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AIDS/1065: AIDS in Deutschland und Uganda (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 7-8/2018

AIDS
Jedes zweite infizierte Kind nicht behandelt

von Prof. Klaus-Dieter Kolenda


HIV-Infektion und Aids - ein Vergleich zwischen Deutschland und Subsahara-Afrika, insbesondere Uganda. Aids bleibt dort die wichtigste Todesursache, noch vor Tuberkulose und Malaria.


Die HIV-Erkrankung ist eine chronische Infektion mit dem HI-Virus, die zu einem langsam fortschreitenden Immundefekt führt. Nach langjähriger Symptomfreiheit treten zwei bis vier Jahre nach der Infektion leichtere Erkrankungen und acht bis zehn Jahre danach die sogenannten AIDS-definierenden Erkrankungen auf, an denen die Patienten ohne wirksame Therapie innerhalb weniger Jahre versterben. Eine effektive antiretrovirale Therapie (ART) gibt es seit etwa 1995. Unter der ART kommt es meist zur ausreichenden Wiederherstellung des Immunsystems, sodass AIDS-definierende Erkrankungen ausheilen können. Die Wirksamkeit der Behandlung hält aber nur so lange an, wie die ART weitergeführt wird.

In Deutschland gab es 2014 etwa 83.000 Personen, die mit dem HI-Virus infiziert waren, das sind 0,1 Prozent der Bevölkerung. 80 Prozent davon sind Männer und 20 Prozent Frauen. Entsprechend dem Risiko der Infektion haben zwei Drittel der infizierten Männer Sex mit Männern gehabt (MSM), 20 Prozent der Infizierten haben sich durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr infiziert, 7.900 Personen durch intravenösen Drogenkonsum, 450 durch intravenöse Blutprodukte (Hämophilie) und 400 Kinder durch Mutter-Kind-Transmission. 3.200 Personen haben sich 2015 neu infiziert und 450 starben an Aids.

2014 hat UNAIDS weltweit das 90-90-90-Ziel proklamiert. Danach sollen große Anstrengungen gemacht werden, damit bis 2020 90 Prozent der HIV-Infizierten diagnostiziert, 90 Prozent mit antiretroviralen Medikamenten behandelt und in 90 Prozent eine Suppression des Virus erreicht ist, sodass es nicht mehr nachweisbar ist. An dieser Zielsetzung gemessen waren 2015 in Deutschland 85 Prozent der wahrscheinlich bestehenden HIV-Infektionen diagnostiziert, 84 Prozent davon behandelt und in 93 Prozent war das Virus nicht mehr nachweisbar. Die Diagnose Aids bedeutet heute in Deutschland nicht mehr die Ankündigung des baldigen Lebensendes, sondern eher "bedingte Gesundheit", solange eine effektive ART durchgeführt wird. Somit handelt es sich bei HIV/Aids heute in Deutschland eher um ein medizinisches Randproblem.

In Subsahara-Afrika ist die Situation gänzlich anders. Von weltweit circa 37 Millionen mit dem HI-Virus infizierten Personen sind etwa 50 Prozent Frauen. Davon leben allein 26 Millionen Erwachsene und Kinder in Subsahara-Afrika, das am schwersten betroffen ist. Die HIV-Prävalenzrate lag hier 2014 bei durchschnittlich 4,7 Prozent der erwachsenen Bevölkerung und war damit etwa 50 Mal höher als in Deutschland. Hinter diesen Zahlen verbergen sich jedoch erhebliche Unterschiede. Während die Raten in Zentral- und Ostafrika Werte zwischen 5 und 10 Prozent der erwachsenen Bevölkerung aufweisen, liegen sie in Südafrika und den angrenzenden Ländern bei 20 Prozent und in einigen Landesteilen sogar noch höher.

