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MELDUNG/342: Ärzte ohne Grenzen protestiert gegen Gileads Pläne zu teurem Hepatitis C-Medikament Sovaldi (ÄoG)


Ärzte ohne Grenzen - 19. März 2015

Ärzte ohne Grenzen protestiert gegen Gileads Pläne zu teurem Hepatitis C-Medikament Sovaldi

Zugangsbeschränkungen und minutiöse Überwachung werfen ernste ethische Probleme auf


Am kommenden Donnerstag (26. März) wird in Jaipur/Indien ein Treffen des US-Pharmaunternehmens Gilead Sciences mit indischen Generika-Herstellern stattfinden, die eine Lizenzierungsvereinbarung mit Gilead geschlossen haben. Gegenstand des Treffens ist ein höchst umstrittenes Programm von Gilead, das festlegt, an welche Patienten und unter welchen Konditionen in Entwicklungsländern Generika-Versionen des wichtigen, aber exorbitant teuren Hepatitis C-Medikaments Sofosbuvir (Sovaldi) abgegeben werden dürfen, auf das Gilead das Patent hält.

Ärzte ohne Grenzen fordert die Generika-Hersteller dringend auf, das Gilead-Programm zurückzuweisen. Das Programm könnte zu einem verhängnisvollen Präzedenzfall werden. Aus Sicht von Ärzte ohne Grenzen ist das "anti-diversion"-Programm (etwa: Programm zur Verhinderung der unkontrollierten Weiterverbreitung des Medikaments) einzig darauf ausgerichtet, Gileads kommerzielle Interessen zu wahren. Das Programm verlangt von den Vertragspartnern, ein ganzes Regelwerk potentiell sehr schädlicher Bestimmungen und Prozeduren für jeden einzelnen Patienten einzuhalten. Zugang zu Sofosbuvir soll nach Informationen von Ärzte ohne Grenzen lediglich auf der Grundlage einer namentlichen Nennung jedes einzelnen Patienten gewährt werden. Identität, Staatsbürgerschaft und Wohnort müssen eindeutig nachgewiesen werden. Der Verbleib jeder einzelnen Tablettenpackung wird durch einen per Smartphone einlesbaren QR-Code eindeutig nachverfolgbar sein. Gilead hätte jederzeit Zugang zu allen diesen Tracking-Daten und darf sie ohne Einschränkung nutzen. Jeder Patient muss vor dem ersten Bezug des Medikaments eine Vereinbarung unterschreiben, nach der jede leere Tablettenpackung zurückgeschickt wird, bevor er die nächste erhält. Die Tabletten werden Packung für Packung ausgegeben. Der Name des Patienten wird vor der Übergabe in den QR-Code auf der Tablettenpackung integriert.

Ärzte ohne Grenzen sieht in diesen Plänen ernste ethische Probleme: Das Programm verletzt die Patientenvertraulichkeit und -autonomie und greift in das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient ein. Ganze Bevölkerungsgruppen - etwa Flüchtlinge ohne offiziellen Status - könnten dadurch vom Zugang zu dem Medikament ausgeschlossen werden.

"So etwas wie dieses Gilead-Programm ist uns noch nie begegnet. Ein Unternehmen kann nach diesen Plänen die Patientenvertraulichkeit verletzen und potentiell das Behandlungsergebnis beeinflussen, um seine Gewinne zu schützen", erklärt Manica Balasegaram, Leiter der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen. "Gilead zwingt medizinische Dienstleister zu Überwachungsmaßnahmen, die zu gefährlichen Behandlungsunterbrechungen führen können. Wir fordern die indischen Unternehmen dringend auf, die Einführung dieses hochkontroversen Programms zu verweigern. Menschen, die verzweifelt auf diese Behandlung hoffen, müssen Zugang zu ihr bekommen, ohne ein inakzeptables Regelwerk einhalten und ihre Privatsphäre verletzen lassen zu müssen."

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2015

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