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ARTIKEL/1064: Erster Hausarztvertrag im Norden vor dem Start (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 7/2009

Erster Hausarztvertrag im Norden vor dem Start
Betriebskrankenkassen sind Vorreiter

Von Dirk Schnack


Premiere für den Hausarztvertrag in Schleswig-Holstein: BKK-Versicherte können sich ab ersten Oktober einschreiben.

Der erste Hausarztvertrag in Schleswig-Holstein steht: BKK-Versicherte können sich ab ersten Oktober einschreiben. Der Landesverband Nord der Betriebskrankenkassen erwartet hohe Resonanz.

Rund 30 Prozent der insgesamt 450.000 in einer Betriebskrankenkasse versicherten Schleswig-Holsteiner werden sich nach Einschätzung von BKK-Vertragschef Dr. rer. pol. Dirk Janssen bis Ende kommenden Jahres in den Vertrag zur hausarztzentrierten Versorgung einschreiben. Nach Angaben der Vertragspartner BKK, Ärztegenossenschaft und Hausärzteverband Schleswig-Holstein können die Patienten u. a. mit einem besseren Service, schnelleren Terminen und Erinnerungen an Vorsorgeuntersuchungen sowie in der Regel mit einer Befreiung von der Praxisgebühr rechnen. Der Hausarzt soll eine Lotsenfunktion für den Patienten übernehmen und den gesamten Behandlungsverlauf koordinieren. "Damit er genau Bescheid weiß, welche Arzneimittel eingenommen werden und welche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen durchgeführt werden, laufen beim Hausarzt alle Informationen zusammen. So kann er prüfen, ob es z. B. mögliche Wechselwirkungen bei Medikamenten gibt", teilten die Vertragpartner mit. Patienten müssen sich für den Vertrag einschreiben und binden sich damit für ein Jahr. Sie sind verpflichtet, immer zunächst den Hausarzt aufzusuchen, ausgenommen sind nur Besuche beim Gynäkologen und beim Augenarzt. Die Lotsenfunktion wird gestärkt, indem der Hausarzt spezielle Leistungen in der Überleitung zwischen dem ambulanten und stationären Sektor übernimmt.

Der Hausarzt erhält für seine Leistungen pro Patient eine kontaktunabhängige Pauschale von 65 Euro im Jahr sowie weitere Quartalspauschalen. Die Honorare orientieren sich weitgehend am AOK-Hausarztvertrag in Baden-Württemberg. Wie im Südwesten müsste auch in Schleswig-Holstein die Gesamtvergütung entsprechend bereinigt werden. Bis Redaktionsschluss stand die dafür erforderliche Einigung mit der Kassenärztlichen Vereinigung noch aus. Die KV reagierte mit der zu erwartenden Kritik an dem Vertrag und warnte vor einer Aushöhlung des Kollektivvertragssystems. Die kommissarische KV-Vorsitzende Dr. Ingeborg Kreuz warnte in diesem Zusammenhang vor einer Zersplitterung der Versorgung und "Unüberschaubarkeit im Praxisalltag". Letztlich, so Kreuz, drohe eine "Vereinzelung des Arztes". Nachteile erwartet sie vor allem für kleinere Arztgruppen.

Hausarztchef Nicolay Breyer sagte dagegen: "Mit dem BKK-Vertrag erreichen wir erstmals eine angemessene Bezahlung der hausärztlichen Tätigkeit. Der Aufwand wurde den Hausärzten unter dem Dach der KVSH bislang nicht honoriert." Künftig werden die teilnehmenden Hausärzte für die eingeschriebenen BKK-Patienten mit Pauschalen honoriert. Eine kontaktunabhängige Pauschale gibt es für jeden eingeschriebenen Patienten im Jahr in Höhe von 65 Euro, zuzüglich eines Qualitätszuschlages in Höhe von sechs Euro für Psychosomatik. Jedes Quartal wird eine kontaktabhängige Pauschale von 40 Euro gezahlt (bei Patienten unter 60 Jahren 25 Euro). Hinzu kommen eine Reihe von Zuschlägen etwa für rationale Pharmakotherapie (vier Euro), Morbidität (15 Euro), Check-Up (30 Euro), Influenza-Impfung (6,50 Euro). Für ein Krankenhauseinweisungs- und Überleitungsmanagement erhalten die Ärzte 40 Euro, für einen zusätzlichen Besuch im Krankenhaus 35 Euro, für die Betreuung bei einfacher Behandlungspflege durch ehrenamtliche Bezugspersonen 75 Euro (35 Euro im Folgequartal). Zusätzlich gibt es Modulverträge für chronische Erkrankungen wie etwa Depressionen, die mit jeweils 30 Euro - und damit besser als im Südwesten - vergütet werden. Mit anderen Kassenarten lagen bis Redaktionsschluss keine Ergebnisse über unterschriftsreife Hausarztverträge vor, sodass die Ärzteseite das Schiedsamt eingeschaltet hat.

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 7/2009 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2009/200907/h090704a.htm - Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Juli 2009
61. Jahrgang, Seite 17
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz Bartmann (V.i.S.d.P.)
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Telefon: 04551/803-119, -127, Fax: -188
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2009

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