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FORSCHUNG/592: Neue Strategien gegen Superkeime (Spektrum der Wissenschaft)


Spektrum der Wissenschaft 4/10 - April 2010

Antibiotika
Neue Strategien gegen Superkeime

Von Christopher T. Walsh und Michael A. Fischbach


Krank machende Bakterien entwickeln zunehmend Resistenzen gegen gebräuchliche Antibiotika, oft sogar gegen mehrere zugleich. Nur innovative Forschung kann der Medizin den dringend benötigten Waffennachschub verschaffen.


In Kürze
Gefährliche Bakterien entwickeln derzeit schneller Resistenzen gegen verfügbare Antibiotika, als der Mensch neue Wirkstoffe entdecken oder gestalten kann.

Zu den innovativen Strategien, um schneller zu neuen Antibiotika zu gelangen, gehört das Durchforsten exotischer ökologischer Nischen und der Genome von Mikroorganismen.

Neue Substanzen, die zielgenau gegen einzelne pathogene Organismen wirken oder ihnen das Handwerk legen, ohne sie abzutöten, könnten den Teufelskreis der Resistenzentwicklung durchbrechen.

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»Superkeim schlägt in der Stadt zu.« So lautete eine Schlagzeile der »New York Post« vom 26. Oktober 2007. Zwölf Tage zuvor war Omar Riveira aus Brooklyn an einer schweren Infektion gestorben: Der Zwölfjährige hatte sich beim Basketball eine Wunde zugezogen, über die ein methicillinresistenter Stamm von Staphylococcus aureus eindrang. Diese Form des Bakteriums, unter dem Kürzel MRSA bekannt, ist resistent gegen eine der derzeit wirksamsten Klassen von Antibiotika.

Um dieselbe Zeit war die Studie eines großen Forscherteams erschienen, wonach MRSA allein in den USA jährlich schätzungsweise 19.000 Todesfälle verursacht - mehr als das Aidsvirus HIV (in Deutschland, wo andere Stämme kursieren, sind es schätzungsweise 500 bis 2000, meist infolge einer »Blutvergiftung«). Im Fall einer ernsten Infektion starben rund 20 Prozent der Betroffenen und - was noch brisanter ist - darunter zunehmend junge Menschen, die sich den Superkeim bei Alltagsaktivitäten zugezogen hatten.

Früher beschränkte sich das MRSA-Problem auf Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, wo viele Patienten abwehrgeschwächt und daher anfälliger sind. Selbst wenn MRSA-Infektionen nicht tödlich verlaufen, verursachen sie hohe Kosten: Wer sich als Patient im Krankenhaus eine zuzieht, muss im Durchschnitt zehn Tage länger stationär behandelt werden. In den USA verschlingt die stationäre Behandlung aller MRSA-Patienten jährlich immerhin drei bis vier Milliarden Dollar. Dabei sind Staphylokokken nicht die einzigen Keime, die sich zunehmend schwieriger bekämpfen lassen. Die moderne Medizin verliert mehr und mehr Boden im Kampf gegen bakterielle Krankheitserreger, die bereits als besiegt galten. Um das Blatt zu wenden, bedarf es dringend innovativer Ansätze zur Entdeckung und Entwicklung weiterer Antibiotika.

Die Geschichte von MRSA illustriert beispielhaft, wie schnell Resistenzen gegen vorhandene Medikamente entstehen können. Die natürlichen Mechanismen, die bei Staphylokokken und anderen Bakterien dahinter stehen, führen praktisch zwangsläufig dazu - und machen einen konstanten Nachschub an neuen Antibiotika notwendig.

Methicillin, ein Abkömmling des bekannten Penizillins, war einst selbst eine neue Waffe: Es wurde 1959 zur Bekämpfung von Bakterienstämmen eingeführt, die gegen Penizillin unempfindlich geworden waren - darunter solche von Staphylococcus aureus und Streptococcus pneumoniae. Doch schon zwei Jahre später traten in europäischen Kliniken die ersten methicillinresistenten Stämme von S. aureus auf, und in den 1980er Jahren machte MRSA sich bereits in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtun gen der ganzen Welt breit. Mitte der 1990er Jahre kamen dann MRSA-Infektionen hinzu, die im Alltag - außerhalb solcher Einrichtungen - erworben wurden.

Die Behandlung ist schwierig. Ein Grund: Kommt es nicht bloß zu einer lokalen, sondern zu einer so genannten Blutbahninfektion, so können sich die Erreger rasch im gesamten Körper ausbreiten (in Deutschland sterben dann rund 30 Prozent der Betroffenen). Ihre übelste Eigenschaft ist jedoch ihre Resistenz gegen die gesamte Klasse der Beta-Lactam-Antibiotika - eine der wichtigsten Antibiotikaklassen, die unter anderem Cephalosporine und alle Abkömmlinge des Penizillins umfasst. Die Erreger produzieren ein Enzym, das BetaLactame spaltet und inaktiviert. Die resultierende Resistenz schränkt das medizinische Arsenal gegen MRSA auf ein kleines Sortiment noch greifender Antibiotika ein, keines davon ohne schwere Nebenwirkungen. Teilweise versagen auch diese. Selbst gegen Vancomycin - das noch effektivste - sind bereits einige unempfindliche MRSA-Stämme aufgetaucht.

