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ARTIKEL/513: Verhütet Euch! Londoner Gipfel zur Familienplanung im Juli 2012 (ALfA LebensForum)


ALfA LebensForum Nr. 103 - 3. Quartal 2012
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)

AUSLAND
Verhütet Euch!

Von Matthias Lochner


Der Kinderreichtum in den Entwicklungsländern bedroht nach Ansicht vieler westlicher Industrienationen den Wohlstand. Gemeinsam mit der »Bill & Melinda Gates Foundation« richtet das britische Entwicklungsministerium daher den »Londoner Gipfel für Familienplanung« aus. Dabei war auch von den »reproduktiven Rechten« die Rede, einem Begriff, der nicht nur Verhütung, sondern auch Abtreibungen einschließt.


Im Juli dieses Jahres fand am Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2012 der »Londoner Gipfel zur Familienplanung« statt. Das internationale Treffen von Organisationen und Stiftungen, die sich dem Kampf gegen die wachsende Weltbevölkerung verschriebenen haben, forderte, in den kommenden acht Jahren 120 Millionen Frauen und Mädchen in den ärmsten Ländern der Welt Verhütungsmitteln zur Verfügung zu stellen. Am 11. Juli, dem »internationalen Tag der Weltbevölkerung«, wurde ein entsprechender Aufruf veröffentlicht, hinter den sich 1.300 Organisationen aus aller Welt stellten. Derzeit leben auf dem Globus 7,1 Milliarden Menschen. Schätzungen zufolge könnten bis zum Jahr 2050 rund elf Milliarden Menschen die Erde bevölkern. Täglich kommen rund 227.000 Erdenbürger hinzu. Das Londoner Treffen wurde gemeinsam vom Ministerium für internationale Entwicklung (DFID), der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritanniens und der »Bill & Melinda Gates Foundation« ausgerichtet.

»Wir glauben, dass jede Frau das Recht und die Möglichkeiten haben sollte, die sie in die Lage versetzen zu entscheiden, ob, wann und wie oft sie Kinder haben will«, sagte der Generaldirektor der »International Planned Parenthood Federation« (IPPF) - zu Deutsch: »Internationalen Organisation für Familienplanung« - Tewodros Melesse. Der Minister für Entwicklungshilfe in Großbritannien, Andrew Mitchell, schätzte die Zahl der Frauen in aller Welt, die verhüten würden, wenn sie nur könnten, auf 222 Millionen. Dies führe zu 60 Millionen ungewollten Schwangerschaften jedes Jahr. Das Gipfeltreffen sei der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Geburtenkontrolle. »Verhütungsmittel sind eine der besten Investitionen in die Zukunft, die ein Land machen kann«, hieß es auf der Webseite der Tagung.

Die an der Londoner Konferenz beteiligte internationale Hilfsorganisation CARE (»Cooperative for Assistance and Relief Everywhere«), die nach eigenen Angaben »in mehr als 30 Ländern Projekte im Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit durchführt«, forderte den Zugang zu Verhütungsmitteln als »Menschenrecht« und »wichtige Strategie zur Armutsbekämpfung«. In einer CARE-Stellungnahme, die auch auf der Homepage des Londoner Gipfels publiziert wurde, hieß es wörtlich: »Weltweiter Zugang zu Verhütungsmitteln würde zahlreichen Frauen das Leben retten!«

Nach Angaben der »Deutschen Stiftung Weltbevölkerung« (DSW), einer Organisation, die für mehr Geburtenkontrolle in Entwicklungsländern eintritt, verhüten heute rund 260 Millionen Frauen in den ärmsten Ländern der Welt. Ziel der Verhütungspropaganda der DSW ist erklärtermaßen die Reduzierung von Geburten. So erläutert die Stiftung: »Die Zahl der Schwangerschaften in den Entwicklungsländern würde umgehend um etwa 20 Prozent sinken, wenn der ungedeckte Bedarf an Familienplanung befriedigt würde. Über 220 Millionen Frauen in den weniger entwickelten Regionen der Erde fehlt heute noch immer der Zugang zu sicheren und wirksamen Methoden der Familienplanung.« Ein Drittel des Weltbevölkerungswachstums beruhe heute auf ungewollten Schwangerschaften, meint die DSW.

Lebensrechtler übten scharfe Kritik an der Londoner Konferenz. »Im Gegensatz zu den Hauptargumentationen der Familienplaner beweisen Studien, dass ein breiterer Zugang zu Verhütungsmitteln keineswegs zu weniger Schwangerschaften und weniger Abtreibungen führt«, heißt es in einer Mitteilung des »Catholic Family & Human Rights Institute« (C-Fam). C-Fam hatte eine Petition gegen den Gipfel formuliert: Die Barrieren, die der Gipfel niederreißen wolle, seien der moralische und religiöse Respekt vor dem Leben sowie der gesetzliche Schutz für Kinder. In Berichten von C-Fam-Mitarbeitern, die als »Beobachter« bei der Konferenz dabei waren, heißt es, dass viele der teilnehmenden Organisationen - so etwa die »Planned Parenthood Federation« - für ein »Recht auf reproduktive Gesundheit« der Frau plädierten, wozu ausdrücklich auch Abtreibungen zählten. Unter den Referenten des Gipfels seien denn auch zahlreiche Abtreibungsbefürworter gewesen.

