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DIABETES/1484: Fragen und Antworten - "Gute Lebensqualität trotz und mit Diabetes" (diabetesDE)


diabetesDE - 10.06.2011

Chat-Protokoll zum Thema
"Gute Lebensqualität trotz und mit Diabetes"

Auszüge aus dem diabetesDE-Experten-Chat vom 9. Juni 2011
mit dem Experten: Dr. phil. Dipl.-Psych. Bernhard Kulzer


Protokoll der Sprechstunde

Karin fragt:

Seit ich vor einem Jahr an Diabetes erkrankt bin, bin ich total depressiv geworden. Es ist manchmal so schlimm, dass ich wirklich auf gar nichts Lust habe. Ich bin launisch geworden, stimmungslos und bin ständig müde, da ich meinen Diabetes in diesen Phasen total vernachlässige. Außerdem esse ich zum Teil viel mehr als vor meiner Erkrankung. Liegt das wirklich am Diabetes? Die Phase habe ich jetzt bereits seit einigen Monaten, geht sie irgendwann einmal vorüber?


Dr. Kulzer:

Sehr geehrte Karin,

das klingt nicht so gut! Wenn Sie festgestellt haben, dass Sie seit der Diagnose des Diabetes an einer Depression leiden, sollten Sie sich unbedingt professionell behandeln lassen und nicht darauf hoffen, dass diese Phase einfach wieder verschwindet. Dafür dauert sie schon zu lange (1 Jahr!). Besser wäre es, gemeinsam mit Ihrem Arzt oder einem Psychologen/Psychotherapeuten herauszufinden, was es Ihnen so schwer macht, den Diabetes in Ihr Leben zu integrieren. Eventuell kann auch eine medikamentöse Therapie gegen die Depression für Sie eine Hilfe darstellen, wieder klarer denken zu können und Ihnen wieder den nötigen Schwung verleihen, um sich mit der Erkrankung Diabetes auseinander setzen zu können. Mein Tipp daher: Sprechen Sie unbedingt mit Ihrem Arzt über Ihre psychische Befindlichkeit!
Ich wünsche Ihnen hierfür viel Kraft.

Mit herzlichem Gruss
Bernd Kulzer


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Tom fragt:

Ich möchte gerne Sport treiben, da ich stark übergewichtig bin, traue mich aber als Diabetiker nicht, da die Blutzuckerschwankungen zu groß sind und ich Angst habe, nicht ordentlich gegenregulieren zu können. Es ist ein Teufelskreis. Ich fühle mich gar nicht wohl in meiner Haut, habe aber auch Angst. Was können Sie mir empfehlen?


Dr. Kulzer:

Sehr geehrter Tom,

danke für Ihre Frage. Ich weiß nicht, ob Sie Typ-2 oder Typ-1 Diabetiker sind, aber Sport ist für alle Menschen mit Diabetes empfehlenswert. Denn Sport gehört für viele Menschen zum Leben einfach dazu und ist mit Diabetes gut vereinbar. Bei Typ-2-Diabetes ist Sport ein gutes Mittel, um die Insulinresistenz - das eigentliche Grundproblem des Typ-2-Diabetes - zu reduzieren. Zudem hilft Bewegung beim Abnehmen und das ist auch gut für die Blutzuckereinstellung. Bei Typ-1-Diabetes ist Sport aber auch gut möglich. Es gibt genügend Spitzensportler und Olympiasieger mit Typ-1-Diabetes, die das bewiesen haben. Voraussetzung dafür ist eine gute Schulung, damit Sie wissen, was Sie gegen große Blutzuckerschwankungen tun können (z.B. Insulinreduktion, zusätzliche "Sport-BE"). Mein Tipp an Sie daher: Besuchen Sie eine Schulung, um mehr Sicherheit bei dem "Sporteln" zu erlangen. Sport gehört auch zu einer guten Lebensqualität und daher sollten Sie nicht auf Sport verzichten, sondern sich genau informieren, wie Sie den Sport mit einer guten Diabeteseinstellung verbinden können.

Herzliche Grüße
Bernd Kulzer


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Hermann fragt:

Betreff: Spontanität

Sehr geehrtes Redaktionsteam!

Was ich (43 Jahre) besonders nach meiner Diabetes (Typ 1) Erkrankung im Jahr 2005 vermisse ist die Spontanität Sport auszuüben. Früher konnte ich mich nach einer stressigen Arbeit umziehen und 3 - 4 Stunden radfahren oder laufen gehen. Heute muss ich vorher Blutzucker messen, ist dieser zu niedrig kann ich nicht gleich losfahren sondern MUSS warten und MUSS was essen. Wärendessen schwindet die Lust Sport zu betreiben. Wenn ich doch mit viel Kohlenhydrate eine Tour fahre macht sich meine Frau sorgen, dass ich nachts einen Hypo bekomme. Mein Arzt hat mich sehr gut eingestellt, auch wenn mein Körper manchmal einen Strich durch die Rechnung macht (Hypo trotz ausreichender Kohlenhydratzufuhr, Blutzucker der den ganzen Tag nicht gehoben werden kann oder umgekehrt: der Blutzucker sinkt nicht). Durch Diabetes komme ich leider nicht mehr an die Leistungen von vor 5 Jahren heran und das finde ich sehr traurig.