Es ist das Schicksal eines jeden neuen Antibiotikums, dass ab dem Moment der ersten therapeutischen Anwendung seine Uhr tickt, seine noch nutzbare Zeit wegen drohender Resistenzbildung schmilzt. Schuld daran ist die natürliche Selektion: In Gegenwart eines Antibiotikums bekommen zufällig resistente Stämme gegenüber allen empfindlichen Konkurrenten plötzlich einen Überlebensvorteil und vermehren sich besser.

Vancomycin wurde 1958 in den USA zuge lassen und seit dem Auftreten methicillin resistenter Staphylokokken zum wichtigsten Reserveantibiotikum. 2002 jedoch tauchten in Krankenhäusern die ersten zugleich vancomycinresistenten Stämme von Staphylococcus aureus (VRSA) auf: Abkömmlinge von MRSA, die ein Paket mit fünf Resistenzgenen - als so genannte Genkassette - erworben hatten. Die Gene darin kodieren für spezielle Enzyme, die in der VRSA-Zellwand dafür sorgen, dass diese an Stelle der sonst von Vancomycin angreifbaren Zielstruktur eine andere enthält. Die einstige »letzte Reserve« versagt hier.


Handel mit Resistenzgenen

Das Angriffsziel eines Antibiotikums gegen eine Ersatzstruktur auszuwechseln, ist nur eine von drei Hauptstrategien, wie Bakterien ihr Problem umgehen (siehe Kasten S. 49 oben). Eine weitere Möglichkeit stellen Enzyme dar, die den Wirkstoff spalten oder chemisch so verändern, dass er unwirksam wird (wie im Fall der Beta-Lactam-Resistenz von MRSA). Eine dritte Option sind molekulare Pumpen, die das Bakterium in seiner Zellmembran installiert. Sie befördern eingedrungene Antibiotikamoleküle unverzüglich aus dem Zellinnern heraus und halten damit die Wirkstoffkonzentration in der Zelle so niedrig, dass das Bakterium in Gegenwart des Antibiotikums überleben kann.


WIRKMECHANISMEN ÜBLICHER ANTIBIOTIKA ...

Typische gebräuchliche Antibiotika sollen bakterielle Erreger abtöten, indem sie darin wesentliche lebenswichtige Funktionen beeinträchtigen. Bakterien verfügen jedoch über Mittel und Wege, Antibiotika zu inaktivieren oder nicht zum Zuge kommen zu lassen.

ANGRIFFSWEISE
Gängige Antibiotika beeinträchtigen wichtige Funktionen der Bakterienzelle, darunter das Wachstum der Zellwand, die Produktion von Proteinen und das Entwinden der DNA beim Kopieren. Erläutert sind hier Wirkmechanismen verschiedener Antibiotikaklassen (mit Substanzbeispielen).


... UND WIE BAKTERIEN ZURÜCKSCHLAGEN

Resistenzformen
Durch Zufallsmutationen oder die Aufnahme von Genen anderer Mikroorganismen können Bakterien widerstandsfähig gegen heutige Antibiotika werden. Die drei häufigsten Resistenzmechanismen: Enzyme, die Antibiotika spalten oder inaktivieren; molekulare Pumpen in der Zellwand, die das Medikament ausschleusen, bevor es wirken kann; Ersatz der bakteriellen Zielstruktur des Antibiotikums durch eine nicht mehr von ihm erkennbare Variante. In der oberen Reihe sind diese Mechanismen dargestellt, darunter Beispiele für Krankheitserreger, die sie nutzen.

(Abbildungen der Originalpublikation wurden im Schattenblick nicht übernommen.)


Woher aber stammen die dafür kodierenden Resistenzgene? Einige entstehen durch zufällige Mutationen im bakterieneigenen Erbgut. Beispielsweise ist das Gen für das Zielenzym von Ciprofloxacin und anderen Fluorchinolon-Antibiotika bei der widerstandsfähigen Form verändert. Resistenzgene können auch von anderen Bakterien übernommen werden. So stammt die Genkassette, welche die Vancomycinresistenz vermittelt, ursprünglich aus einem Bakterium, das dieses Antibiotikum zur Abwehr anderer Mikroben produziert. Es benötigt diese Gene, um sich vor seinen eigenen chemischen Waffen zu schützen. Stämme anderer Arten erwarben diesen Abwehrmechanismus vermutlich über den beständigen Genaustausch unter Bakterien, der als horizontaler Gentransfer bezeichnet wird.

Als Transfervehikel benutzen Bakterien oft Plasmide. Das sind ringförmige DNA-Moleküle, die sich wie radikal abgespeckte Viren verhalten: Plasmide sorgen für ihre eigene Übertragung von einem Wirtsbakterium zum anderen, das sie wie eigene DNA behandelt und mit vervielfältigt. Zur besseren Verbreitung enthalten Plasmide zugleich Gene, die das Überleben ihrer Wirte begünstigen, darunter solche für Antibiotikaresistenz. In Klärwerkbakterien stießen Forscher sogar auf ein Plasmid mit neun verschiedenen Antibiotika-Resistenzgenen.

