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KREBS/929: Leipziger Forscher untersuchen Fatiguesyndrom (idw)


Universitätsklinikum Leipzig AöR - 28.10.2011

Leipziger Forscher untersuchen Fatiguesyndrom


Leipzig, Oktober 2011 - Etwa ein Drittel der Menschen mit Krebs fühlt sich in Folge von Erkrankung und Therapie erschöpft, schwach und abgeschlagen. Unmittelbar nach einem Krankenhausaufenthalt sind sogar 40 Prozent aller Krebspatienten von dieser "Fatigue" genannten Begleitsymptomatik betroffen, fanden Wissenschaftler des Universitätsklinikums Leipzig in einer Studie heraus. Leider bleibe Fatigue häufig unbemerkt, schreiben die Wissenschaftler jetzt im British Journal of Cancer. Dabei könnten unterstützende Angebote den Betroffenen helfen und sie für die Therapie motivieren.

"Fatigue ist eines der Hauptprobleme von Krebspatienten", sagt Privatdozentin Dr. rer. med. Susanne Singer, Mitarbeiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Leipzig. Um die Verbreitung von Fatigue bei Krebspatienten besser zu verstehen, hatte die Leipziger Psychologin in Zusammenarbeit mit Ärzten aus verschiedenen Kliniken des Universitätsklinikums insgesamt fast 1500 Patienten mit 27 unterschiedlichen Krebserkrankungen befragt. Die Wissenschaftler baten die Patienten bei Aufnahme auf die Station, am Entlassungstag und ein halbes Jahr nach dem Krankenhausaufenthalt mittels eines Selbsteinschätzungs-Fragebogens Angaben über psychische, körperliche, geistige und emotionale Anzeichen von Fatigue zu machen.

Wie sich zeigte, hinterließ der - durchschnittlich zwei Wochen dauernde - Krankenhausaufenthalt und die dabei stattgefundene Behandlung bei den Patienten Spuren: Während bei der Aufnahme zur stationären Behandlung insgesamt 32 Prozent die typischen Anzeichen der Fatigue-Symptomatik zeigten, waren es am Tag der Entlassung 40 Prozent. Ein halbes Jahr später war die Quote der Betroffenen wieder auf 34 Prozent zurückgegangen. "In den meisten Therapieplänen findet die Thematik leider zu wenig Beachtung", bedauert Singer. Zudem stellten die Wissenschaftler fest, dass besonders junge Patienten durch Fatigue beeinträchtigt waren: in der Patientengruppe der unter 40-Jährigen zeigten am Tag der Klinikaufnahme über die Hälfte die typischen Anzeichen von chronischer Müdigkeit und Erschöpfung. Von den über 60-Jährigen war nur jeder fünfte Patient betroffen.

"Dieses Ergebnis ist beachtenswert", kommentiert Professor Dr. rer. biol. hum. habil. Elmar Brähler, Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Leipzig. "In der Normalbevölkerung nimmt die Fatigue-Rate mit dem Alter zu." Das Ergebnis könne damit zusammenhängen, dass jüngere Patienten häufig aggressivere Chemo- oder Strahlentherapien bekommen als ältere, vermutet Susanne Singer. Möglich sei auch, dass die Jüngeren die Diskrepanz zwischen ihren bisherigen Energiereserven und der durch die Krankheit verminderten Kraft stärker wahrnehmen.

Der Begriff "Fatigue" kommt aus dem Französischen und bedeutet "Ermüdung, Mattigkeit". Er beschreibt einen - häufig mit einer chronischen Erkrankung einhergehenden - körperlichen und seelischen Erschöpfungszustand, der über Wochen und Monate anhält und die Lebensqualität stark einschränkt. Als Ursachen gelten sowohl psychische Faktoren als auch krankheits- und therapiebedingte körperliche Veränderungen. So kann etwa eine Anämie, umgangssprachlich "Blutarmut", an der quälenden Müdigkeit Schuld sein. Bei Krebserkrankungen wird die Fatigue häufig durch eine Chemotherapie oder eine Bestrahlung ausgelöst. Aber auch die Erkrankung selbst führt oft zu den entsprechenden Symptomen.

"Um Patienten noch besser helfen zu können und auch die Compliance, also das kooperative Verhalten im Rahmen der Therapie, zu fördern, sollten Ärzte über das Fatigue-Syndrom informiert sein", sagt Singer. Eine Befragung im Rahmen der Krebs-Therapie könnte die Situation eventuell verbessern. Falls eine Blutarmut vorliegt, kommt als Behandlung zum Beispiel die Gabe roter Blutkörperchen als Transfusion in Frage. Auch körperliche Bewegung, etwa häufiges Spazierengehen oder fachkundig angeleitetes Training in Sportgruppen, können sich positiv auswirken. Hat die Fatigue vor allem eine psychosoziale Komponente, sind Gespräche mit einem Psychoonkologen empfehlenswert.


Literatur:
British Journal of Cancer 105, 445-451
Age- and sex-standardised prevalence rates of fatigue in a large hospital-based sample of cancer patients
S Singer, S Kuhnt, R Zwerenz, K Eckert, D Hofmeister, A Dietz, J Giesinger, J Hauss, K Papsdorf, S Briest and A Brown

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1298


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Leipzig AöR, Michael Lindner, 28.10.2011
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2011