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STUDIE/395: Langzeitstudie SHIP zur Erforschung von Volkskrankheiten - Gute und schlechte Nachrichten (idw)


Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald - 04.12.2012

Langzeitstudie SHIP, Gute Nachrichten, schlechte Nachrichten

Mehr Sport, weniger Alkohol, Nikotinsucht rückläufig, aber die Dicken ungebremst auf dem Vormarsch



Der harte Kurs der Politik und eine Vielzahl an restriktiven Maßnahmen haben sich ausgezahlt. Die Zahl der Raucher geht deutlich zurück. Auch der Alkoholkonsum ist rückläufig, ältere Menschen treiben mehr Sport und Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen werden besser medizinisch behandelt. Das sind die guten Nachrichten der aktuellen Untersuchungswelle der Langzeitgesundheitsstudie SHIP (Study of Health in Pomerania), eine der größten Gesundheitsstudien zur Erforschung von Volkskrankheiten.

"Das Problem der stark Übergewichtigen mit all den Folgeproblemen rollt mit immer größerer Wucht auf die Gesellschaft zu", fasste der Projektleiter, der Greifswalder Wissenschaftler Prof. Henry Völzke (Foto) die wesentlichen Ergebnisse der Reihenuntersuchung in Vorpommern heute in Schwerin zusammen.

"Die Erkenntnisse stellen ein wichtige Ausgangsbasis für die Landespolitik da, sowohl, was bisherige Entscheidungen als auch künftige Ausrichtungen anbelangt", betonte Sozialministerin Manuela Schwesig. "Schon jetzt kristallisiert sich das Übergewicht zum zentralen Problemfall für die Gesellschaft heraus, dem wir stärker entgegenwirken müssen."

In Vorpommern lebt die weltweit am besten untersuchte Bevölkerung. Die seit 15 Jahren laufenden Analysen wurde von der Universität Greifswald zu der Bevölkerungsstudie mit dem umfangreichsten Untersuchungsprogramm entwickelt. Die erste Datenerhebung (SHIP-0) von 1997 bis 2001 an 4.308 Erwachsenen zeigte eine vergleichsweise große Risikofaktorenlast in der vorpommerschen Bevölkerung. Die nordostdeutsche Bevölkerung wies häufiger als andere Übergewicht, Diabetes mellitus und Bluthochdruck auf. Jüngere Erwachsene rauchten häufiger als anderswo. Die zweite Untersuchungswelle (SHIP-1) fand im Zeitraum von 2002 bis 2006 mit 3.300 Teilnehmern statt, die dritte Phase (SHIP-2) mit 2.333 bereits untersuchten Probanden (Folgeuntersuchungen).

Davon unabhängig wurde zwischen 2008 und 2012 eine neue Gruppe von 4.420 Männern und Frauen untersucht (SHIP-Trend-0). Der Altersbereich lag wiederum zwischen 20 bis 79 Jahren. Ein zentrales Ziel dieser Studie ist es, den Verlauf der bekannten Risikofaktoren zu überprüfen.

"Im Jahre 2013 wird die nächste SHIP-Runde eingeläutet", informierte der Leiter des Institutes für Community Medizin an der Universität Greifswald, der Epidemiologe Prof. Wolfgang Hoffmann (Foto). "Nachdem die Untersuchungen der letzten 15 Jahre überwiegend durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt wurden, wird SHIP-3 durch Forschungsmittel der Universitätsmedizin Greifswald und des Landes Mecklenburg-Vorpommern finanziert."

Ebenfalls ab 2013 werden im Rahmen des Konzeptes SHIP INTERNATIONAL Partnerstudien in unterschiedlichen Regionen der Welt etabliert. Das erste Partnerprojekt der SHIP wird in der Region Blumenau/Pomerode in Brasilien starten.

