Zentrum für Qualität in der Pflege - 14.06.2017
Gewalt im Pflegeheim ist ein relevantes Problem
Berlin - Das ZQP hat Pflegekräfte zum Thema Gewalt gegen Pflegebedürftige befragt. 47 Prozent sind demnach der Meinung, dass der Umgang mit Konflikten, Aggression und Gewalt die stationäre Pflege besonders herausfordert. Wenn es um kritisches Handeln von Pflegenden gegen Bewohner geht, werden verbale Übergriffe und Vernachlässigung als am häufigsten beschrieben.
Gewalt in der Pflege ist ein brisantes Thema. Sowohl Pflegende als auch Pflegebedürftige können gewaltsam handeln. Vielfach geschieht dies ohne Vorsatz. Dabei können die Folgen für Betroffene gravierend sein. Pflegebedürftige, die sich oft schlecht wehren oder nur schwer mitteilen können, sind besonders verletzlich. Gewalt bedeutet für sie zum Beispiel, dass sie beschimpft oder hart angefasst werden, ihnen dringende Hilfe vorenthalten oder ihr Selbstbestimmungsrecht missachtet wird. Hiervor müssen sie wirksam geschützt werden.
Der Vorstandsvorsitzende des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP), Dr. Ralf Suhr, betont daher: "Gewaltprävention ist Grundvoraussetzung für gute Pflege. Umso schwerwiegender, dass dies aktuell bei der Bewertung und Darstellung von Pflegequalität kaum beachtet wird. Die Politik muss sicherstellen, dass sich mit der Reform der Pflegenoten hier etwas grundlegend ändert. Gewaltprävention muss zentraler Punkt der pflegepolitischen Agenda nach der Bundestagswahl sein."
Um neue Anhaltspunkte zur Bedeutung des Themas in der professionellen Pflege zu gewinnen, hat das ZQP eine repräsentative Befragung dazu in der stationären Pflege durchgeführt. 47 Prozent der Pflegedienstleitungen und Qualitätsbeauftragten gaben dabei an, dass sie 'Konflikte, Aggression und Gewalt in der Pflege' für ein Thema halten, das die stationären Pflegeeinrichtungen vor ganz besondere Herausforderungen stellt.
Nach Einschätzung der Befragten zeigt sich Gewalt professioneller Pflegekräfte gegen Pflegebedürftige am häufigsten in verbalen Übergriffen (oft: 2 %, gelegentlich: 23 %, selten: 55 %), Vernachlässigung (oft: 2 %, gelegentlich: 17 %, selten: 39 %), körperlicher Gewalt (oft: 1 %, gelegentlich: 7 %, selten: 38 %) und freiheitsentziehenden Maßnahmen gegen den Willen des Pflegebedürftigen (oft: 4 %, gelegentlich: 5 %, selten: 25 %).
Ralf Suhr dazu: "Mit unserem Befragungskonzept nehmen wir zwar in Kauf, dass die Studie das Problem sehr wahrscheinlich unterschätzt. Die Ergebnisse verdeutlichen deswegen aber umso mehr, dass Gewalt in der Pflege nicht ignoriert werden darf. Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens, nicht der Skandalisierung. Wer Gewaltprävention ernst nimmt, muss auf die Entstehungsbedingungen wie Überforderung oder Wissensdefizite aktiv Einfluss nehmen."
Die Studie schaut auch auf die Rahmenbedingungen zur Gewaltprävention in den Einrichtungen. 46 Prozent der Befragten gaben an, dass es in ihren Heimen kein speziell zur Vorbeugung und für den Umgang mit Aggression und Gewalt geschultes Personal gibt. 28 Prozent berichteten, dass Gewaltvorkommnisse nicht in einem Fehlerberichtssystem angegeben werden können. In 20 Prozent der Einrichtungen ist das Thema nicht ausdrücklich Bestandteil des Qualitätsmanagements. Für ganz besonders wichtig für erfolgreiche Gewaltprävention halten die verantwortlichen Pflegekräfte vor allem eine Fehlerkultur in der Einrichtung (74 %), den Einsatz von mehr Pflegepersonal (50 %) aber auch eine bessere fachliche Ausbildung der Pflegekräfte zu den Themen Konflikte, Aggression und Gewalt sowie spezifische Unterstützungsprogramme (je 44 %).
"Viele Einrichtungen leben engagiert vor, dass Gewaltprävention funktioniert. In der Praxis gibt es hierfür gute Ansatzpunkte. Dazu gehört der Einsatz wirksamer Alternativen zu den belastenden und gefährlichen freiheitsentziehenden Maßnahmen. Auch bei der Fehlerkultur und einer gewaltsensiblen Qualitätssicherung gibt es Gestaltungsmöglichkeiten. Einrichtungen, die hierbei erfolgreich sind, müssen stärker belohnt und als vorbildlich hervorgehoben werden", betont Suhr.
Zum Thema Gewaltprävention in der Pflege hält das ZQP kostenlose
Informationsangebote bereit. Dazu gehört der Report 'Gewaltprävention in der
Pflege', der per E-Mail an bestellung@zqp.de kostenlos bestellt werden kann.
Das ZQP-Portal www.pflege-gewalt.de bietet unter anderem aktuelle
Notrufnummern, an die sich jeder in problematischen Pflegesituationen wenden
kann.
• Methodik
Die Studie wurde als computergestützte Telefonbefragung (CATI) durchgeführt.
Befragt wurden Pflegedienstleitungen und Qualitätsbeauftragte in stationären
Einrichtungen. Die Stichprobe umfasst 250 Befragte aus 250 verschiedenen
Einrichtungen. Die Dienste und Einrichtungen wurden aus einer Liste der
Grundgesamtheit per Zufallsauswahl selektiert. Die Befragung wurde in der
Zeit vom 26. April bis 18. Mai 2017 durchgeführt. Um Abweichungen von der
Grundgesamtheit auszugleichen, die durch differenzielle Nichtteilnahme
entstehen, wurde die Stichprobe nach Kombination von Trägerschaft (privat;
freigemeinnützig/öffentlich) und Anzahl der betreuten Pflegebedürftigen (bis
50; 51-100; über 100) gewichtet. Hierfür wurde die Pflegestatistik 2015
(Statistisches Bundesamt, 2017) herangezogen. Die Werte der Gewichte reichen
von 0,70 bis 2,35. Die statistische Fehlertoleranz der Untersuchung in der
Gesamtstichprobe liegt bei ± 6 Prozentpunkten.
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Die Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege ist
Kooperationspartner in der Allianz für Menschen mit Demenz.
Pressemitteilung vom 14.06.2017
Reinhardtstraße 45, 10117 Berlin
E-Mail: info@zqp.de
Telefon: 030 27 59 395 0, Telefax: 030 27 59 395 20
Internet: http://www.zqp.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Juni 2017
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