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AIDS/794: Überblick über den Stand der Forschung (DAH)


Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH) - Freitag, 16. Juli 2010

Internationale AIDS-Konferenz 2010

Forschung ohne Ende


Medikamente gegen HIV verhindern heute erfolgreich die Vermehrung des Virus. Eine Heilung und eine Impfung sind aber noch lange nicht in Sicht. Ein Überblick über den Stand der Forschung


Die Forschung hat bei HIV von Anfang an schnelle Fortschritte gemacht. Heute gibt es eine Vielzahl Substanzen, die die Vermehrung von HIV im Blut infizierter Menschen verhindern können. Eine Heilung gibt es bislang nicht. Das würde schließlich bedeuten, HIV wieder aus dem Körper zu entfernen. Diese Möglichkeit ist noch lange nicht in Sicht. Es gibt aber Ansätze, die hoffen lassen.

Bei der Impfung hat die Forschung ihre Erwartungen bereits heruntergeschraubt: Es wäre schon ein Erfolg, wenn ein Impfstoff teilweise wirken oder den Verlauf einer trotzdem erworbenen HIV-Infektion abschwächen würde.

Weitere Forschungsfelder sind Mikrobizide (Cremes und Gels, die eine Übertragung von HIV verhindern sollen) und die Pre-Expositionsphropylaxe (die vorbeugende Gabe von Medikamenten, um eine Ansteckung zu verhindern).



Heilung

Auch wenn Medikamente HIV an der Vermehrung hindern, bleiben Viren in bestimmten Körperzellen erhalten. Diese Zellen befinden sich in einem Schlummerzustand - und mit ihnen die HIV-Viren.

Wie bekommt man HIV aus diesen Zellen heraus? Zwei Möglichkeiten zeichnen sich ab:

1. Es müsste gelingen, die Zellen zu aktivieren. Sie würden dann versuchen, neue HIV-Viren zu produzieren. HIV-Medikamente würden diese Vermehrung verhindern. Die aktivierten Zellen würden kurz darauf eines natürlichen Todes sterben. Leider weiß man noch nicht, wie sich die infizierten Zellen aktivieren lassen könnten.

2. In Laborversuchen lässt sich das Erbmaterial von HIV bereits aus infizierten Zellen heraustrennen - mit einer "molekularen Schere" aus Eiweißbausteinen. Unklar ist bisher, wie diese Schere in die Zellen eines Menschen gelangen könnte und ob dabei nicht auch Schaden entstehen würde.



Impfung

Wann es eine Impfung gegen HIV geben könnte - darüber wagt heute niemand mehr eine Prognose. Bislang haben sich alle Versuche als erfolglos erwiesen. Einen besonders herben Rückschlag gab es im Jahr 2007: In einer großen Studie hat ein neu entwickelter Impfstoff das Ansteckungsrisiko sogar erhöht! Auch hoffnungsvolle Meldungen aus Thailand im Herbst 2009 entpuppten sich als Fehldeutung der komplexen Daten.

Das Problem bei der Entwicklung eines Impfstoffes: Das HIV-Virus verändert sich ständig. Es gibt viele verschiedene Unterarten, und alle sind sie genetisch äußerst wandlungsfähig.

Ein Durchbruch ist in den nächsten zehn Jahren nicht zu erwarten. Selbst wenn er eines Tages gelingen sollte: Die Geimpften werden wohl nie vollständig vor einer HIV-Infektion geschützt. Immerhin dürfte die Infektion nach einer Impfung milder verlaufen.



Beschneidung wirkt nur begrenzt

Beschneidung macht den Penis weniger anfällig für HIV - zumindest beim Vaginalverkehr. Laut afrikanischen Studien sinkt das Infektionsrisiko für den Mann so um 60 Prozent. Der Grund: Die Schleimhautoberfläche des Penis ist bei Beschnittenen kleiner - und genau dort dringen HIV-Viren besonders leicht ein.