Ein frischer horizontaler Gentransfer offenbarte sich 2002 an einem Klinikum in Michigan bei einem Dialysepatienten: Im Körper wurden MRSA, VRSA und ein drittes Bakterium, Enterococcus faecalis, nachgewiesen. Die genetische Analyse der aus dem Betroffenen isolierten Bakterienstämme ergab, dass ein Plasmid mit der Vancomycinresistenz-Kassette (nebst weiteren Resistenzgenen für drei andere Antibiotika und eine Klasse von Desinfektionsmitteln) von E. faecalis auf MRSA übergegangen war und so einen neuen VRSA-Stamm erzeugt hatte.

Dass ein chronisch kranker Patient sich mit zwei verschiedenen pathogenen Bakterien gleichzeitig infiziert hatte, die dann einen dritten Problemkeim hervorbrachten, kann den Fachmann leider nicht überraschen. Patienten auf Intensivstationen und in Pflegeeinrichtungen sind eben oft abwehrgeschwächt und werden intensiv mit Antibiotika behandelt. Sie sind daher die wichtigste Quelle für neue antibiotikaresistente Bakterien. Pflegepersonal und Ärzte fördern unbeabsichtigt den Austausch von Bakterien, wenn sie von Patient zu Patient gehen, etwa um intravenöse Zugänge und Katheter zu wechseln. Wird das Krankenhauspersonal dazu angehalten, konsequent vor und nach jedem Patientenkontakt die Hände zu desinfizieren, sinkt die Infektionsrate deutlich.

VRSA-Stämme, die sich bisher glücklicherweise noch nicht weit ausgebreitet haben, sprechen nur auf sehr wenige klinisch eingesetzte Antibiotika an. Eine Infektion verläuft häufig tödlich. Eine ganze Gruppe neuerer Problemkeime mit noch gefährlicheren Resistenzeigenschaften stellen die so genannten panresistenten gramnegativen Bakterien dar. Gramnegative besitzen über ihrer Zellwand praktisch eine zweite, äußere Zellmembran, die viele Antibiotika am Eindringen in die Zelle hindert. Manche Formen gramnegativer Erreger sind gegen fast alle klinisch eingesetzten Antibiotika resistent. Hierzu zählen Stämme von Escherichia coli, die Lebensmittelvergiftungen hervorrufen, sowie Stämme des verwandten Bakteriums Klebsiella pneumoniae und zweier opportunistischer Erreger, Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter baumannii. Letztere können bei immungeschwächten Krankenhauspatienten Lungenentzündungen, Hirnhautentzündungen und Blutbahninfektionen hervorrufen.

Natürlich müssen die Verantwortlichen im Gesundheitssystem alles daransetzen, um der Ausbreitung resistenter Bakterien - und damit der Resistenzgene - in und außerhalb von Hospitälern vorzubeugen. Doch zugleich benötigt man als ergänzende Maßnahme neue Antibiotika, um bereits resistent gewordene Bakterien zu bekämpfen.

Die Spanne von den späten 1930er bis in die frühen 1960er Jahre gilt als das goldene Zeitalter der Antibiotikaentdeckung. In ihr wurden fast alle wichtigen Klassen gegenwärtig genutzter Antibiotika eingeführt (siehe Kasten rechts). Zwischen der Einführung der Chinolone 1962 als damals letzter Gruppe und der Zulassung des ersten Oxazolidinons im Jahr 2000 als dann neue Klasse klafft leider eine Innovationslücke von vier Jahrzehnten. Zum einen fehlten Anreize für die Pharmaindustrie, in die Antibiotikaforschung zu investieren - was teilweise an dem hohen Aufwand bei vergleichsweise nur geringem Profit gegenüber Medikamenten lag, die nicht kurz-, sondern langfristig eingenommen werden müssen wie etwa bei Bluthochdruck oder Arthritis. Zum anderen waren die Verfahren, mit denen die gängigen Antibiotika noch entdeckt wurden, inzwischen veraltet. Um neue Substanzen zu finden, bedarf es somit innovativer Forschungsstrategien.


Meilensteine der Antibiotikageschichte

Auffällig bei der Einführung neuer Antibiotikaklassen ist eine 40-jährige Lücke ab 1962. Selbst die in den letzten zehn Jahren eingeführten Klassen wurden schon vor Jahrzehnten entdeckt, damals aber nicht weiterverfolgt.

