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SUCHT/639: Neue Studie bestätigt - 560.000 Internetabhängige in Deutschland (BMG)


Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung - 17. September 2013

Neue Studie bestätigt: 560.000 Internetabhängige in Deutschland

Soziale Netzwerke haben gleiches Suchtpotenzial wie Onlinespiele



1 Prozent der Bevölkerung zwischen 14 und 65 Jahren in Deutschland sind laut einer neuen Studie der Universität Lübeck internetabhängig. Das entspricht einer Zahl von ca. 560.000 Menschen. Die vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Studie zur Häufigkeit, Diagnostik und zu Risikoprofilen der Internetabhängigkeit "Prävalenz der Internetabhängigkeit - Diagnostik und Risikoprofile (PINTA-DIARI)" bestätigt damit die Ergebnisse der ersten repräsentativen Schätzung zur Prävalenz der Internetabhängigkeit in Deutschland (PINTA) der Universität Lübeck aus dem Jahr 2011.

In der aktuellen Studie gaben 37 Prozent der befragten Abhängigen an, dass sie hauptsächlich Online-Spiele spielten, während weitere 37 Prozent der Abhängigen in sozialen Netzwerken aktiv waren. 27 Prozent nutzten andere Internetanwendungen. Insgesamt betrachtet sind Männer und Frauen fast gleichermaßen von Internetabhängigkeit betroffen. Deutliche Unterschiede bestehen allerdings in der Art der exzessiven Internetnutzung: Während abhängiges Computerspielen primär bei Männern anzutreffen ist, sind Frauen eher von der Nutzung Sozialer Netzwerke abhängig.

Dazu erklärt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans: "Die Studie bestätigt, dass die auf Computerspieler zugeschnittenen Präventions- und Therapieangebote ausgebaut und weiter entwickelt werden müssen. Die Hilfsangebote müssen außerdem um spezielle Angebote für weibliche Internetabhängige und Nutzer von sozialen Netzwerken ergänzt werden. Die Gefahr, bei der Nutzung von Sozialen Netzwerken ein exzessives oder abhängiges Verhalten zu entwickeln, muss künftig besser ins Blickfeld genommen werden."

Zur Bestimmung der Internetabhängigkeit wurde in der Studie erstmals der Kriterienkatalog der American Psychiatric Association (APA) aus dem 2013 neu erschienenen "Diagnostischen und Statistischen Manual für Psychische Störungen 5 (DSM-5)" für die Internet-Spiel-Störung ("Internet Gaming Disorder") verwendet.

Die aktuelle Studie weist nach, dass mit einer Diagnose der Internetabhängigkeit häufig auch andere psychische Erkrankungen wie Persönlichkeitsstörungen, Impulsivität und Aufmerksamkeitsstörungen verbunden sind. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass die Internetabhängigkeit unabhängig von der Art der exzessiven Nutzung mit deutlichen negativen Auswirkungen auf das Sozialleben bis zur Arbeitsunfähigkeit verbunden ist.

Weitere Informationen zur Internetsucht und eine Kurzfassung der Studie unter:
www.drogenbeauftragte.de

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Prävalenz der Internetabhängigkeit - Diagnostik und Risikoprofile (PINTA-DIARI)

KOMPAKTBERICHT

An das Bundesministerium für Gesundheit



Projektlaufzeit: 01.09.2011 bis 31.03.2013
Förderkennzeichen: IIA5-2511DSM230
Fördersumme: 252.960


Gallus Bischof, Anja Bischof, Christian Meyer, Ulrich John & Hans-Jürgen Rumpf

Lübeck, August 2013

Projektleitung: PD Dr. Hans-Jürgen Rumpf

Kontakt:
PD Dr. Hans-Jürgen Rumpf, Universität zu Lübeck, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck


Dieser Kompaktbericht fasst die wesentlichen Befunde der PINTA-DIARI Studie zusammen. Dabei werden Befunde und Daten nicht im Detail beschrieben. Diese finden sich im ausführlichen Abschlussbericht.

