention und Gesundheitsförderung, die sowohl auf die individuelle Eigenverantwortung als auch auf die präventive Gestaltung der Lebens-, inklusive der Arbeitsbedingungen, fokussiert. Die Lebens- und Arbeitswelt in den Betrieben und den Unternehmen sowie bei den öffentlichen Arbeitgebern stellt in unserer Gesellschaft das größte Präventionssetting sowohl für Maßnahmen im Rahmen der Verhaltens- als auch der Verhältnisprävention dar: Bereits heute sind Arbeitsmediziner und Betriebsärzte im Rahmen der gesetzlich verankerten arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie des betrieblichen Gesundheitsmanagements in der Lage, fast 42 Millionen arbeitende Menschen anzusprechen und für präventiv-medizinische Maßnahmen zu sensibilisieren oder gar zu gewinnen. Allein schon vor diesem Hintergrund erwächst den fast 12.500 Ärzten mit arbeitsmedizinischer oder betriebsärztlicher Fachkunde in unserem Land die Aufgabe, ihre Rolle als Lotsen und neutrale Berater zwischen präventiver Gesundheitsförderung, ambulanter Versorgung, arbeitsmedizinischer Vorsorge und berufsfördernder Rehabilitation einzunehmen.

Im Mittelpunkt steht dabei der Erhalt und die Förderung der physischen und psychischen Gesundheit und Leistungsfähigkeit des arbeitenden Menschen, die Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen, die Vorbeugung, Erkennung, Behandlung und Begutachtung arbeits- und umweltbedingter Risikofaktoren, Erkrankungen und Berufskrankheiten, die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen, einschließlich individueller und betrieblicher Gesundheitsberatung, die Vermeidung von Erschwernissen und Unfallgefahren sowie die berufsfördernde Rehabilitation.

Das Fachgebiet Arbeitsmedizin als präventivmedizinische Disziplin dient zudem als integrierende Schnittstelle zwischen primärpräventiver Gesundheitsförderung und ambulanter Primärversorgung, die für alle an Primärprävention und Primärversorgung beteiligten Gesundheitsexperten eine koordinierende Plattform bietet. Darüber hinaus ist der Arbeitsmediziner oder Betriebsarzt auch im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie im Bereich der berufsfördernden Rehabilitation und des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements nach schweren Erkrankungen gefordert, gemeinsam mit Arbeitnehmern und Arbeitgebern die bestmöglichen Lösungen zum Schutz der individuellen Arbeitsfähigkeit und bei der Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach einer längeren Krankheitsphase zu finden. Insofern sollte im Rahmen des anstehenden parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens nochmals eingehend darüber reflektiert werden, wie die im Tätigkeitsfeld der Arbeitsmediziner und Betriebsärzte angelegten Schnittstellen zwischen Aufgaben nach SGB V (Fokus: Primärprävention, Schadensverhütung), SGB VII (Fokus: Sekundärprävention, Schadensbegrenzung) oder SGB IX (Fokus: Tertiärprävention, Schadensrevision/berufliche Wiedereingliederung) noch stärker vernetzt werden könnten.

Ausdrücklich ist zu begrüßen, dass Präventionsprogramme der Krankenkassen einer Qualitätssicherung unterliegen sollen. Dies sollte aber nicht nur für die Programme der Krankenkassen, sondern für Maßnahmen aller an Prävention und Gesundheitsförderung beteiligten Akteure und insbesondere die gesamte Präventionsstrategie selbstverständlich sein. Auch deren Finanzierung sollte mittelfristig als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden und strukturiert werden. In diesem Kontext darf zudem nicht vergessen werden: Wenn das Präventionsgesetz auch für verbeamtete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten und eine positive Wirkung entfalten soll, dann sind neben der Privaten Krankenversicherung (PKV) ebenfalls die Beihilfesysteme im Bund und den Bundesländern adäquat einzubeziehen.

Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) ist davon überzeugt, mit den hier vorliegenden Kompetenzen u.a. im Rahmen der nationalen Präventionskonferenz einen wesentlichen Beitrag zu einer zielgerichteten und effizienten gesamtgesellschaftlichen Präventionssystematik einbringen zu können. Darüber hinaus ist die DGAUM gemeinsam mit anderen wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften sehr gerne bereit, eine aktive Rolle zu übernehmen, insbesondere im Bereich der Qualitätssicherung und der Evidenzbasierung sowie der Zertifizierung von Angeboten und Leistungen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements.


Zusammenfassend sollten nach Ansicht der DGAUM im Gesetzgebungsverfahren bzw. bei der Umsetzung des Gesetzes folgende Punkte berücksichtigt werden:

  1. Lotsenfunktion der Arbeitsmediziner und Betriebsärzte an den Schnittstellen zwischen Aufgaben nach SGB V (Fokus: Primärprävention, Schadensverhütung), SGB VII (Fokus: Sekundärprävention, Schadensbegrenzung) oder SGB IX (Fokus: Tertiärprävention, Schadensrevision/berufliche Wiedereingliederung).
  2. Eindeutige Regelung der Präventionsleistungen auch für verbeamtete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Wege einer Beteiligung der PKV und der Beihilfesysteme im Bund und den Bundesländern.
  3. Beteiligung der wissenschaftlichen Fachgesellschaften am Prozess der vorgeschlagenen Qualitätssicherung und Zertifizierung von Angeboten und Leistungen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung und des betrieblichen Gesundheitsmanagements.
  4. Stärkung des Verständnisses von Prävention und Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe.


Den ausführlichen Wortlaut der Stellungnahme finden Sie zum Download auf der Homepage der DGAUM unter:
http://www.dgaum.de/praevention/

Kontakt:
Dr. med. Andreas Tautz
Chief Medical Officer
Konzerngesundheitsmanagement
Deutsche Post DHL, Zentrale
53250 Bonn
E-Mail: a.tautz@dpdhl.com


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dgaum.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1772

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e.V.
Dr. Thomas Nesseler, 17.11.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. November 2014