Jahr
neu eingeführte Antibiotikaklassen
1940

1950

1960

1962
bis 1999
2000

2010
Sulfonamide
Beta-Lactame
Chloramphenicol
Tetracycline
Aminoglykoside
Makrolide
Glykopeptide

Chinolone
Streptogramine

Innovationslücke

Oxazolidinone
Lipopeptide
Mutiline


Die meisten der verfügbaren Antibiotika werden von Bakterien oder Pilzen erzeugt oder sind chemisch veränderte Derivate dieser natürlichen Wirkstoffe. Unter Mikroorganismen dienen eigene Antibiotika als chemische Waffe und in geringeren Konzentrationen möglicherweise auch als Signalmoleküle. Forscher fahndeten üblicherweise nach solchen natürlichen Antibiotika, indem sie - oft aus Bodenproben - zunächst Mikroorganismen isolierten, sie im Labor kultivierten und die freigesetzten Stoffe aus der Kulturflüssigkeit extrahierten. Diese Substanzen wurden dann an Krankheitserregern getestet, um Moleküle mit möglichem therapeutischem Nutzen zu finden. Auf diese Weise prüften die Pharma unternehmen Millionen bakterieller Extrakte, und dennoch sind heute nur ungefähr zehn Klassen natürlicher Antibiotika auf dem Markt. Zwar wurden zahlreiche weitere entdeckt, aber aus den unterschiedlichsten Gründen, wie etwa geringe antibakterielle Aktivität oder starke Nebenwirkungen, nicht in größerem Umfang angewendet.

Diese Vorgehensweise brachte im goldenen Zeitalter der Antibiotikaentdeckung gute Ernte, doch inzwischen hängen die übrigen Trauben höher. Trotz weiterer Bemühungen der Pharmaunternehmen wurde in den letzten fünf Jahrzehnten weniger gefunden. Ein frustrierender Grund hierfür: Man stößt bei der Suche immer wieder auf Altbekanntes. Die meisten Mikroorganismen, die Antibiotika produzieren, bilden Sporen. Diese kompakten Dauerformen der Mikroben verteilen sich mit der Zeit in der ganzen Welt, und da sich die Gene zur Antibiotikaproduktion genau wie Resistenzgene über horizontalen Gentransfer weiterverbreiten können, produzieren dann viele verschiedene Mikroben das gleiche Antibiotikum. Nach einer neueren Schätzung erzeugt beispielsweise ungefähr einer von 250 Actinomycetenstämmen das Antibiotikum Tetracyclin. Die Bakteriengruppe der Actino myceten stellt die am häufigsten durchforstete Ordnung von Antibiotikaproduzenten dar. Aus der hohen Fundrate von Altbekanntem schlossen manche Forschergruppen, die »Mutterader« für Antibiotika sei erschöpft. Doch lassen neuere Erbgutanalysen an Bakterien daran zweifeln - vielmehr sind andere Erschließungsmethoden gefragt.

Technischer Fortschritt belebt oft ein altes Forschungsfeld wieder - und auch die Antibiotikaentwicklung scheint davorzustehen. Gegenwärtige Strategien zielen auf die Modifikation existierender oder die Entdeckung ganz neuartiger Substanzen. Der erste Ansatz - die chemische Veränderung natürlicher Antibiotika - führt zu halb synthetischen Produkten, mit abgewandelter Struktur, aber unverändertem »Gefechtskopf«. Bei einem jüngeren Beispiel hierfür dienten Antibiotika aus der Klasse der Tetracycline als Ausgangspunkt. Diese Wirkstoffgruppe legt die Proteinfabriken der Bakterienzelle lahm. Resistenz gegen Tetracycline beruht meist auf einer Pumpe in der bakteriellen Zellmembran, die das Medikament aus der Zelle befördert, bevor es seine Wirkung entfalten kann. Der Trick macht panresistente gramnegative Keime zu einem ernsten Problem.

Ein chemisch verändertes Tetracyclin, das Bakterien nicht mehr hinauspumpen können, erhielt 2005 in den USA die Zulassung. Wissenschaftler des Pharmaunternehmens Wyeth, nun Teil von Pfizer, hatten es entwickelt und Tigecyclin getauft. Eingesetzt wird es gegen eine Vielzahl tetracyclinresistenter Keime, allerdings praktisch ausschließlich in Krankenhäusern, da es intravenös verabreicht werden muss. Eine erste Resistenz dagegen zeigte sich aber leider bereits bei Stämmen von Acinetobacter baumannii. Bleibt nun abzuwarten, wie schnell sich diese Widerstandsfähigkeit verbreitet.

Statt natürliche Antibiotika wie Penizillin, Vancomycin oder Erythromycin auf chemischem Weg zu optimieren, können Forscher auch die Mikroorganismen genetisch manipulieren, die sie erzeugen (siehe Kasten links). Die meisten natürlichen Produzenten solcher Wirkstoffe bedienen sich ganzer Fabrikationstraßen von Enzymen, die modular zusammenarbeiten. Jedes Modul katalysiert einen Schritt bei der Synthese eines Antibiotikummoleküls. Durch Änderungen am Erbgut lassen sich Enzymmodule so modifizieren, dass der Mikroorganismus nun einen Wirkstoff herstellt, der an einer gewählten Stelle in einem einzelnen Baustein vom Original abweicht. Kosan, ein Biotechnologieunternehmen, das kürzlich von dem Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb übernommen wurde, nutzte dieses gentechnische Verfahren, um dutzende Derivate des Antibiotikums Erythromycin herzustellen. Mit herkömmlichen chemischen Verfahren wäre das schwierig gewesen.


GENSUCHE FÜR NEUE ANTIBIOTIKA

Die meisten gebräuchlichen antibiotischen Wirkstoffe werden von Bakterien produziert, als eine Art chemische Waffe gegen Konkurrenten. Mittels Genomforschung und Gentechnik lassen sich weitere dieser natürlichen Waffen entdecken oder zur besseren Nutzung modifizieren.