Aids ist in Subsahara-Afrika zur häufigsten Todesursache geworden. Jeder fünfte Todesfall in Afrika ist auf HIV/Aids zurückzuführen, die Lebenserwartung ist in einigen Ländern um bis zu 20 Jahre gesunken. Mehr als 10 Millionen Kinder wurden bereits zu Waisen, weil ihre Eltern an Aids verstorben sind. 2014 starben in Subsahara-Afrika etwa 790.000 Menschen an Aids.

Während in Deutschland vor allem schwule Männer von HIV/Aids betroffen sind, ist der Hauptübertragungsweg in Subsahara-Afrika der heterosexuelle Geschlechtsverkehr, wobei sich mehr Frauen als Männer infizieren. Ein großes Problem ist auch die Mutter-Kind-Übertragung. Ohne adäquate Behandlung werden bis zu 40 Prozent der Kinder HIV-infizierter Mütter ebenfalls infiziert. Mit einer effektiven ART lässt sich diese Quote auf unter ein Prozent senken. Für die armen Länder in Subsahara-Afrika ist bedeutsam, dass antiretrovirale Medikamente immer noch sehr teuer sind und die für das Gesundheitswesen zur Verfügung stehenden Mittel weit überschreiten. Deshalb sind die meisten dieser Länder auf Medikamentenspenden internationaler Organisationen angewiesen.

Auch wenn in den letzten zehn Jahren Fortschritte bei der Behandlung von HIV/Aids erzielt worden sind, zeigt eine aktuelle Studie, dass wir derzeit noch sehr weit von dem 90-90-90-Ziel von UNAIDS entfernt sind. Das gilt vor allem für die armen Länder in Subsahara-Afrika, zu denen auch Uganda gehört.

2017 gab es in Uganda 1,4 Millionen Menschen (15 bis 49 Jahre), die mit einer HIV-Infektion lebten. Das waren 6,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Frauen sind davon überproportional betroffen: 7,6 Prozent der Frauen waren gegenüber 4,7 Prozent der Männer infiziert. Weitere besonders betroffene Gruppen sind neben Prostituierten, Homosexuellen und intravenösen Drogennutzern vor allem Mädchen in der Adoleszenz und junge Frauen im Alter von 15 bis 24 Jahren, die vierfach häufiger betroffen sind als junge Männer im selben Alter. In jedem Jahr wurden 52.000 neue Infektionen und 28.000 Todesfälle durch Aids registriert. In Uganda gibt es etwa zwei Millionen Aids-Waisen, jedes fünfte Kind gehört zu dieser Gruppe.

In den letzten Jahren ist es zu einem langsamen Anstieg in der Zahl der behandelten HIV-Infizierten gekommen. Unter Berücksichtigung des 90-90-90-Ziels von UNAIDS ist in Uganda 74 Prozent der Infizierten ihr HIV-Status bekannt und 67 Prozent der Erwachsenen erhalten eine antiretrovirale Behandlung, aber nur 47 Prozent der infizierten Kinder. Das bedeutet, dass 2016 rund 33 Prozent der infizierten Erwachsenen und 53 Prozent der infizierten Kinder nicht behandelt wurden. Anhaltende Ungleichheiten bleiben bestehen, die bestimmen, wer eine Behandlung erhält, und viele infizierte Menschen erfahren Stigmatisierungen und Diskriminierungen.

Abschließend werden die demografischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen von HIV/AIDS in Subsahara-Afrika betrachtet. Aids ist die wichtigste Todesursache noch vor Tuberkulose und Malaria und mittlerweile für jeden fünften Todesfall verantwortlich. Ein großes soziales Problem sind die Aids-Waisen. Besonders im Bildungsbereich und im Gesundheitswesen ist es zu erheblichen Ausfällen gekommen, da hier viele gut ausgebildete jüngere Beschäftigte entweder erkrankt oder an Aids verstorben sind. Nicht zuletzt sind verheerende wirtschaftliche Auswirkungen zu verzeichnen. Durch den vorzeitigen Tod beziehungsweise Ausfall vieler Menschen im produktiven Alter erleidet die Wirtschaft massive Einbrüche und es ist zu einem Rückgang der landwirtschaftlichen und industriellen Produktion und des Wachstums gekommen.

