Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → PHARMA

FORSCHUNG/629: Kohlenmonoxid als heilendes Gift (idw)


Universität Regensburg - 04.04.2011

Kohlenmonoxid als heilendes Gift

Forscher entwickeln Moleküle für den Einsatz in der Medizin


Chemiker und Biologen der Universitäten in Köln und Regensburg haben eine neuartige Eisen-Kohlenmonoxid-Verbindung entwickelt, die von Enzymen in den Zellen des menschlichen Körpers aktiviert wird und dabei Kohlenstoffmonoxid freisetzt. Das Kohlenmonoxid kann so als Therapeutikum direkt vor Ort wirken. Verschiedene Anwendungen in der Medizin sind denkbar.

Kohlenmonoxid (CO) kann tödlich sein. Unbemerkt eingeatmet, führt das unsichtbare und geruchlose Gas zu Erstickungen, indem es den Sauerstofftransport im Blut blockiert. Kohlenmonoxid ist deshalb als gefährliches Atemgift gefürchtet. Doch allein die Menge macht das Gift, wie schon der berühmte Arzt Paracelsus feststellte. So hat Kohlenmonoxid auch Einfluss auf viele andere Vorgänge im menschlichen Körper. Und dabei sogar heilende Wirkungen: In winzigen Dosen wirkt es entzündungshemmend, verbessert die Organdurchblutung oder lindert Symptome von Lungenkrankheiten. Wissenschaftler haben diese Eigenschaften erst in den letzten Jahren entdeckt und so den Weg für neue medizinische Anwendungen geebnet. Zwar wird Kohlenmonoxid vom Menschen in bestimmten Mengen selbst produziert, aber der gezielte Einsatz könnte bisherige Therapieansätze maßgeblich erweitern.

Eine solche Nutzung von Kohlenmonoxid ist aber nicht unproblematisch. Der Einsatz als Gas kommt aufgrund seiner Giftigkeit kaum in Betracht. Dies würde eine Verabreichung über die Lunge bedeuten, wo das Kohlenmonoxid die normale Sauerstoffaufnahme behindert. Alternativen sind gefragt. Die Forschung arbeitet deshalb an der Entwicklung von Stoffen, die Kohlenmonoxid direkt im Körper freisetzen können. In diesem Zusammenhang ist einem Team aus Forschern der Universitäten in Köln und Regensburg nun ein wichtiger Schritt gelungen. Die Wissenschaftler entwickelten neue Moleküle, die in den Zellen des menschlichen Körpers aktiviert werden und dabei Kohlenmonoxid freisetzen, was wiederum direkt vor Ort wirken kann. Die technische Entwicklung der Moleküle und der Nachweis der CO-Freisetzung erfolgten unter Federführung von Prof. Dr. Hans-Günther Schmalz vom Institut für Organische Chemie der Universität zu Köln. Durch Dr. Sabine Amslinger vom Institut für Organische Chemie und Dr. Birgit Kraus vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie der Universität Regensburg wurde zudem gezeigt, dass durch die Moleküle auch die Wirkung des "Entzündungsproteins" iNOS (induzierbare NO-Synthase) effektiv gehemmt wird.

Bisher bekannte CO-freisetzende Moleküle hatten den Nachteil, dass sie relativ wenig Kohlenmonoxid produzieren, unkontrolliert zerfallen, vom lokalen pH-Wert abhängig sind oder aber eine Bestrahlung durch UV-Licht notwendig ist. Die neuen Moleküle, die schon als Patent angemeldet wurden, bestehen aus einem Eisen-Kohlenmonoxid- und einem organischen Teil. Der organische Teil kann mit bestimmten, körpereigenen Enzymen - Lipasen und Esterasen - reagieren und die Moleküle werden so aktiviert. Das dabei freigesetzte Kohlenmonoxid kann auf diese Weise als Botenstoff oder Signalmolekül und damit als Therapeutikum in bestimmten Körperzellen eingesetzt werden.

Die möglichen Anwendungen in der Medizin sind vielfältig: So könnten die neuen Moleküle bei der Krebstherapie, bei der Behandlung von Strahlungsschäden, bei Alzheimer, gegen Bluthochdruck, Bronchitis, Rheuma oder gegen Abstoßungsreaktionen nach Organtransplantationen zum Einsatz kommen. Die Ergebnisse der Forscher wurden vor kurzem in der renommierten Fachzeitschrift "Angewandte Chemie (International Edition" veröffentlicht (DOI: 10.1002/anie.201006598).


Ansprechpartner:

Prof. Dr. Hans-Günther Schmalz
Universität zu Köln
Institut für Organische Chemie
schmalz@uni-koeln.de

Dr. Sabine Amslinger
Universität Regensburg
Institut für Organische Chemie
Sabine.Amslinger@chemie.uni-regensburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution87


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Regensburg, Alexander Schlaak, 04.04.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2011