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INFEKTION/1083: Reisemedizin - Kala-Azar nach Mittelmeerurlaub (Thieme)


Thieme Verlag / FZMedNews - Mittwoch, 10. Juni 2009

Reisemedizin: Kala-Azar nach Mittelmeerurlaub


fzm - Der indische Name der Erkrankung täuscht. Eine Kala-Azar, eine Variante der "Orientbeule" mit Befall innerer Organe, können sich Reisende auch bei einem Kurzurlaub am Mittelmeer zuziehen. Die medizinische Diagnose ist schwierig, weshalb Experten in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009) von einer gewissen Dunkelziffer ausgehen.

Die beiden Patienten, ein 22 Monate alter Junge und eine 71-jährige Frau, hatten sich in Griechenland beziehungsweise in Norditalien infiziert. Beide Urlaubsregionen werden in der Regel nicht mit Leishmanien in Verbindung gebracht, den Erregern der Leishmaniose - auch Kala-Azar genannt. Es handelt sich um Einzeller, die durch Stiche der Sand- oder Schmetterlingsmücke übertragen werden. Einige Leishmanien lösen dann eine unverkennbare Hauterkrankung aus, die als Orientbeule bezeichnet wird. Andere Leishmanien befallen nur innere Organe. Es kommt zu Fieber, einer Vergrößerung von Leber und Milz sowie zu Blutveränderungen wie etwa einem Mangel an roten und weißen Blutzellen und an Blutplättchen.

Die Krankheitszeichen sind sehr vieldeutig und werden auch bei einer Reihe anderer Erkrankungen beobachtet. Dr. Michael Seilmaier vom Klinikum Schwabing vermutete bei seiner Patientin, einer schwer erkrankten 71-jährigen Rentnerin, zunächst einen Rückfall eines Krebsleidens oder eine Bluterkrankung. Erst die Entnahme einer Gewebeprobe aus dem Knochenmark erbrachte die Diagnose. Unter dem Mikroskop erkannten die Mediziner die Parasiten, die sich in den Fresszellen des Immunsystems - den sogenannten Makrophagen - vermehren. Befallen sind auch Makrophagen in Leber und Milz.

Eine Diagnose ist heute auch durch eine Untersuchung mit einer Gensonde, der Polymerasekettenreaktion-Diagnostik (PCR), möglich. Sie weist einzelne Gene des Erregers nach und kann zwischen den verschiedenen Leishmaniosen unterscheiden. Mit Hilfe der PCR wurde die Diagnose bei dem zweiten Patienten gestellt, dem erst 22 Monate alten Jungen, über den Dr. Manuel Schmid von der Uniklinik Freiburg und Kollegen in der DMW berichten. Das Kind hatte seit mehreren Wochen unter wechselndem Fieber gelitten. Milz und Leber waren auch bei ihm vergrößert und bei der Untersuchung tastbar. Die Blutzellen waren vermindert.

Wie viele Menschen sich im Urlaub infizieren, ist unbekannt, da es in Deutschland keine Meldepflicht gibt. Zwischen 2002 bis 2004 wurden nur insgesamt 42 Erkrankungen bekannt, berichtet Dr. Seilmaier, der eine Dunkelziffer vermutet: Bis zur 80 Erkrankungen pro Jahr seien denkbar. Unbehandelt ende eine Kala-Azar in neun von zehn Fällen tödlich, warnt Dr. Seilmaier. Bei einer richtigen Behandlung kommt es meist nach wenigen Wochen zur Ausheilung.

Nicht alle Menschen, die von infizierten Mücken gestochen werden, erkranken. Besonders gefährdet sind Menschen mit einer Immunschwäche. Dr. Seilmaier: Etwa 70 Prozent der Kala-Azar-Patienten in Europa sind HIV-positiv, und in Südwesteuropa leiden bis zu neun Prozent aller HIV-Patienten an der ansonsten seltenen Erkrankung.

Wie die beiden Erkrankungsfälle zeigen, sind auch nicht HIV-infizierte Urlauber gefährdet. Verdächtig sind längere fiebrige Erkrankungen, vor allem wenn der Arzt eine Vergrößerung von Leber und Milz und eine Verminderung der Blutzellen feststellt. Einzig sichtbares Zeichen kann eine dunkle Verfärbung der Haut sein, ausgelöst durch einen Befall der Makrophagen in der Haut. Daher stammt der Beinamen der Erkrankung: Kala-Azar bedeutet aus dem Hindi übersetzt schwarzes Fieber.


M. Seilmaier et al.:
Panzytopenie, Hepatosplenomegalie und Reizhusten nach Mamma-Karzinom.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (24): S. 1269-1273

M. B. Schmid et al.:
Panzytopenie, Fieber und Splenomegalie bei 2-jährigem Jungen.
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2009; 134 (24): S. 1274-1277


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Quelle:
FZMedNews - Mittwoch, 10. Juni 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juni 2009