1. Hintergrund

Internetabhängigkeit ist eine noch junge Störung, für die es wenig wissenschaftlich gesicherte Daten gibt, wie sie zu diagnostizieren ist und welche Risikomerkmale bestehen. Insbesondere Daten aus der Allgemeinbevölkerung fehlen. Die meisten Studien haben Risikogruppen oder Personen, die für die Störung Behandlung in Anspruch nehmen, untersucht. Hierbei wurden auch häufig lediglich Fragebogenverfahren eingesetzt und es fehlte meist eine ausführliche Diagnostik und Beurteilung der klinischen Bedeutung der Störung. Solche Daten sind für das Verständnis dieser Störung, die Abschätzung der Häufigkeit ihres Vorkommens und die Planung von Prävention und Therapie notwendig. Die Studie "Prävalenz der Internetabhängigkeit (PINTA)" ermöglichte eine Schätzung für die Häufigkeit von Internetsucht in einer großen deutschen Allgemeinbevölkerungsstudie. Hierfür wurde eine statistische Methode angewandt, welche Klassen aufgrund der Antworten in einem Fragebogen zum Internetverhalten ermittelte (Latent Class Analyse). Die Ergebnisse zeigten, dass nach den Antwortmustern zwei Gruppen auffällig waren, eine, die Merkmale riskanten Internetkonsums aufwies und eine zweite, die Hinweise auf eine Internetabhängigkeit zeigte. Diese letzte Gruppe umfasste 1% der Bevölkerung zwischen 14 und 64 Jahren (Rumpf et al., in press). Während in älteren Studien deutlich mehr männliche Befragte eine Internetsucht aufwiesen, gab es in der PINTA-Studie insgesamt eher geringe und nicht signifikante Unterschiede zwischen Männern (1,2%) und Frauen (0,8%), wobei die Frauen und Mädchen eher Soziale Netzwerke als Hauptnutzung des Internets angaben und die männlichen Teilnehmer Online-Rollenspiele. Höhere Raten zeigten sich insgesamt bei jüngeren Altersgruppen (2,4% der 14 bis 24-Jährigen und 4,0 % der 14-16-Jährigen) und hier waren weibliche Teilnehmer noch häufiger betroffen.

Als Konsequenz ergab sich aus den Befunden, dass genauere Erfassungsmethoden notwendig waren, um zu klären, welche Relevanz die PINTA-Ergebnisse haben. Es blieb ungeklärt, ob ein Teil der Befunde unter Umständen eher darauf zurückzuführen war, dass besonders bei jungen Menschen das Internet eine Form von Faszination auslöst, deren Erscheinungsweise mit Zeichen einer Sucht verwechselt werden kann. Notwendig war zu klären, ob diese Personen auch tatsächlich deutliche Beeinträchtigungen durch die exzessive Internetnutzung erleben.


2. Ziele der Studie

Hauptziel der vorliegenden Studie war, eine genauere Diagnostik mit Hilfe eines standardisierten klinischen Interviews vorzunehmen, um ein besseres Abbild der Störung zu ermöglichen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen abzuschätzen. Zu den Zielen zählten:

  1. Die in PINTA erfolgte Prävalenzschätzung sollte überprüft werden.
  2. Für die Compulsive Internet Use Scale (CIUS; Meerkerk, Van Den Eijnden, Vermulst, & Garretsen, 2009), welche in PINTA eingesetzt wurde, sollte ein Cut-off Wert ermittelt werden, der zwischen Personen mit und ohne Abhängigkeit differenziert.
  3. Es sollten Risikofaktoren untersucht werden, welche eine Rolle in der Entwicklung der Störung haben könnten.
  4. Für die identifizierten Personen mit einer Internetabhängigkeit galt zu untersuchen, ob diese Störung auch mit Beeinträchtigungen verbunden ist.
  5. Ergänzend wurde das Ziel verfolgt, Hauptaktivitäten im Internet (Computerspiele, Soziale Netzwerke und eine Gruppe mit weiteren Aktivitäten wie zwanghaftes Recherchieren oder der Konsum von Erotik und Pornografie) hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Internetsucht gegenüber zu stellen.

3. Methodische Vorgehensweise

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der PINTA-Studie erhielten in PINTA-DIARI eine Nachbefragung, in der ausführlich eine standardisierte, voll strukturierte Diagnostik der Internetabhängigkeit erfolgte. Dabei wurden alle eingeschlossen, die erhöhte Werte von 21 oder mehr Punkten in der CIUS aufwiesen. Der Nachbefragungszeitraum lag zwischen 12 und 30 Monaten und betrug im Mittel 21,5 Monate. Die Interviews wurden bundesweit von klinisch erfahrenen Interviewerinnnen (meist Psychologinnen) durchgeführt. Insgesamt konnten 196 Personen nachuntersucht werden.

