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FORSCHUNG/043: Wie der Körper Entzündungen im Zaum hält (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 2. Mai 2011

Wie der Körper Entzündungen im Zaum hält

Max-Planck-Forscher haben einen Überlebensfaktor nach Herzinfarkt gefunden, der auch in anderen Organen eine Therapieoption sein könnte


Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin in Münster und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) haben einen Faktor identifiziert, der für die Reparaturarbeiten am Herzen nach einem Infarkt unentbehrlich ist: das körpereigene Protein GDF-15. Mit einem ausgekügelte Mechanismus verhindert der Körper eine überschießende Entzündungsreaktion, die nun erstmals verstanden ist.

Bei einer Entzündungsreaktion wandern weiße Blutkörperchen aus dem Blutgefäß in den Entzündungsherd ein. GDF-15 sorgt dafür, dass der Entzündungsprozess reguliert abläuft und nicht überschießt und Schaden anrichtet. - © MPI f. molekulare Biomedizin/Stefan Butz

Bei einer Entzündungsreaktion wandern weiße Blutkörperchen
(Leukozyten; rot) aus dem Blutgefäß (grün) in den Entzündungsherd ein.
GDF-15 sorgt dafür, dass der Entzündungsprozess reguliert abläuft und
nicht überschießt und Schaden anrichtet.
© MPI f. molekulare Biomedizin/Stefan Butz

Nach einem Herzinfarkt muss der Körper abgestorbenes Herzmuskelgewebe durch eine stabile Narbe ersetzen. Währenddessen pumpt das Herz weiter Blut durch den Körper. Die mit der Heilung verbundene Entzündungsreaktion haben die Wissenschaftler nun genauer untersucht. Die Herzmuskelzellen bildeten dabei vermehrt GDF-15: Schon nach 12 Stunden stieg die Konzentration dieses Faktors um das 20-fache an - hauptsächlich im Infarktgebiet. Das GDF-15 hat dabei eine schützende Funktion. Denn Mäuse, die GDF-15 nicht produzieren konnten, starben kurz nach dem Infarkt. "Bei ihnen kam es zu einer überschießenden Entzündungsreaktion: Ihr Körper baute das abgestorbene Gewebe zu schnell ab, sodass der Herzmuskel einriss", sagt Kai Wollert.

Bei einer Entzündungsreaktion, etwa nach einem Herzinfarkt, wandern weiße Blutkörperchen aus dem Blut in den Entzündungsherd ein. Auf der Oberfläche der weißen Blutkörperchen müssen hierfür Integrin-Moleküle aktiviert werden. "Dadurch verändern diese Moleküle ihre Form, sie richten sich auf und können zum Andocken an die Wand der Blutgefäße genutzt werden", sagt Dietmar Vestweber. Die Forscher haben nun erstmals einen Mechanismus entdeckt, der das Aufrichten des Integrins und damit seine Aktivierung hemmt: "Wenn GDF-15 an die weißen Blutkörperchen bindet, bleiben die Integrine inaktiv, und die weißen Blutkörperchen können im Entzündungsgebiet an der Blutgefäßwand nicht andocken. GDF-15 sorgt also dafür, dass der Entzündungsprozess reguliert abläuft und nicht überschießt und Schaden anrichtet", so der Wissenschaftler.

Dies scheint ein generelles Prinzip der Entzündungshemmung zu sein: "Wir konnten diesen Mechanismus auch in Geweben außerhalb des Herzens ausmachen", sagt Vestweber. GDF-15 spielt also auch in anderen Organen eine entzündungshemmende Rolle, und ist möglicherweise therapeutisch interessant für viele Krankheiten, die mit überschießenden Entzündungsreaktionen einhergehen.
JMK/BA/HR


Originalveröffentlichung
Tibor Kempf, Alexander Zarbock, Christian Widera, Stefan Butz, Anika Stadtmann, Jan Rossaint, Matteo Bolomini-Vittori, Mortimer Korf-Klingebiel, L Christian Napp, Birte Hansen, Anna Kanwischer, Udo Bavendiek, Gernot Beutel, Martin Hapke, Martin G Sauer, Carlo Laudanna, Nancy Hogg, Dietmar Vestweber, Kai C Wollert
GDF-15 is an inhibitor of leukocyte integrin activation required for survival after myocardial infarction in mice
Nature Medicine, 25. April 2011

Ansprechpartner

Sekretariat Prof. Vestweber: Annette Wintgens
Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, Münster
E-Mail: wintgen@mpi-muenster.mpg.de


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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 2. Mai 2011
Herausgeber:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2011