GENIDENTIFIKATION
Bakterien produzieren bestimmte natürliche Antibiotika an »Montagebändern« aus Gruppen modular organisierter Enzyme, die jeweils einen bestimmten Syntheseschritt durchführen. Die zugehörigen Gene sind seriell angeordnet. Wissenschaftler können inzwischen Genome vieler verschiedener Bakterien nach Gensortimenten durchforsten, mit denen sich möglicherweise noch unbekannte Antibiotika herstellen ließen. Da nicht alle solche Gencluster in der Zelle auch aktiv sind, stellt die Suche im Genom die einzige Möglichkeit dar, diese »kryptischen« Antibiotika zu finden.

GENTRANSFER
Wenn mögliche Enzyme für ein neu entdecktes natürliches Antibiotikum im ursprünglichen Produzenten nicht oder nur unzureichend hergestellt werden (weil die Gene praktisch stumm sind), können Wissenschaftler den gesamten Gensatz, der die notwendigen Informationen enthält, in einen produktiveren Mikrorganismus transferieren.

GENMODIFIKATION
Resistenzen bei zu attackierenden Bakterien lassen sich unter Umständen mit modifizierten antibiotischen Wirkstoffen überwinden. Dazu kann man beispielsweise den mikrobiellen Produzenten genetisch so verändern, dass er neue Enzymmodule nutzt. In einer Versuchsreihe haben Forscher Gene für die Erythromycin-Synthese neu zusammengestellt und so schließlich 50 Varianten des Grundgerüsts von Erythromycin erzeugt, als mögliche Basis für neue Versionen des Antibiotikums.

(Abbildungen der Originalpublikation wurden im Schattenblick nicht übernommen.)


Goldmine Genom

Wenn auch die Modifikation bereits existierender Substanzen ein fruchtbarer Weg ist - wünschenswerter wäre die Entdeckung komplett neuer Antibiotikaklassen. Solche Wirkstoffe hätten vermutlich nicht so schnell mit Resistenzen zu kämpfen wie Weiterentwicklungen bereits eingesetzter Substanzklassen.

Ein zentrales Forschungsziel der letzten Jahre war die Identifikation von Enzymen, die Bakterien zum Überleben benötigen - in der Hoffnung, in chemischen Substanzbibliotheken Kandidaten zu finden, die diese essenziellen Biokatalysatoren blockieren und sich zu Medikamenten weiterentwickeln lassen. Im allerersten Schritt gilt es herauszufinden, was geschieht, wenn das betreffende Enzym in der Bakterienzelle fehlt. Heute kann man nach Sequenzierung des Genoms, des gesamten Erbguts, gezielt einzelne Gene für Enzyme ausschalten, um zu sehen, ob das Bakterium auch ohne das fragliche Enzym überlebt.

Diese Bemühungen haben zwar noch nicht zum Ziel - zu neuen Antibiotika - geführt, dürften sich aber in den kommenden Jahren auszahlen. Eine große Hürde ist die bakterielle Zellwand. Selbst kleine Moleküle, die ein wichtiges Bakterienenzym hemmen würden, bleiben nutzlos, wenn sie nicht in die Zelle gelangen. Statt nach Schwachstellen von zu bekämpfenden Bakterien zu suchen, könnte man zu neuen Antibiotika gelangen, indem man deren natürlichen Produzenten studiert - wobei hier die Genomforschung nützlich sein kann.

Die erste Genomsequenz solcher Produzenten wurde im Jahr 2002 publiziert. Sie stellte die Forscher vor ein Rätsel: Die Bakterien aus der Familie der Actinomyceten verfügten demnach über 25 bis 30 Gengruppen, deren Sequenz vermuten ließ, dass sie Enzymmodule für die Produktion antibiotikumähnlicher Substanzen kodieren - nur schienen die Bakterien die meisten dieser Gene überhaupt nicht zu nutzen. Denn unter Laborbedingungen produzierten sie lediglich ein oder zwei der möglichen Moleküle.

Um herauszufinden, ob solche anscheinend schlafenden Gene Bauinformationen für die Produktionsmaschinerie neuer Antibiotika tragen, sequenzieren wir gemeinsam mit mehreren Mitarbeitern an der Harvard Medical School und dem Broad Institute in Boston die Genome von 20 weiteren Actinomycetenstämmen. Dann wenden wir ausgefeilte Computeralgorithmen an, um Gene herauszufiltern, die für Enzymmodule der Antibiotikaproduktion kodieren könnten. Die Analyse von umliegenden DNA-Sequenzen sollte zudem helfen, Regulationsmechanismen zu entdecken, die über die Produktion des entsprechenden Antibiotikums entscheiden. Mit diesen Informationen könnten wir das Bakterium so manipulieren, dass es die jeweiligen Gene einschaltet, um dann die kryptischen Moleküle auf ihre antibiotische Akivität zu untersuchen.