Die Diagnostik bestand aus einem umfangreichen Interview, bei dem Vorschläge für die Kriterien der Internetsucht integriert wurden. Insbesondere konnte dadurch auch der während der Projektlaufzeit angekündigte Vorschlag der American Psychiatric Association abgebildet werden. Dieser Vorschlag wurde zunächst als Forschungsdiagnose "Internet Gaming Disorder" im Diagnostischen und Statistischen Manual für Psychische Störungen (DSM-5; American Psychiatric Association, 2013) begrenzt auf den Bereich des Computerspielens eingeführt (Petry & O'Brien, epub 2013) und im Rahmen der vorliegenden Studie als Grundlage der Diagnose der Internetabhängigkeit genutzt; das bedeutet, dass die Kriterien hier auch für andere Aktivitäten im Internet angewandt wurden und nicht nur für Computer- bzw. Onlinespiel. Nach DSM-5 müssen 5 von 9 Kriterien vorliegen. Neben dieser Diagnostik wurden Risikofaktoren und Beeinträchtigungsmaße sowie weitere psychische Störungen erhoben. Die Erfassung der weiterhin bestehenden (komorbiden) psychischen Störungen schloss auch Persönlichkeitsstörungen ein und wurde durch bewährte standardisierte teil- und vollstrukturierte Interviews geleistet. Für die Diagnose von Störungen im Bereich der Achse I nach DSM-IV (Saß, Wittchen, & Zaudig, 1996) wurde das Münchener Composite International Diagnostic Interview (M-CIDI; Wittchen et al., 1995) eingesetzt. Die Diagnose von Persönlichkeitsstörungen erfolgte mit dem SKID II (Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV, Achse II; Fydrich, Renneberg, Schmitz, & Wittchen, 1997).


4. Ergebnisse
4.1 Prävalenzschätzung

Die Prävalenzschätzung aus PINTA (s. Tabelle 1) konnte im Wesentlichen bestätigt werden. In der nachuntersuchten Stichprobe war der Anteil der Personen, der zu den beiden Messzeitpunkten bei den unterschiedlichen Messmethoden (LCA in PINTA und diagnostisches Interview mit den Kriterien nach DSM-5 in PINTA-DIARI) eine Internetabhängigkeit aufwies, nahezu identisch. Auch beim Vergleich von geschlechts- und altersspezifischen Untergruppen fanden sich nur wenige Abweichungen beim Vergleich der beiden Diagnosen, so dass eine Korrektur der Daten aus PINTA nicht gerechtfertigt erscheint. Die größte Abweichung zeigte sich in der Gruppe der 14- bis 24-jährigen Frauen mit höheren Prävalenzraten bei der Nachuntersuchung.

Tabelle 1: Prävalenz der Internetabhängigkeit aus PINTA



4.2 Cut-off für die CIUS

Für das Fragebogenverfahren CIUS konnten Vergleiche der Ergebnisse zum ersten Erhebungszeitpunkt (PINTA) mit den Interviewdaten vom zweiten (PINTA-DIARI) durchgeführt werden. Diese wurden genutzt, um einen Cut-off Wert zu bestimmen. Unterschieden werden soll dabei zwischen einer Empfehlung für den Zweck der Fallidentifikation (z.B. im Rahmen von Prävention oder Intervention) und der Prävalenzschätzung. Die Ergebnisse legen nahe, hier unterschiedliche Werte zu empfehlen. Für die Fallfindung konnten die Daten der nachuntersuchten Personen (welche alle mindestens 21 Punkte in PINTA hatten, also eine selegierte Gruppe darstellen) zeigen, dass ein Cut-off von 28, wie ihn die Autoren des Tests vorgeschlagen haben (Meerkerk et al., 2009), oder von 30, wie es die Daten aus PINTA nahelegen, unbefriedigend ist. Hiermit würden, wenn man z. B. die Werte für die in PINTA-DIARI Lifetime-Abhängigen heranzieht, nur 35% (Cut-off 28) bzw. 27% (Cut-off 30) identifiziert werden. Insgesamt ist für den Zweck der Fallfindung ein Wert von 24 sinnvoll, wenn man mindestens 70% der Zielpersonen entdecken will.

Für epidemiologische Zwecke (Prävalenzschätzung) ist ein höherer Cut-off heranzuziehen, weil sonst auf Grund der geringen Spezifität eine Überschätzung der Prävalenz droht. Es wird ein Cut-off von 30 empfohlen. Die PINTA-DIARI Daten lassen damit eine bessere Annäherung an die tatsächliche Prävalenz erwarten. Dieser Cut-off steht in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von PINTA. Für die Wahl der Cut-offs gelten bedingt durch das Zeitintervall zwischen den Erhebungen methodischen Einschränkungen. Insgesamt ist Vorsicht geboten, wenn mit Kurztests eine Prävalenz geschätzt wird, da die Schätzung vom Verhältnis von Sensitivität, Spezifität und wahrer Prävalenz abhängt und zu massiven Über- oder Unterschätzungen führen kann.