»Sie wollen aus kinderreichen Familien kinderarme machen.«

Der österreichische Familienbischof Bischof Klaus kritisierte die Forderungen des Londoner Gipfeltreffens: »Statt die Güter gerecht zwischen Nord und Süd zu verteilen, wird ein Familienbild exportiert, das kein Glück bringt. Sie wollen aus kinderreichen Familien kinderarme machen und meinen, das sei die Lösung. Sie übersehen, dass eine gesunde Entwicklung vor allem Ausbildung voraussetzt, die auch dazu führt, in Bezug auf die eigene Familie die Verantwortung wahrzunehmen. Genügend Kinder zu haben ist ein Reichtum, den die Wohlstandsländer nicht haben: mit entsprechenden Problemen«, so der Bischof gegenüber der katholischen Zeitung »Die Tagespost«.

Die »Melinda & Bill Gates Foundation« unterstützt die geplanten Programme zur Verhütung in den sogenannten Entwicklungsländern mit einem gewaltigen Spendenprogramm. Gemessen am Stiftungskapital (ca. 29 Milliarden Euro) ist sie die mit Abstand größte Privat-Stiftung weltweit (Stand: 30. Juni 2011). Nach eigenen Angaben hat die Stiftung seit ihrer Gründung im Jahr 1999 Fördergelder in Höhe von rund 20 Milliarden Euro vergeben. Allein in den Jahren 2009 und 2010 flossen Fördermittel in Höhe von etwa 2,4 bzw. 2 Milliarden Euro. Die Stiftung beschäftigt knapp 1.000 Mitarbeiter an den Standorten Seattle, Washington D.C., Delhi, Peking und London.

Bill Gates hatte bereits angekündigt, »Familienplanungsprogramme« künftig noch stärker fördern zu wollen (vgl. LebensForum Nr. 101 S. 14f). Im Jahresbrief 2012 schrieb Gates, dass sich seine Frau Melinda ab diesem Jahr bei ihrer Stiftungsarbeit vor allem »auf die Familienplanung« konzentriere, um »Frauen die Mittel zur Verfügung zu stellen, die sie benötigen, um zu planen, wie viele Kinder sie haben möchten und wann«. Melinda werde, so Gates weiter, »viel darüber sprechen, wie die Möglichkeiten zur Planung das Leben der Frauen und ihrer Familien verändern und damit die gesamte Gesellschaft verbessern«. Während des Gipfels gab die Stiftung des Microsoft-Gründers Bill Gates und seiner Ehefrau Melinda French Gates nun bekannt, in den kommenden acht Jahren 450 Millionen Euro für die Verhütungsmittelforschung zur Verfügung zu stellen. Mit dem Geld sollen neue Techniken der Geburtenkontrolle erforscht und vor allem in Afrika bessere Informationen über Verhütung und entsprechende Mittel bereitgestellt werden.

Melinda Gates: »Herausforderung der kirchlichen Hierarchie«

Gegenüber dem britischen Nachrichtensender »BBC« erklärte Melinda Gates, dass sie als Katholikin durchaus Gewissensbisse empfinde. Ihr sei bewusst, dass ihre Spendengelder eine »Herausforderung der kirchlichen Hierarchie« darstellen. Die Vatikanzeitung »L'Osservatore Romano« rügte die Ankündigung des Spendenprogramms in einem Leitartikel denn auch mit scharfen Worten. Der Blick von Melinda Gates sei »durch falsche Informationen und durch nach wie vor kursierende Stereotypen getrübt«, kritisierte die Vatikanzeitung. Es zeuge von »billiger Fehlinformation«, wenn Gates glaube, die katholische Kirche lasse wegen ihrer Ablehnung von Kondomen »Frauen und Kinder aus frauenfeindlicher Unnachgiebigkeit sterben.« Der Leitartikel verweist auf die von der Kirche empfohlene natürliche Form der Empfängnisregelung - in Deutschland beispielsweise bekannt als »Natürliche Empfängnisregelung« (NER) oder »Natürliche Familienplanung« (NFP). Sie sei zu 98 Prozent sicher und schade nicht der Gesundheit der Frau. Diese Methode würde allerdings häufig als »unwissenschaftlich, primitiv und naiv« abgetan. »Die unverzeihliche Sünde, die dieser Methode innewohnt, ist, dass es eine absolut kostenlose Lösung ist. Dies macht sie sehr unpopulär in der Pharmaindustrie, die durch die Verabreichung chemischer Verhütungsmittel ungeheure Gewinne erzielt. Und dies wird durch die philanthropischen Handlungen von Frau Gates sichergestellt werden«, heißt es in dem Leitartikel weiter.


IM PORTRAIT

Matthias Lochner
Der Autor, Jahrgang 1984, studierte Deutsch, Geschichte und Katholische Theologie für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen an der Universität zu Köln. Er ist seit 2001 Mitglied der ALfA und seit Mai 2007 Vorsitzender der »Jugend für das Leben« (JfdL) Deutschland, der Jugendorganisation der ALfA. Als freier Journalist publiziert Matthias Lochner regelmäßig auch in »LebensForum«. Er ist verheiratet und lebt im Rheinland.

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Quelle:
LEBENSFORUM Ausgabe Nr. 103, 3. Quartal 2012, S. 20 - 21
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)
Herausgeber: Aktion Lebensrecht für Alle e.V.
Bundesvorsitzende Dr. med. Claudia Kaminsky (V.i.S.d.P.)
Verlag: Ottmarsgäßchen 8, 86152 Augsburg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2012

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