Eine Forschergruppe an der Universität des Saarlandes untersucht dagegen die Möglichkeit, Gene aus problematischen Produzenten in verschiedene einfacher handhabbare Bakterien zu transferieren. Rolf Müller und seine Kollegen arbeiten mit Myxobakterien: einer Ordnung meist bodenbewohnender Bakterien, die wie Actinomyceten kreative Produzenten antibiotischer Wirkstoffe sind, sich aber schwieriger im Labor kultivieren lassen und daher bisher kaum auf die Herstellung potenzieller neuer Antibiotika untersucht wurden.

Müller umging die Kulturproblematik, indem er die Gene zur Produktion von Myxochromid, einem antibiotikumähnlichen Molekül, aus dem Myxobakterium Stigmatella aurantiaca in eine einfacher zu vermehrende Bakterienspezies transferierte. Es handelt sich um die Pseudomonade Pseudomonas putida, die bereits häufig zur kommerziellen Produktion nutzbarer Enzyme eingesetzt wird. Müller löste zwei zentrale Probleme: Zum einen fand er einen bakteriellen Wirtsorganimus, der sich gentechnisch manipulieren lässt und über die grundlegende Stoffwechselinfrastruktur verfügt, um Antibiotika produzieren zu können; zum anderen entwickelte er Verfahren zum Transfer großer DNA-Bereiche von einem Bakterium auf das andere. Mit seiner Arbeit öffnet er die Tür zur Entdeckung und Produktion einer Vielfalt neuer Antibiotika aus Myxobakterien. Eine groß angelegte Sequenzierung von Myxobakteriengenomen würde also lohnen.

Zusätzlich zu erst wenig ausgebeuteten Bodenmikroben könnten bisher unerforschte ökologische Nischen ein fruchtbares Feld sein, da Organismen in exotischen Lebensräumen wohl eher noch unbekannte Antibiotika produzieren (siehe Kasten S. 51). Tatsächlich fanden Roderich Süssmuth und seine Kollegen von der Universität Tübingen vor Kurzem ein neues Antibiotikum in Actinomyceten aus einer Sedimentprobe, entnommen in 289 Meter Tiefe, aus dem Japanischen Meer. Sie tauften es Abyssomicin. Meeresbakterien untersucht auch eine Forschergruppe bestehend aus Bradley Moore, William Fenical und Kollegen von der Scripps Institution of Oceanography in La Jolla (Kalifornien). Sie sequenzierte die Genome zweier bis dahin unbekannter maritimer Actinomycetenstämme und stieß dabei auf ein vielfältiges Sortiment von Genen für die Synthese von Antibiotika und ähnlichen Molekülen - ein weiteres Indiz dafür, dass Meeresbakterien einen Fundus neuer Antibiotikaklassen darstellen könnten.


AUSWEITUNG DER SUCHE

In der frühen Entdeckungsgeschichte antibiotischer Wirkstoffe entpuppten sich bodenbewohnende Bakterien als solch reiche Quelle, dass Forscher sich kaum andernorts umsahen. Die Suche nach neuen Substanzen in bisher unbeachteten Lebensräumen und Organismen liefert inzwischen antibiotische Moleküle, die in ihren Wirkmechanismen hinreichend von den üblichen abweichen und damit kaum auf vorbestehende Resistenzen unter Erregern stoßen dürften.

MEERESORGANISMEN
Extrembiotope bieten sich für die Suche nach ungewöhnlichen Wirkstoffen an, da die dort lebenden Erzeuger eben auf exotische Bedingungen und Bedrohungen reagieren müssen. Beispielsweise erzeugt ein Bakterium der Gattung Verrucosispora (links eine Kultur auf Nährboden, rechts das Sporen erzeugende Gebilde) ein wirksames neues Antibiotikum namens Abyssomicin. Die Mikrobe lebt im Japanischen Meer in fast 300 Meter Tiefe.

SYMBIONTISCHE MIKROORGANISMEN
Kooperation führt zur Spezialisierung, bei der die Symbiosepartner sehr zielgerichtet wirkende Moleküle erzeugen. Ein besonderer Pilz, der auf einem amerikanischen Borkenkäfer lebt, hilft ihm, das Holz der befallenen Bäume zu zersetzen. Das Insekt wiederum beherbergt ein Bakterium, das mit einem hochwirksamen Antimykotikum konkurrierende Pilze abtötet, nicht jedoch den Symbionten seines Wirts.

HEIKLE ERZEUGER
Bestimmte Bakteriengruppen stellen diverse neuartige Antibiotika her, lassen sich aber im Labor oder im industriellen Maßstab nicht oder nur schlecht kultivieren. So produziert Stigmatella aurantiaca (links) einen antibiotikumartigen Wirkstoff namens Myxochromid. Wie andere Myxobakterien lässt sich S. aurantiaca schlecht kultivieren. Mittels neuer Techniken können Forscher nun ein Sortiment relevanter Gene in »willigere« Produktionsorganismen übertragen. Auf diese Weise werden auch bisher vernachlässigte Bakterienfamilien zu einem Quell potenziell nützlicher Moleküle.

(Abbildungen der Originalpublikation wurden im Schattenblick nicht übernommen.)


