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HERZ/590: Herbsttagung 2012 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (1) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 11. Oktober 2012

Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
11. - 13. Oktober 2012 in Hamburg

→ "Checklisten" verkürzen Klinikaufenthalte von Herzpatienten
→ Immer weniger Herztote in Deutschland
      Herzinfarkt ist Männersache, Herzinsuffizienz Frauensache
→ Patienten profitieren von Interdisziplinarität und guter Kooperation der Ärzte



"Checklisten" verkürzen Klinikaufenthalte von Herzpatienten

Die Anwendung von standardisierten Behandlungsabläufen auf Basis von Checklisten kann in kardiologischen Abteilungen die Dauer des Klinikaufenthalts bei Herzpatienten zum Teil deutlich verkürzen. Das zeigt eine Studie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Lübeck, die heute auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Jahrestagung der Arbeitsgruppe Rhythmologie in Hamburg vorgestellt wurde. Sowohl bei sehr häufigen Herzerkrankungen als auch bei selten auftretenden Krankheitsbildern ließ sich dieser Effekt feststellen, wobei die höchste Reduktion (minus 28 Prozent) bei Patienten mit Lungenarterienembolie beobachtet wurde, die geringste (minus 4 Prozent) beim akuten Koronarsyndrom (Herzinfarkt, instabile Angina pectoris).

Deutsche Krankenhäuser stehen zunehmend unter Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitsdruck. "Ein wichtiger Ansatz ist hier eine Steigerung der Kosteneffektivität bei gleichzeitiger Verbesserung der Behandlungsqualität", so Studienautor Prof. Peter Radke (Universitätsklinikum Schleswig-Holstein). "Besonders chirurgische Fachdisziplinen haben vor diesem Hintergrund zuletzt verstärkt klinische Behandlungspfade für ausgewählte Diagnosen eingeführt."

Das Lübecker Team entwickelte solche auf Checklisten beruhende, standardisierte Behandlungsabläufe auch für eine Reihe kardiologischer Diagnosen und verglich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von Patienten vor und nach Einführung des Systems. Bei allen beobachteten Erkrankungen waren die Klinikaufenthalte der Patienten nach der Einführung der Checklisten kürzer als vorher: Minus 4 Prozent beim akuten Koronarsyndrom, minus 7,5 Prozent beim Vorhofflimmern, minus 6,1 Prozent bei der Herzinsuffizienz. Bei seltener auftretenden Diagnosen wie tiefen Venenthrombosen (minus 11 Prozent) oder Lungenarterienembolien (minus 28 Prozent) fiel die Reduktion noch deutlicher aus.

"Die Ergebnisse zeigen, dass mit dem vorgestellten checklistenbasierten System auch in der Inneren Medizin eine breite Implementierung von Behandlungspfaden möglich ist", fassen die Autoren zusammen. Gerade bei seltener vorkommenden Diagnosen erscheine eine Prozessoptimierung möglich.

Keine Einbuße der Qualität

"Trotz einer Verkürzung der Klinikaufenthalte kommt es demnach zu keiner Einbuße bei der Behandlungsqualität", so Prof. Eckart Fleck (Deutsches Herzzentrum Berlin), Pressesprecher der DGK. "Im Gegenteil, durch die Standardisierung kommt es eher zu einer Verbesserung."

Quelle:
- Rieken et al., Abstract P501, Clin Res Cardiol 101, Suppl 2, 2012;
- Wipplinger et al, Abstract P502, Clin Res Cardiol 101, Suppl 2, 2012

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Immer weniger Herztote in Deutschland - Herzinfarkt ist Männersache, Herzinsuffizienz Frauensache

"Die Sterblichkeit an den am weitesten verbreiteten Herz-Kreislauf-Krankheiten ist in Deutschland stark rückläufig, außerdem nimmt der Anteil tödlicher Herzkrankheiten an allen Krankheiten laufend ab", berichtet Prof. Dr. Georg Ertl (Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik Würzburg), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie anlässlich der Herbsttagung der DGK und der Jahrestagung der Arbeitsgruppe Rhythmologie in Hamburg. "Zwischen dem Ende der 1990er-Jahre und 2010 ist in Deutschland die Sterblichkeit bei akutem Herzinfarkt und den ischämischen Herzkrankheiten (Krankheiten als Folge schlechter Durchblutung) um rund 20 Prozent gesunken."