Für Europa bietet sich die Beschneidung als Vorbeugungsmaßnahme allerdings nicht an. Der Hintergrund: Von HIV bedroht sind hier vor allem Männer, die Sex mit Männern haben. Dem "passiven" Partner bietet die Beschneidung dabei keine Schutzwirkung. Ob sie beim "aktiven" Partner das Risiko reduziert, darüber gibt es bisher widersprüchliche Studienergebnisse.

Fazit: Die Beschneidung ist kein Ersatz für Safer Sex.



Mikrobizide

Mikrobizide in Form von Creme oder Zäpfchen sollen HIV-Viren abtöten, bevor sie über die Schleimhaut der Scheide und des Gebärmutterhalses aufgenommen werden.

Allerdings ist die Entwicklung eines solchen Mittels sehr schwer. Denn es soll zwar hart zum Virus, aber sanft zur Schleimhaut sein.

Die Gefahr: Greift das Mikrobizid die Schleimhaut an, macht es sie sogar durchlässiger für HIV. Bisher sind alle Versuche mit Mikrobiziden fehlgeschlagen. Jetzt verfolgt man einen neuen Ansatz: Es werden HIV-Medikamente als Mikrobizide eingesetzt. Sie könnten HIV beim Kontakt des Virus mit der Schleimhaut oder nach der Infektion der ersten Schleimhautzellen daran hindern, sich zu vermehren - und so die HIV-Infektion der Frau verhindern. Ob das funktioniert, wird sich in den nächsten Jahren in Studien zeigen.

Ein weiteres Problem: Die meisten der bisher erprobten Substanzen müssen vor jedem Geschlechtsverkehr neu eingebracht werden. Zurzeit werden technische Hilfsmittel erforscht, die kontinuierlich Medikamente abgeben sollen, zum Beispiel ein Vaginalring. Der müsste nur einmal im Monat eingelegt werden. Aussagekräftige Studienergebnisse liegen noch nicht vor.



Prä-Expositionsprophylaxe

Prä-Expositions-Prophylaxe (abgekürzt PrEP) bedeutet Vorsorge vor dem Risikokontakt. Dabei nimmt ein gesunder Mensch Anti-HIV-Medikamente, um eine Infektion zu verhindern. Die Idee dahinter: Wenn es keinen Impfstoff gibt, nimmt man eben das, was nachweislich die Vermehrung von HIV verhindert - die antiretroviralen Medikamente. Derzeit wird diese vorsorgliche Einnahme in Studien getestet. Teilnehmer sind Menschen, die besonders von einer HIV-Infektion bedroht sind: Sexarbeiterinnen, Männer, die Sex mit Männern haben, und Menschen, die intravenös Drogen konsumieren.

Die Nachteile der PrEP: die Nebenwirkungen, der hohe Preis und die Gefahr, dass sich schnell Resistenzen bilden, falls es doch zu einer Infektion kommt. Aussagekräftige Studienergebnisse werden in den nächsten Jahren erwartet.

Bei der Internationalen AIDS-Konferenz werden erste Ergebnisse mehrerer PrEP-Studien vorgestellt.


Weitere medizinische Informationen über HIV finden Sie unter:
http://aidshilfe.de/de/sich-schuetzen/hiv/aids

Ausführliche Informationen zur Kombinationstherapie gibt es auch unter:
http://aidshilfe.de/de/leben-mit-hiv/medizinische-infos/medizinische-infos



Vier Tage gegen HIV

Vier Thementage prägen das Programm des Deutschen Pavillons auf der Internationalen Aidskonferenz in Wien (18.-23. Juli 2010). Auch die Deutsche AIDS-Hilfe präsentiert passende Beispiele für ihre erfolgreiche HIV-Präventionsarbeit.

Verfolgen kann man zahlreiche Veranstaltungen und Themen unter:
http://globalhealth.kff.org/AIDS2010.


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Quelle:
Deutsche AIDS-Hilfe e.V. (DAH)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2010