Zentrale Ergebnisse der Untersuchungsgruppe (SHIP-0)
Bezugsbasis: 2002

  • Fettleibigkeit (Adipositas) ist in der vorpommerschen Bevölkerung noch häufiger anzutreffen als vor zehn Jahren. Waren damals 24 % der Männer adipös, so sind es heute 32 %. Bei den Frauen fällt der Trend weniger stark aus: Die Häufigkeit von Adipositas ist aber auch bei ihnen von 26 % auf 30 % angestiegen.
  • Im direkten Zusammenhang mit der zunehmenden Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas steht die größere Häufigkeit von Diabetes mellitus. Waren vor zehn Jahren noch 10 % der Männer betroffen, so sind es heute 13 %. Bei Frauen waren es 8 %, währenddessen es heute 11 % sind.
  • Die vorpommersche Bevölkerung konsumiert weniger Tabakwaren. Der Anteil rauchender Männer ist von 39 % auf 32 % gefallen, der Anteil rauchender Frauen von 28 % auf 24 %.
  • Auch der Alkoholkonsum hat in Nordostdeutschland abgenommen. Bei Männern und Frauen liegt die durchschnittliche Menge konsumierten Alkohols bei weniger als 50 % des Ausgangsniveaus.
  • In der gesamten Bevölkerung hat die körperliche Betätigung in der Freizeit zugenommen. Insbesondere Menschen im Alter von 50 Jahren aufwärts bewegen sich in der Freizeit deutlich häufiger als noch vor zehn Jahren. Der Anteil älterer Personen mit sportlicher Betätigung ist auf über 50 % gestiegen. Bei jüngeren Menschen unter 40 Jahren ist der Trend zur körperlichen Freizeitaktivität allerdings rückläufig.
  • Der mittlere Blutdruck ist in allen Altersgruppen gesunken: bei Männern von 140/86 mmHg auf 133/80 mmHg und bei Frauen von 129/81 mmHg auf 122/75 mmHg.
    Der Rückgang der mittleren Blutdruckwerte ist unter anderem auf eine intensivere Behandlung von Bluthochdruck bei über 50-Jährigen zurückzuführen. Erhielten vor zehn Jahren 39 % der Männer und 42 % der Frauen Medikamente gegen einen hohen Blutdruck, so sind es heute 54 % der Männer und 55 % der Frauen.

Weitere Hintergrundinformationen zu SHIP

Die von 2008 bis 2012 laufende Untersuchungswelle wurde in einer weltweit einzigartigen Bandbreite durchgeführt. Dazu gehörten vielfältige Analysen auf genetische Grundlagen häufiger Erkrankungen und Stoffwechselstörungen, erstmalig eine Ganzkörperuntersuchung durch einen Magnetresonanztomographen (MRT) sowie die Erfassung von Körperdaten im modernen Bodyscanner.

Auf jeden Fall ein Weltrekord: Haben SHIP-Trend-Probanden alle Studienangebote angenommen, so sind sie insgesamt 25 Stunden lang untersucht worden. Der Greifswalder Datenschatz erreicht inzwischen eine Speicherkapazität von 25 Terabyte (das sind 25.000.000.000.000 Byte oder mehr als 40.000 CD-ROM).

Das SHIP-Team, bestehend aus mehr als 50 Mitarbeitern, arbeitet mit zahlreichen Kooperationspartnern zusammen. In rund 400 wissenschaftlichen Publikationen sind die Ergebnisse der Untersuchungen veröffentlicht worden.

Etwa 50 Forschungseinrichtungen weltweit nutzen in Kooperation mit der Greifswalder Universität die anonymisierten Datensätze für ihre Arbeit und auf der Suche nach Therapien häufiger oder bisher unheilbaren Krankheiten.

Der bevölkerungsbasierte Ansatz erlaubt nicht nur die Schätzung der Häufigkeiten von Risikofaktoren und Erkrankungen in der Bevölkerung, sondern auch die Erstellung von Referenzwerten (Normalwerte - Was ist normal in der Bevölkerung?). Besondere Bedeutung werden dabei die MRT-Befunde erlangen, für die es in vielen Bereichen keine belastbaren Referenzwerte gibt.

Die Untersuchung der Krankheitslast erlaubt die bessere Abschätzung des zukünftigen medizinischen Versorgungsbedarfs in der Bevölkerung.

Das umfangreiche Untersuchungsprogramm fördert das Zusammenrücken verschiedener Fachdisziplinen. Beispiele: Zahnerkrankungen fördern das Entstehen systemischer Erkrankungen (z. B. Lungenerkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes). Eine gute zahnärztliche Versorgung kann dem erfolgreich entgegenwirken.

Anderes Beispiel: Die Verfettung der Leber (Fettleber) steht in engem Zusammenhang mit hormonellen Veränderungen, Diabetes und Gefäßverkalkungen. In enger internationaler Zusammenarbeit mit anderen führenden Studien wurden genetische Veränderungen r x identifiziert, die bei der Entstehung häufiger Erkrankungen eine Rolle spielen. Herausragende Beispiele dafür sind genetische Faktoren für Gicht, Fettleber und Schilddrüsenveränderungen. Diese Ergebnisse ermöglichen neue Forschungsansätze zur Entstehung dieser Erkrankungen und stellen die Basis für eine künftige individualisierte Medizin dar.


Weitere Infos zu SHIP unter
http://ship.community-medicine.de

Universitätsmedizin Greifswald
Institut für Community Medicine
Study of Health in Pomerania (SHIP)
Projektleiter: Prof. Dr. med. Henry Völzke
Walter-Rathenau-Straße 48, 17475 Greifswald
E voelzke@uni-greifswald.de
www.medizin.uni-greifswald.de

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Die Ganzkörperuntersuchung im MRT ab 2008 hat die Gesundheitsstudie qualitativ auf ein neues Niveau gehoben.

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Bundesgesundheitsblatt SHIP

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution65

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald, Constanze Steinke, 04.12.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2012