Deutlich weniger Todesfälle durch akuten Herzinfarkt und ischämische Herzkrankheiten

Im Detail: An chronischen ischämischen Herzkrankheiten verstarben 1998 in Deutschland 95.000 Menschen (11,1 Prozent aller Todesfälle), zuletzt waren es 72.700 (8,5 Prozent). Am akuten Herzinfarkt verstarben 1998 noch 76.000 Menschen (8,9 Prozent), heute sind es 55.500 (6,5 Prozent).

Herzinfarkt ist Männersache, Herzinsuffizienz ist Frauensache

Es gibt allerdinge eine Reihe von Differenzierungen: Männer versterben in Deutschland wesentlich häufiger an akutem Herzinfarkt: 30.650 (7,5 Prozent) jährlich, gegenüber 25.000 (5,5 Prozent) Frauen.

Bei der Herzinsuffizienz ist das Verhältnis umgekehrt: Daran verstarben jährlich 32.500 Frauen (7,2 Prozent) und 15.800 (3,9 Prozent) Männer.

Sterblichkeit bei Herz-Kreislauf-Krankheiten schwankt stark je nach Region

"Die Sterblichkeit bei Herz-Kreislauf-Krankheiten schwankt stark je nach Region", bilanziert der DGK-Präsident: Sie beträgt zum Beispiel - gemessen an allen Todesfälle - in Baden-Württemberg bei chronisch ischämischen Herzkrankheiten 7,2 Prozent und bei akutem Herzinfarkt 6,5 Prozent, in Sachsen-Anhalt hingegen 11,3 Prozent bzw. 8,5 Prozent. (2010)

Evidenz-basierte Medizin: DGK begleitet Innovationen wissenschaftlich

Der generelle Rückgang der Sterblichkeit bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist untrennbar mit den beeindruckenden Entwicklungen in der Kardiologie und Herzchirurgie verbunden, die auf dem Herbstkongress der DGK präsentiert werden. "Der Umgang mit solchen innovativen Behandlungsmethoden setzt einen vernünftigen und effizienten Einsatz voraus, bei dem es um Fragen der Qualitätssicherung, der Kosteneffektivität und der Evidenz-Basierung geht", so Prof. Ertl. Sicherheit und Nutzen und der Akut- und Langzeit-Erfolg müssen belegt werden. Das wird durch den konsequenten Einschluss der Patienten in klinische Studien und Register gesichert. Die DGK sieht eine ihrer Aufgaben darin, solche therapeutischen Innovationen wissenschaftlich zu begleiten."

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Patienten profitieren von Interdisziplinarität und guter Kooperation der Ärzte

"Die Versorgung von Herzpatienten ist in den vergangenen Jahren zu einer die künstlichen Versorgungssektoren (ambulant und stationär) übergreifenden Aufgabe geworden", bilanziert Dr. Jost Henner Wirtz (Kardiologische Gemeinschaftspraxis Dinslaken), Tagungspräsident des Kongresses der DGK vom 11. bis13. Oktober in Hamburg. "Die Kardiologie umfasst einerseits typische Krankenhausmedizin: aufwändige und oft lebensrettende High Tech für die Versorgung von Patienten. Andererseits die langfristige Betreuung herzkranker Menschen, dieser Bereich ist die Domäne der niedergelassenen Fachärzte." Dabei gehe es um Fragen der Prävention, der Zusammenarbeit mit anderen Ärzten sowie mit anderen medizinischen Berufsgruppen und darum, Patienten über viele Jahre zu begleiten und zur Therapietreue zu motivieren. "Von der immer besseren" Kooperation dieser beiden Bereiche der Versorgung profitieren letztlich am meisten die Herz-Patienten, so Dr. Wirtz.