4.3 Risikofaktoren

Eine Reihe von Risikofaktoren konnte gefunden werden, die mit der Diagnose der Internetabhängigkeit einhergehen. Wie erwartbar wurden von den Abhängigen höhere Nutzungsdauern im Internet angegeben. Weiterhin stellt die Hauptnutzung von Online-Spielen einen Risikofaktor dar. Während innerhalb der Gruppe mit exzessiver Nutzung keine Geschlechterunterschiede im Hinblick auf das Vorliegen einer Internetabhängigkeit festzustellen waren, konnten die Vorbefunde deutlicher Geschlechterunterschiede hinsichtlich der bevorzugten Internetanwendungen bei Internetabhängigen repliziert werden. Während abhängiges Computerspielen primär bei (jüngeren) Männern anzutreffen ist, dominieren Abhängigkeitsmerkmale bei Nutzung Sozialer Netzwerke bei (jüngeren) Frauen. Es zeigte sich ein Zusammenhang zu anderen psychischen Erkrankungen. Von den DSM-IV Achse 1 Störungen war das Vorliegen von mindestens einer Störung erhöht wie auch das Vorliegen von affektiven Störungen, jedoch nicht von Angststörungen. Insbesondere konnte PINTA-DIARI aufzeigen, dass hohe Raten an Persönlichkeitsstörungen komorbid auftreten. Dies gilt für das insgesamte Vorliegen von mindestens einer Störung wie auch für die Cluster A, B und C. Dabei sind die Raten jeweils mindestens um das dreifache bei den Abhängigen erhöht. Als weitere komorbide Störung fand sich ADHD als Risikofaktor. Auch Teilbereiche der Impulsivität (fehlende Beharrlichkeit und kognitive Instabilität) fanden sich ausgeprägter bei den Abhängigen.


4.4 Beeinträchtigungen

Die nach DSM-5 Abhängigen wiesen in einer Reihe von Merkmalen signifikante Beeinträchtigungen auf. Von 15 Variablen, die Auswirkungen des Internets erfassen, waren die Werte bei den Abhängigen in 11 Bereichen signifikant schlechter. Die negativen Konsequenzen umfassten dabei weite Lebensbereiche wie Gesundheit, Leistungsfähigkeit und soziale Kontakte.

Tabelle 2: Beeinträchtigungen durch den Internetkonsum bei Abhängigen und Nicht-Abhängigen


Bei der konkreten Abfrage von Beeinträchtigungen durch die Internetnetnutzung in den letzten 12 Monaten waren alle Merkmale bei den Abhängigen signifikant stärker ausgeprägt: So wurden Einschränkungen im Haushalt, in der Arbeitsfähigkeit, in der Fähigkeit, enge Beziehungen einzugehen und im Sozialleben angegeben. Weiterhin war die Anzahl der Tage mit leichten Einschränkungen normaler Aktivitäten oder vollständiger internetbedingter Arbeitsunfähigkeit (Tabelle 2) deutlich erhöht. Um einen Vergleich zu haben, lassen sich Daten aus einer WHO-Studie nutzen (Alonso et al., 2011): Menschen mit Depression gaben dort 4,1 Tage an, an denen sie komplett nicht in der Lage waren, ihre Verpflichtungen zu erfüllen, Drogenmissbraucher oder -abhängige 1,2 und die Internetabhängigen in PINTA-DIARI 5,6. Die Befunde legen somit nahe, dass es sich um eine klinisch relevante Störung handelt.

4.5 Unterschiede hinsichtlich der Hauptaktivitäten im Internet (Computerspiele, Soziale Netzwerke, andere Aktivitäten)

Von der Gruppe der Abhängigen gaben 36,6% an, dass ihre Hauptaktivität in Online-Spielen bestand, 36,6% gaben Soziale Netzwerke und 26,8% andere Internetanwendungen an.

Zwischen diesen drei Gruppen zeigten sich kaum Unterschiede, auch im Hinblick auf Beeinträchtigungen (s. Tabelle 3), der Lebensbewältigung und Abhängigkeitsmerkmale. Die höchste Nutzungsdauer wiesen allerdings die Online-Spielerinnen und -Spieler auf. Frauen waren deutlich häufiger von der Abhängigkeit von Sozialen Netzwerken betroffen.