Hermann


Dr. Kulzer:

Lieber Hermann,

Sie beklagen zurecht etwas, was sehr viele Menschen mit Diabetes stört: Das ständie MUSS und die Notwendigkeit, sich ständig Gedanken um den Blutzucker und die Diabetesbehandlung zu machen. Dies ist leider nicht zu verändern - vor allem wenn Sie sehr flexibel leben möchten und sehr viel Sport betreiben. Was Sie verändern können, ist allerdings die Routine, mit der Sie Ihre Therapie durchführen und Ihre Einstellung dazu. Gerade wenn Sie viel Sport treiben, macht es Sinn, sich mit anderen Diabetikern, die auch Sport treiben, auszutauschen, um nützliche Tipps im Umgang mit dem Diabetes bei Sport zu bekommen. Es gibt auch einige Bücher zu diesem Thema, welche für Sie vielleicht hilfreich sein könnten: Turm et al., Diabetes- und Sportfibel: Mit Diabetes weiter laufen [2009] Kirchheim-Verlag Mainz oder "Du kannst es! Diabetes und Leistungssport" von Detlev Kraft, ebenfalls im Kirchheim-Verlag. Mit der richtigen Herangehensweise, müssen Ihre Sportergebnisse nicht unbedingt schlechter sein als vor 5 Jahre sein (das Alter lassen wir lieber einmal außen vor ...) - es gibt genügend Leistungsportler, die trotz Diabetes sportliche Höchstleistungen erbringen (z.B. der aktuelle Olympiasieger im Gewichtheben Mathias Steiner). Vielleicht können Sie Ihre Einstellung zum Diabetes noch verbessern? Denn es kommt sicherlich auch auf Ihre innere Einstellung gegenüber den Einschränkungen des Diabetes an. Wenn Sie sich schon lustlos auf Ihr Fahrrad setzen und wissen, dass sich Ihre Frau große Sorgen um Sie macht, ist dies natürlich keine optimale Bedingung für Höchstleistungen. Für gute Leistungen braucht es auch eine entsprechende gute innere Einstellung gegenüber dem Diabetes. Können Sie hier vielleicht noch etwas verbessern?

Herzlicher Gruß
Bernd Kulzer


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Maren S. fragt:

Nehmen die Wechseljahre Einfluss auf die Blutzuckerwerte? Kann es zu psychischen Störungen oder zu anderen Veränderungen kommen?


Dr. Kulzer:

Sehr geehrte Frau S.,

ja, die Wechseljahre haben sowohl einen Einfluss auf die Blutzuckereinstellung, als auch auf die Psyche. Bei den Wechseljahren kommt es zu hormonellen Veränderungen im Körper, die vor allem auf die verminderte Produktion der Hormone Östrogen und Progesteron zurückzuführen sind. Dies führt zu den typischen Begleiterscheinungen der Wechseljahre wie Hitzewallungen, Schweissausbrüche aber auch Stimmungsschwankungen und depressiven Phasen. Diese hormonelle Umstellung hat auch Auswirkungen auf den Diabetes, da auch die Wirkung des Hormons Insulin davon betroffen ist. Die Folge davon kann sein, dass das Insulin schlechter wirkt (schlechtere Glukosetoleranz, steigender Insulinspiegel). In den Wechseljahren verändert sich auch oft das Hunger- und Sättigungsgefühl, was nicht selten auch zu einer Gewichtszunahme führt. Normalerweise verschwinden diese Anzeichen nach den Wechseljahren wieder und auch die Stimmung wird wieder ausgeglichener. Wenn Sie diese Begleiterscheinungen der Wechseljahre allerdings sehr belasten, sollten Sie dringend mit Ihrem Arzt, der Ihren Diabetes behandelt oder Ihrem Frauenarzt sprechen. Eventuell kann eine vorübergehende Hormonersatztherapie mit einem Hormonpflaster für Sie eine gute Lösung darstellen. Wenn Ihre Stimmung über eine längere Zeit sehr negativ ist, könnte eventuell auch vorübergehend eine antidepressive Therapie (Medikamente oder psychotherapeutische Gespräche) für Sie hilfreich sein.

Herzliche Grüße
Bernd Kulzer




zum kompletten Chat-Protokoll:
http://tinyurl.com/42ro6vw

Der Diabetes-Chat steht allen Internet-Nutzern kostenfrei auf www.diabetesde.org zur Verfügung.
Protokolle der letzten Sprechstunden können Sie abrufen unter:
www.diabetesde.org/experten_chat

Eine weitere wichtige Anlaufstelle ist das Diabetes Gesundheitstelefon.
Unter der Nummer 0180 250 5205 (6 Cent/Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 42 Cent/Minute) stehen täglich 24 Stunden Experten bereit.


diabetesDE ist eine gemeinnützige Organisation, die alle Menschen mit Diabetes und alle Berufsgruppen wie Ärzte, Diabetesberater und Forscher vereint, um sich für eine bessere Prävention, Versorgung und Forschung im Kampf gegen Diabetes einzusetzen. An oberster Stelle steht die Interessenvertretung für die Menschen, die von dieser Volkskrankheit betroffen sind, die sich in großem Tempo in vielen Ländern der Erde, so auch in Deutschland ausbreitet. Gegründet wurde diabetesDE von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und dem Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD).


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Quelle:
diabetesDE, Pressestelle
diabetesDE-Experten-Chat vom 9. Juni 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2011