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PFLEGE/759: Intensivmedizinische Versorgung in den kommenden Jahren erheblich gefährdet (DGIIN)


Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) - 3. März 2019

Intensivmedizinische Versorgung in den kommenden Jahren erheblich gefährdet

Pflegende und Experten fordern verbindliche Betreuungsschlüssel, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Bezahlung für Intensivpflegepersonal


Berlin - Bereits heute kommt es wegen des Personalmangels auf Intensivstationen häufig zu Bettensperrungen. Eine aktuelle Umfrage unter Intensivpflegekräften zeigt: Mehr als ein Drittel der Befragten plant, ihren Beruf in den nächsten fünf Jahren aufzugeben. Die Situation wird sich in Zukunft deutlich verschärfen, wenn keine wirkungsvollen Maßnahmen ergriffen werden, um die Arbeitsbedingungen für Pflegende auf Intensivstationen zu verbessern, warnt die Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin e.V. (DGIIN). Die Pflegenden und die Fachgesellschaft sehen Lösungsansätze in mehr Personal, besserer Bezahlung und Änderungen im Abrechnungssystem der Kliniken.

Schon jetzt kommt es auf dreiviertel der deutschen Intensivstationen zu Bettensperrungen aufgrund des Pflegepersonalmangels. Die DGIIN hat jetzt gemeinsam mit dem Marburger Bund die bisher deutschlandweit größte Umfrage unter Intensivpflegekräften durchgeführt. "Die Ergebnisse sollen eine Datengrundlage für notwendige Maßnahmen liefern, die aus der Krise führen", sagt Professor Dr. med. Christian Karagiannidis, leitender Oberarzt an der Lungenklinik Köln-Merheim und Präsident elect der DGIIN. "Sie zeigt uns aber vor allem: Wenn wir die Arbeitsbedingungen in der Intensivpflege nicht deutlich verbessern, ist die Patientenversorgung in den kommenden Jahren massiv in Gefahr. Es drohen ein Drittel der Fachkräfte in diesem Bereich verloren zu gehen", mahnt Karagiannidis. Zudem scheiden durch den demographischen Wandel die geburtenstarken Jahrgänge in den kommenden Jahren aus dem Berufsleben aus, die noch nicht in ähnlicher Zahl nachbesetzt werden können. "Da die Einnahmen der Krankenhäuser zudem ganz wesentlich von der Intensivmedizin abhängen, wird es zu einer unabwendbaren und dramatischen Änderung der Krankenhauslandschaft in Deutschland kommen", so der Experte weiter.

An der Umfrage, die vom 14. bis 21. Januar 2019 stattfand, beteiligten sich 2498 Intensivpflegekräfte. Dabei gaben rund 68 Prozent an, generell unzufrieden mit der Arbeitssituation zu sein. Rund 97 Prozent empfinden, dass die Arbeitsbelastung in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat und sich die Arbeitsbedingungen deutlich verschlechtert haben. 94 Prozent gaben an, dass hauptsächlich ökonomische Interessen in den Vordergrund getreten sind. Mehr als ein Drittel der Befragten (37 Prozent) plant, den Beruf in den kommenden fünf Jahren zu verlassen, noch einmal so viele (34 Prozent) planen, die Arbeitszeit zu reduzieren. Als Hauptgründe für die Unzufriedenheit mit der Arbeitssituation nannten die Befragten die enorme Arbeitsbelastung, einen hohen Zeitdruck, die zunehmende Ökonomisierung in den Kliniken und schlechte Personalschlüssel. Als einen Lösungsansatz nannten die Umfrageteilnehmer einen verbindlichen Personalschlüssel von zwei Patienten pro Pflegekraft. Derzeit betreut eine Pflegekraft in der Regel mindestens zweieinhalb bis drei Patienten.

"Diese Zahlen belegen eine dramatische Entwicklung in der Intensivpflege. Nicht nur die intensivmedizinische Versorgung ist bedroht, sondern auch die gesamte Krankenhausstruktur und damit die Existenz der Krankenhäuser - vom Kreiskrankenhaus bis zum Maximalversorger", so Professor Dr. med. Reimer Riessen, Leiter der Internistischen Intensivstation des Tübinger Universitätsklinikums und Past Präsident der DGIIN. Denn die Qualität intensivmedizinischer Behandlung hänge maßgeblich von den Pflegekräften ab, da diese für komplexe Behandlungen, wie beispielsweise die Stabilisierung von Organfunktionen, verantwortlich sind. "Die Arbeitsbedingungen der Pflegenden müssen sich drastisch und zeitnah verbessern. Dazu gehört ein verlässlicher Betreuungsschlüssel, mehr Wertschätzung von Seiten der Klinikträger und eine bessere Bezahlung", sagt Carsten Hermes, Sektionssprecher Pflege der DGIIN.

Der Pflegemangel stellt laut DGIIN auch eine Gefahr für die Finanzierung der Krankenhäuser dar. Das liegt daran, dass diese stark an die Einnahmen aus der Intensivmedizin gebunden ist. "Wir fordern deshalb eine Umgestaltung des DRG-Finanzierungssystems. Ziel muss sein, die Vergütung auch an Qualitätsindikatoren auszurichten und nicht an reiner Quantität. Es darf nicht sein, dass eine Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Patienten und der Beschäftigten im Gesundheitswesen ausgetragen wird", fordert Professor Dr. Uwe Janssens, Chefarzt an der Klinik für Innere Medizin und Internistische Intensivmedizin am St.-Antonius-Hospital Eschweiler und Generalsekretär der DGIIN.

Aus Sicht der Fachgesellschaft muss zudem vermieden werden, dass die Krankenhäuser untereinander in einem unkoordinierten Wettbewerb um die Pflegekräfte stehen. "Es wird unausweichlich sein, die Personalkapazitäten zu bündeln und Krankenhäuser zeitnah in einem geordneten Verfahren zusammenzuführen", sind sich die drei Experten einig.

Die detaillierten Umfrageergebnisse und Lösungsvorschläge der DGIIN werden heute im Ärzteblatt veröffentlicht.

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Quelle:
Deutsche Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN)
Pressemitteilung vom 3. März 2019
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. März 2019

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