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INFEKTION/1286: Schleswig-Holstein meldet die wenigsten Tbc-Fälle bundesweit (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2014

Tuberkulose
Schleswig-Holstein meldet die wenigsten Tbc-Fälle bundesweit

Von Anne Mey



Ballungszentren sind stärker betroffen. Multiresistente Stämme nehmen weltweit zu. Problem: kaum Berührungspunkte im Medizinstudium.


Vor gut 130 Jahren verkündete Robert Koch in Berlin erstmals, dass Tbc durch ein Bakterium verursacht wird. Durch die Entdeckung des Wissenschaftlers konnte Tbc immer weiter eingedämmt werden. Heute gilt sie als seltene Krankheit, die jedoch nichts an Gefährlichkeit eingebüßt hat: Noch immer steht sie auf Platz zehn der tödlichsten Krankheiten weltweit. In Deutschland wird Tuberkulose nur noch selten diagnostiziert. Schleswig-Holstein bildet mit knapp drei Fällen pro 100.000 Einwohner sogar das Schlusslicht unter allen Bundesländern. Dies begründet Prof. Christoph Lange, Vorstandsmitglied der Deutschen Tuberkulose Gesellschaft, mit den strukturellen Gegebenheiten des Landes. "Schleswig-Holstein ist ein Flächenland ohne große Ballungsräume. Eine Ansteckung ist dann besonders wahrscheinlich, wenn man die Atemluft mit einem Lungentuberkulose-Kranken teilt, der die Bakterien abhustet. Das ist bei höherer Bevölkerungsdichte einfach wahrscheinlicher", sagte Lange dem Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatt. Dies belegen auch die Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) für das Jahr 2012: Insgesamt wurden 4.220 Tuberkulosen in Deutschland übermittelt. In den Ballungszentren und Großstädten liege die Zahl der gemeldeten Fälle pro 100.000 Einwohner deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 5,2.

Laut Lange sind besonders Kinder, ältere Menschen und Personen mit einem geschwächten Immunsystem von der Krankheit betroffen. Aber auch Beschäftigte in der Gesundheitsbranche sind besonders gefährdet. So verzeichnet die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) steigende Infektionszahlen bei den Beschäftigten in diesem Berufsfeld. Insgesamt wurden der BGW 543 Tuberkulose-Infektionen (160 aktive Tuberkulosen, 383 latente Infektionen) in Deutschland im vergangenen Jahr gemeldet, was einen Anstieg um 232 Fälle im Vergleich zum Jahr 2009 bedeutet. Prof. Albert Nienhaus, Tuberkulose-Experte der BGW, erläutert das Ergebnis: "Zum Teil hängt die Zunahme der festgestellten Infektionen vermutlich mit verbesserten Diagnosemöglichkeiten zusammen." In Schleswig-Holstein ist ein gegenteiliger Trend zu beobachten: Vier Fälle (2 Tbc, 2 latente Tbc-Infektionen) wurden dem BGW gemeldet. Vier Jahre zuvor waren es fünf Tbc und zwölf latente Tbc-Infektionen.

Auch wenn sich die Diagnosemöglichkeiten insgesamt verbessert haben, kommt es laut Lange doch vor, dass infizierte Menschen monatelang Symptome zeigen, ohne mit Tbc in Verbindung gebracht zu werden, da viele jüngere Ärzte mit dem Krankheitsbild nicht mehr vertraut seien: "Man kann heute das Medizinstudium in Deutschland absolvieren, ohne einem Tuberkulosepatienten begegnet zu sein. In den meisten anderen Ländern der Erde wäre das undenkbar." Auch in Europa ist Tbc längst nicht gebannt. Ein besonderes Problem stellen die antibiotikaresistenten Fälle dar. Während nach Langes Auskunft in Deutschland gerade einmal zwei Prozent aller TB-Fälle den multiresistenten (MDR-TB) oder extensiv resistenten (XDR-TB) Bakterienstämmen zuzuordnen sind, entwickeln in der Ukraine jährlich 4 1/2 Mal so viele Menschen eine M/XDR-TB wie in der gesamten EU. Während man eine "normale" Tuberkulose relativ gut behandeln kann und die Heilungschancen bei 78 Prozent liegen, werden bei der MDR-TB nur knapp 32 Prozent, bei der XDR-TB sogar nur 19 Prozent der Patienten geheilt. Denn bei Multiresistenz seien mindestens die wichtigsten zwei Standardmedikamente Isoniazid und Rifampicin unwirksam, teilt das RKI mit. Eine wirksame Impfung konnte bisher nicht entwickelt werden. Tuberkulose ist also auch mehr als ein Jahrhundert nach Robert Koch ein wichtiges Thema, das Wissenschaftler auf der ganzen Welt beschäftigt.

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2014 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2014/201404/h14044a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt April 2014
67. Jahrgang, Seite 32
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2014