Als Quelle nützlicher Wirkstoffe kommen auch symbiontische Mikroorganismen in Frage. Sie leben als Gast bei einem Wirt, zum beiderseitigen Nutzen. Ein Beispiel: Der in den Südstaaten heimische Borkenkäfer Dendroctonus frontalis ist mit einem symbiontischen Pilz besiedelt, der das Holz der Nadelbäume zersetzt, in die der Käfer sich hineinfrisst. Wie aber konnte das Insekt seinen Symbionten vor einem anderen, antagonistischen Stamm schützen, der um die gleiche Nahrungsquelle konkurriert? Das lange bestehende Geheimnis lüften erst Cameron Currie, Jon Clardy und ihre Forschungsgruppen von der University of Wisconsin-Madison und der Harvard Medical School. Sie entdeckten, dass der Käfer einen zweiten Symbionten in sich trägt, einen Actinomyceten, der ein potentes, bis dahin unbekanntes Antimykotikum produziert. Der Wirkstoff, Mycangimycin getauft, tötet den feindlichen, nicht jedoch den symbiontischen Pilz.


Hilfe von Käfern und Schwämmen

Wie Jörn Piel von der Universität Bonn zeigen konnte, beherbergen ein anderer Käfer und ein Meeresschwamm bakterielle Lebenspartner, die verwandte antibiotische Moleküle herstellen. Christian Hertweck vom Hans-Knöll-Institut in Jena entdeckte einen Pilz, der seinen eigenen bakteriellen Symbionten beherbergt. Letzterer erzeugt Rhizoxin, einen antibiotischen Wirkstoff. Unerwartete Leistungen von Symbionten sind Podophyllotoxin und Camptothecin: Die beiden häufig eingesetzten Zytostatika werden nicht, wie lange gedacht, von bestimmten Pflanzen produziert, sondern von Pilzen, die darin leben. Obwohl die Wirkstoffsuche in symbiontischen Mikroorganismen noch am Anfang steht, gehören diese schon zu den aussichtsreichsten Quellen natürlicher Antibiotika, darunter vielleicht sogar solcher, die neue Klassen repräsentieren oder bislang unbekannte Wirkmechanismen nutzen.

Auch die Erforschung symbiontischer Mikroorganismen, die den menschlichen Körper besiedeln, liefert neue Ansätze zur antibiotischen Therapie. Wie Insekten oder Schwämme beherbergen auch wir Menschen eine Vielzahl bakterieller Symbionten, die diverse nützliche Aufgaben erfüllen. Zum Beispiel helfen sie bei der Verdauung der Nahrung oder fördern die korrekte Entwicklung unseres Immunsystems. Leider sind die heute verfügbaren Antibiotika alle nur recht grobe Waffen; sie treffen oft nicht nur die Krankheitserreger, sondern auch die nützlichen Bakterien in unserem Darm. In manchen Fällen macht diese Zerstörung der normalen Darmflora erst die Bahn frei für die Vermehrung eines anderen schädlichen Stamms eines Bakteriums, etwa von Clostridium difficile. Diese »Zweitinfektion« kann sogar gefährlicher sein als die ursprüngliche.

Eine mögliche Vorbeugung gegen bakterielle Infektionen besteht in der Gabe nützlicher Mikroben oder Substanzen, die das Wachstum von Symbionten fördern und so Pathogene nicht überhandnehmen lassen. Zwar können solche so genannten probiotischen Therapien den resistenzfördernden Einsatz von Antibiotika begrenzen helfen, doch ließ sich bisher nicht belegen, dass Probiotika auch zur Behandlung bereits existierender Infektionen taugen.

Immerhin wird die Rolle unserer natürlichen Darmflora bei der Infektabwehr zunehmend gewürdigt. Und das hat zu einer neuen Strategie bei der Entwicklung antibakterieller Substanzen geführt: Schmalbandantibiotika - solche mit engem Wirkspektrum - sollen Krankheitserreger abtöten, ohne die nützlichen Bakterien zu schädigen (siehe Kasten unten). Neil Stokes und seine Kollegen von der Firma Prolysis in Oxford entwickelten beispielsweise vor Kurzem eine neue antibiotische Substanz; das potenzielle Antibiotikum tötet Staphyllococcus aureus und seine Verwandten ab, indem es hier die Zellteilung blockiert, andere Bakterien aber unbehelligt lässt.


NEUE ANSÄTZE GEGEN KEIME

Forscher verfolgen auch neuartige Wege, um Krankheitserreger abzutöten oder anderweitig unschädlich zu machen. Viele der Ansätze umgehen dabei Mechanismen, die normalerweise zur Resistenzentwicklung führen. Das ist ein zusätzlicher Vorteil.

LÖCHER SCHLAGEN
Statt bestimmte Enzyme oder lebenswichtige Stoffwechselprozesse eines pathogenen Bakteriums zu hemmen, kann man seine Zellmembran durchlöchern, um es abzutöten. Vorbild sind kleine, auch bei Säugern vorkommende Schutzproteine aus der Gruppe der Defensine. Mehrere Forschergruppen entwickeln synthetische Miniproteine (Peptide), die sich in der Bakterienmembran selbstständig zu Poren zusammenlagern. Die Zelle wird quasi leck geschlagen.

