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FORSCHUNG/647: Darmentzündung im 3D-Modell - Entwicklung tierversuchsfreier Forschungsmethoden (idw)


Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung - 30.06.2011

Darmentzündung im 3D-Modell

Entwicklung tierversuchsfreier Forschungsmethoden - Land Rheinland-Pfalz zeichnet HZI-Forscher aus


Für ein alternatives Zellkultur-Modell zur Untersuchung chronischer Darmentzündungen sind heute in Mainz drei Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und der Universität des Saarlandes ausgezeichnet worden. Professor Claus-Michael Lehr und seine Mitarbeiterinnen Dr. Eva-Maria Collnot und Fransisca Leonard erhielten gemeinsam den mit 20.000 Euro dotierten "Forschungspreis des Landes Rheinland-Pfalz zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden für Tierversuche".

Lehr leitet die Abteilung "Wirkstoff-Transport" am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einem Institut des HZI in Saarbrücken.

Experimente an Tieren sind durch verschiedene Rechtsvorschriften vorgeschrieben, beispielsweise im Rahmen der Zulassung von Arzneimitteln. Auch Methoden, die zur Diagnostik und Therapie von Krankheiten entwickelt werden, müssen im Tierversuch getestet werden. Das betrifft auch die Entwicklung geeigneter Medikamente gegen entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis. Das von Professor Claus-Michael Lehr und seinem Team entwickelte alternative Zellkultur-Modell könnte dazu beitragen, Tierversuche in diesem Bereich künftig zu verringern oder zu ersetzen. Die Besonderheit des neuartigen dreidimensionalen Verfahrens besteht darin, dass es die Epithel- oder Schleimhaut-Zellen, die den gesunden Darm simulieren, sowohl mit menschlichen Immunzellen als auch mit verschiedenen Entzündungsstoffen kombiniert. Auf diese Weise können in der Zellkultur die Vorgänge in entzündeten Darmzellen nachgestellt werden.

Die gesunde Darmwand wird im Modell durch Zellen der menschlichen Caco-2 Tumorzell-Linie simuliert - ein Verfahren, das bereits etabliert sei und gut funktioniere, so Claus-Michael Lehr. Zusätzlich werden in dem neuen Darm-Modell auch Zelltypen des Immunsystems verwendet: so genannte Makrophagen und Dendritische Zellen, die aus menschlichem Blut isoliert wurden. Dritte Komponente sind verschiedene Boten- und Entzündungsstoffe.

Die so simulierte kontrollierte Entzündung soll helfen, die Prozesse bei Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis besser zu verstehen. "Das ist vor allem wichtig, um die Aufnahme von Arzneistoffen und Trägersystemen in einem erkrankten Darm zu testen", erklärt Claus-Michael Lehr. Die Methode hat das Potenzial, für viele Untersuchungen eine Alternative zu Tierversuchen zu bieten.

"Es ist eine Ehre für uns, dass einer unserer Wissenschaftler diese Auszeichnung erhält", sagt Prof. Dirk Heinz, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI). "Gegenwärtig sind Tierversuche in zahlreichen Forschungsfeldern unverzichtbar, um Krankheitsprozesse zu studieren und Erkenntnisse über sie zu gewinnen. Sie werden deshalb in naher Zukunft Bestandteil vieler wichtiger Forschungsmethoden bleiben. Aber langfristig wollen wir mit unserer Arbeit dazu beitragen, den Einsatz von Tierversuchen einzuschränken und sie, wo dies möglich ist, zu ersetzen. Dazu haben Claus-Michael Lehr, Eva-Maria Collnot und Fransisca Leonard einen hervorragenden Beitrag geleistet." Lehr und Collnot arbeiten am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), einem Institut des HZI in Saarbrücken. Professor Lehr leitet dort die Abteilung "Wirkstoff-Transport". Fransisca Leonard forscht an der Universität des Saarlandes.


Weitere Informationen:

Info-Veranstaltung an der Universität des Saarlandes:
Im Rahmen eines Pressetermins am Freitag, dem 1. Juli, um 10 Uhr stellt Professor Claus-Michael Lehr seine Forschungsergebnisse an der Saar-Uni vor (Präsidialamt, Geb. A2 3, großer Sitzungssaal im 1. Obergeschoss). Danach besteht - nach Voranmeldung - die Möglichkeit, sich das alternative Zellkultur-Modell im Labor anzusehen.

Die prämierte Forschungsarbeit:
Originalpublikation:
"A Three-Dimensional Coculture of Enterocytes, Monocytes and Dendritic Cells To Model Inflamed Intestinal Mucosa in Vitro".
Fransisca Leonard, Eva-Maria Collnot, and Claus-Michael Lehr.
Molecular Pharamceutics, Vol. 7, No.6, 2103-2119.

Ansprechpartner:
Dr. Markus Ehses
E-Mail: markus.ehses@helmholtz-hzi.de

Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland
Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) ist eine Außenstelle des Helmholtz- Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und wurde gemeinsam mit der Universität des Saarlandes im Jahr 2009 gegründet. Wo kommen neue nachhaltige Wirkstoffe gegen weit verbreitete Infektionen her, wie kann man diese für die Anwendung am Menschen optimieren und wie werden sie am besten durch den Körper zum Wirkort transportiert? Auf diese Fragen suchen die Forscher am HIPS mit modernsten Methoden der Pharmazeutischen Wissenschaften Antworten.
www.helmholtz-hzi.de/HIPS

Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionen und ihrer Abwehr. Was Bakterien oder Viren zu Krankheitserregern macht: Das zu verstehen soll den Schlüssel zur Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe liefern.
www.helmholtz-hzi.de

Information des Ministeriums für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten von Rheinland-Pfalz
http://www.mulewf.rlp.de/tiere/tierschutz/tierversuche/forschungspreis-alternativen-zum-tierversuch/

Der Preis
Der Preis zur Förderung der Erforschung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden für Tierversuche wird seit 2007 alle zwei Jahre verliehen und richtet sich an die wissenschaftliche Forschung und an die Lehre. Die Bewerber - Forschungseinrichtungen, Wissenschaftler und Unternehmen - können aus Rheinland-Pfalz, aber auch aus anderen Bundesländern stammen. Laut Ausschreibung der rheinland-pfälzischen Landesregierung musste die eingereichte Arbeit mindestens eine der drei folgenden Anforderungen erfüllen: Durch die Anwendung der Methode werden Tierversuche ersetzt ("Replacement"), die Zahl der Versuchstiere wird reduziert ("Reduction") und das Leiden und die Schmerzen der Versuchstiere werden vermindert ("Refinement").



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution129


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Dr. Bastian Dornbach, 30.06.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2011