Tabelle 3: Beeinträchtigungen durch den Internetkonsum bei Abhängigen aufgetrennt nach Hauptaktivitäten



5. Schlussfolgerungen

Es liegen hiermit - unseres Wissens weltweit - erstmalig Daten zu den im DSM-5 vorgeschlagenen Kriterien für Internet Gaming Disorder vor. Die Kriterien wurden hier auch auf andere Anwendungen (Soziale Netzwerke und weiteres) übertragen. Weiterhin handelt es sich um eine Nacherhebung, die aus einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe stammt und damit nicht - wie die Mehrzahl anderer Studien - auf Teilpopulationen wie Studentinnen/Studenten oder ausgewählte Online-Nutzerinnen/-nutzer beschränkt ist. Folgendes Fazit ist zu ziehen:

  • Die Prävalenz aus PINTA kann im Wesentlichen bestätigt werden kann. Es ergeben sich keine Hinweise durch systematische Abweichungen, die eine Korrektur rechtfertigen.
  • Für die CIUS konnten zwei Cut-off Werte vorgeschlagen werden, je nachdem, ob eine Fallfindung (24) oder eine Prävalenzschätzung (30) erfolgen soll.
  • Längere Nutzungsdauern, Computerspiele und das Vorliegen komorbider psychischer Erkrankungen waren Faktoren, die mit dem Vorliegen von Abhängigkeit assoziiert waren.
  • Die Ergebnisse zeigen weiterhin, dass die Internetabhängigkeit mit deutlichen negativen Auswirkungen verbunden ist und dieses sowohl für das Online-Spielen wie auch für Soziale Netzwerke und weitere Internetanwendungen gilt.
  • Insgesamt bestanden kaum Abweichungen hinsichtlich der Anwendungen im Internet. Die Daten sprechen dafür, dass neben den Computerspielen auch Soziale Netzwerke und weitere Anwendungen zu einer Abhängigkeit führen können.
  • Frauen zeigen eine stärkere Gefährdung durch Soziale Netzwerke, männliche Teilnehmer eher durch Computerspiele. Daraus kann abgeleitet werden, dass die bislang meist auf die Klientel der Computerspieler zugeschnittenen Interventionsangebote einer Erweiterung um die Applikation Soziale Netzwerke bedürfen.

Die Daten bieten eine gute Grundlage, spezifische Maßnahmen in Bezug auf Prävention und Therapie zu entwickeln. Die PINTA-DIARI Studie ist, auch wenn eine Teilpopulation aus PINTA nachbefragt wurde, keine eigentliche Längsschnittstudie, die den Verlauf der Störungen abbilden kann. Für einen solchen Zweck lagen aus dem ersten Messzeitpunkt keine Daten vor. Für ein besseres Verständnis der Störung sind solche Studien für die Zukunft wünschenswert.


Literatur

Alonso, J., Petukhova, M., Vilagut, G., Chatterji, S., Heeringa, S., Ustun, T. B., et al. (2011). Days out of role due to common physical and mental conditions: results from the WHO World Mental Health surveys. Molecular Psychiatry, 16(12), 1234-1246.

American Psychiatric Association (Ed.). (2013). Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, fifth edition. Washington, D.C.: American Psychiatric Association.

Fydrich, T., Renneberg, B., Schmitz, B., & Wittchen, H.-U. (1997). SKID-II. Strukturiertes Klinisches Interview für DSM-IV Achse II: Persönlichkeitsstörungen. Göttingen: Hogrefe.

Meerkerk, G. J., Van Den Eijnden, R., Vermulst, A. A., & Garretsen, H. F. L. (2009). The Compulsive Internet Use Scale (CIUS): Some Psychometric Properties. Cyberpsychology & Behavior, 12(1), 1-6.

Petry, N. M., & O'Brien, C. P. (epub 2013). Internet gaming disorder and the DSM-5. Addiction, epub 2013.

Rumpf, H. J., Vermulst, A. A., Bischof, A., Kastirke, N., Gürtler, N., Bischof, G., et al. (in press). Occurence of internet addiction in a general population sample: A latent class analysis. European Addiction Research.

Saß, H., Wittchen, H.-U., & Zaudig, M. (1996). Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen DSM-IV. Göttingen: Hogrefe.

Wittchen, H.-U., Beloch, E., Garczynski, E., Holly, A., Lachner, G., Perkonigg, A., et al. (1995). Münchener Composite International Diagnostic Interview (M-CIDI), Version 2.2. München: Max-Planck-Institut für Psychiatrie.

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Quelle:
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung
Bundesministerium für Gesundheit
Friedrichstraße 108, 10117 Berlin
POSTANSCHRIFT: 11055 Berlin
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Internet: www.drogenbeauftragte.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2013