Während der 90er Jahre war Uganda ein Beispiel für ein Land, in dem die Prävention von HIV-Infektionen und Aids gelungen war. Die Rate der HIV-Infektionen fiel von einst 15 Prozent auf 5 Prozent in der erwachsenen Bevölkerung. Im letzten Jahrzehnt ist es dann wieder zu einem signifikanten Anstieg gekommen. Das ist eine große Herausforderung für die gesamte Gesellschaft, für das Gesundheitswesen des Landes und für die kommunalen Einrichtungen.

Wir sollten darüber diskutieren, auf welchem Weg die Einrichtungen in Rukararwe und der "Freundschaftsverein Kronshagen-Bushenyi/Ischaka" (siehe Kasten unten) die Bemühungen der Menschen in Uganda zur Prävention und Behandlung von HIV-Infektionen und Aids unterstützen können. Wichtig bleiben Maßnahmen zur Prävention. Dazu gehören

  • die Förderung von "Safer Sex"-Verhalten, insbesondere bei jungen Menschen, durch Verfügbarkeit und Gebrauch von Kondomen,
  • die Förderung der Akzeptanz von biomedizinischen Interventionen wie der freiwilligen Beschneidung bei Männern,
  • der Kampf gegen sozio-kulturelle, geschlechtsbezogene und generelle Faktoren, die die HIV-Epidemie antreiben, durch gezielte erzieherische Maßnahmen.

IHR ERFAHRUNGSBERICHT

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung eines Vortrags, den Prof. Klaus-Dieter Kolenda vergangenen Monat bei einer Veranstaltung des Freundschaftsvereins Kronshagen-Bushenij/Ishaka in den Räumen der Christuskirche Kronshagen gehalten hat. Anlass war der Besuch des Bürgermeisters von Bushenij (Uganda) und zweier Mitarbeiter in Kronshagen. Der Vortrag basiert auf einem ausführlichen Text des Autors zu diesem Thema, der im vergangenen Jahr zum Welt-AIDS-Tag in den Nachdenkseiten erschienen ist (https://www.nachdenkseiten.de/?p=41544). Der Autor greift darin die wichtigsten gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen von HIV-Infektionen und AIDS in Subsahara-Afrika, speziell in Uganda, auf, vergleicht diese mit der Situation in Deutschland und verdeutlicht damit die Belastungen durch die HIV-Erkrankung für die Menschen in Afrika.

Sie haben ebenfalls Erfahrungen mit der medizinischen Situation in anderen Ländern gesammelt? Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt freut sich über Ihren persönlichen Erfahrungsbericht. Bitte nehmen Sie Kontakt mit uns auf oder schicken Sie uns unverbindlich Ihr Manuskript plus Fotos an: aerzteblatt@aeksh.de


1,4 Mio
Menschen zwischen 15 und 49 Jahren mit einer HIV-Infektion leben derzeit in Uganda - dies entspricht einem Anteil von 6,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Zum Vergleich: In Deutschland sind dies rund 83.000 Menschen, dies sind 0,1 Prozent der Bevölkerung.

40 %
der Kinder HIV-infizierter Mütter sind in Subsahara-Afrika ebenfalls infiziert. Nur 47 Prozent der infizierten Kinder in Uganda erhalten eine antiretrovirale Behandlung. In Uganda gibt es zwei Millionen Waisenkinder, deren Eltern an Aids gestorben sind.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

- Zwei Millionen Kinder in Uganda sind Waisen, weil ihre Eltern an Aids gestorben sind. Zugleich sind viele der Kinder selbst infiziert. Nur jedes Zweite davon wird behandelt.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 7-8/2018 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2018/201807/h18074a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
70. Jahrgang, Juli-August 2018, Seite 26 - 27
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2018

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