Auch auf der Ebene der kardiologischen Gesellschaften klappe die Kooperation bestens. Den Bundesverband der Niedergelassenen Kardiologen (BNK), der fast 1300 Kardiologische Fachärzte vertritt, verbindet mit DGK ebenso wie mit der Arbeitsgemeinschaft Leitender Kardiologischer Krankenhausärzte (ALKK) eine langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit. Die DGK definiert als wissenschaftliche Fachgesellschaft die wissenschaftlich-medizinischen Standards des Fachs. In den Leitlinien wird der derzeitige Stand der Forschung komplett gesichtet und evaluiert, und es werden sinnvolle Vorgehensweisen für die Diagnose und Therapie von bestimmten Krankheiten formuliert. Der BNK arbeitet an der Entstehung ebenso mit wie an der Umsetzung dieser Behandlungsleitlinien in der Praxis, so Dr. Wirtz.

Neue Behandlungsmöglichkeiten führen zu einer engen Kooperation zwischen den Fächern

Auch die Kooperation zwischen Kardiologen und Herzchirurgen habe sich zunehmend verbessert, so Tagungspräsident Prof. Dr. Nicolas Doll (Ärztlicher Direktor Sana Herzchirurgie). "Früher galt der Grundsatz, "alles was mit dem Herzkatheter gemacht werden kann, ist Sache der Kardiologen. Sobald der Brustkorb geöffnet werden muss, sind die Chirurgen zuständig. Neue Methoden und neue Behandlungsmöglichkeiten haben jedoch zu einer engen Kooperation zwischen Herzchirurgen und Kardiologen zwischen den Fächern geführt."

Als Beispiel nennt Prof. Doll die neuen Herzklappenprothesen, die minimalinvasiv, jedoch nicht durch ein Gefäß, sondern durch die Herzspitze implantiert werden: "Dieser Eingriff wird vom Herzchirurgen und vom interventionellen Kardiologen gemeinsam durchgeführt. Und er bedeutet für viele Patienten einen enormen Fortschritt. Noch vor kurzem musste der Ersatz der Aortenklappe in einer großen Operation mit Eröffnung des Brustkorbs unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine erfolgen."

Angesichts solcher neuer Möglichkeiten sei es erforderlich und auch längst Realität, dass Herzchirurgen und Kardiologen im Team die einzelnen Fälle gemeinsam besprechen, die für den individuellen Patienten bestgeeignete Therapie auswählen und gemeinsam umsetzen. "Dieses Konzept der Hybrid-OPs wird in Zukunft wohl auch zu neuen Berufsbildern und Spezialisierungen führen", ist Prof. Doll überzeugt.

Auch zwischen der Rhythmologie und der Herzchirurgie sieht er eine Vielzahl von Berührungspunkten: "Die Erkrankungen können hochkomplex sein und verlangen nach State-of-the-Art Kenntnissen in der Kardiologie. Gleichzeitig können viele Rhythmusstörungen operativ korrigiert werden, was wiederum solides chirurgisches Know-how erfordert."

Eine der wichtigsten Erkenntnisse sei es zu erkennen, dass es viel sinnvoller ist, die immer älter werdenden und komplexeren Patienten gemeinsam zu behandeln. Prof. Doll: "Gemeinsam ist es uns gelungen, bessere Ergebnisse in der Therapie des Vorhofflimmerns zu erzielen. Die elektrische Therapie der Herzinsuffizienz ist ein wachsendes Feld und am Horizont bleibt das Kunstherz als Destination, das einmal zumindest in der Lage sein soll, schwerstkranken Patienten das Überleben kritischer Phasen zu ermöglichen."

Raute

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit knapp 8000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dgk.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution737

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.,
Christiane Limberg
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2012