GEZIELT ANGREIFEN
Bakteriophagen (grün) - Viren, die Bakterien (blau) befallen - bevorzugen im typischen Fall nur einen bestimmten Wirt als Opfer. Schon seit Längerem untersuchen Forscher das Potenzial von Phagen zur Bekämpfung bakterieller Erreger. Dieser Ansatz veranschaulicht das Prinzip neuer »Schmalband«-Wirkstoffe: Sie sollen gezielt nur einen bestimmten Krankheitserreger angreifen und dabei menschliche Zellen und harmlose Bakterien unbehelligt lassen.

BEZWINGEN, NICHT TÖTEN
Um die Entwicklung einer Resistenz bei der Therapie nicht zu fördern, verfolgen Forscher auch den Ansatz, die krank machenden Eigenschaften eines Bakteriums auszuschalten, ohne es abzutöten. Beispielsweise wurden Zellen des Darmbakteriums Escherichia coli (rötliche Stäbchen) genetisch so verändert, dass sie die Oberfläche von Schleimhautzellen im menschlichen Darm imitieren. Nimmt ein Patient diese harmlosen Kolibakterien ein, werden sie zum Köder für das tödliche Shiga-Toxin (blau), das von einem gefährlichen Bakterium der Gattung Shigella stammt.

(Abbildungen der Originalpublikation wurden im Schattenblick nicht übernommen.)


Ein Team unter Victor Nizet und Andrew Wang von der University of California in San Diego und Eric Oldfield von der University of Illinois in Urbana-Champaign verfolgte dieses Konzept noch einen Schritt weiter: Ihr neu entdeckter Wirkstoff blockiert die Synthese eines Pigmentmoleküls, das zur Aggressivität (Virulenz) von S. aureus beiträgt. Er hemmt also die Fähigkeit des Bakteriums, Erkrankungen zu verursachen, ohne es dabei abzutöten. Solche experimentellen Ansätze, bloß die Virulenzfaktoren eines Bakteriums zu hemmen, haben zudem den Vorteil, dass vermutlich eine Resistenzbildung vermieden wird.

Ganz ähnlich gilt es bei dem Schmalbandansatz eine Zielstruktur zu finden, die einzigartig oder lebensnotwendig für das pathogene Bakterium ist, nicht aber für andere. Selbst wenn das fragliche Bakterium schließlich resistent würde, wäre dies zumindest eine Form der Resistenz, die sich wohl nicht ausbreitet und anderen Bakterien keinen Vorteil bringt.

Ob sich solche Therapeutika allein oder in Kombination mit anderen Wirkstoffen in der realen Welt als praktikabel erweisen werden, bleibt abzuwarten. Insbesondere bedarf es Schnelltests, die bei einem Patienten das verantwortliche Pathogen sicher diagnostiziert. Solche sind zwar bereits entwickelt, werden jedoch noch nicht in größerem Umfang genutzt. Das ist auch eine ökonomische Frage. Schmalbandantibiotika, mit ihren beschränkten Einsatzmöglichkeiten, sind womöglich für Pharmaunternehmen finanziell gesehen unattraktiv.

»Rundumschlag-Antibiotika« stellen allerdings kein tragbares Konzept mehr dar. Das Ende der antibiotischen Ära haben multiresistente Bakterien aber auch nicht eingeläutet. Der Mensch mag zwar den Wettlauf gegen pathogene Keime nie endgültig für sich entscheiden können, doch im vergangenen Jahrhundert blieben wir ihnen durch neue Therapien insgesamt stets einen Schritt voraus. Nun ist jede Anstrengung gefordert, diesen Vorsprung zu halten.


Christopher T. Walsh ist Hamilton-Kuhn-Stiftungsprofessor für Biochemie und molekulare Pharmakologie an der Harvard Medical School in Cambridge (Massachusetts) und zudem als Berater beziehungsweise im Vorstand mehrerer Biotechnologie- und Pharmaunternehmen tätig. Ihn interessiert besonders, wie Mikroorganismen Antibiotika oder andere Moleküle von möglichem therapeutischem Nutzen produzieren.

Michael A. Fischbach war bis vor Kurzem als Junior Fellow in der Abteilung für molekulare Biologie am Massachusetts General Hospital in Boston tätig. Dort hatte er mit Walsh begonnen, Bakteriengenome auf Gene zur Antibiotikaproduktion zu durchmustern. Nun arbeitet er als Assistenzprofessor im Fachbereich Biotechnologie und Therapiewissenschaften an der University of California in San Francisco.


Literatur

Clardy, J., Fischbach, M. Walsh, C.T.: New Antibiotics from Bacterial Natural Products. In: Nature Biotechnology 24(12), S. 1541-1550, Dezember 2006.

Groopman, J.: Superbugs. In: New Yorker, 11. August 2008.

Nathan, C.: Antibiotics at the Crossroads. In: Nature 431, S. 899-902, 21. Oktober 2004.

Weblinks zu diesem Thema finden Sie unter www.spektrum.de/artikel/1023391.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Abb. S.47:
Wie lässt sich multiresistenten Problemkeimen, so genannten Superbakterien, beikommen?


© 2010 Christopher T. Walsh und Michael A. Fischbach, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Spektrum der Wissenschaft 4/10 - April 2010, Seite 46 - 53
Herausgeber: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2010