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SUCHT/640: 50.000 Kindern drohen Suchererkrankungen (Landesärztekammer Baden-Württemberg)


Presseinformation der Landesärztekammer BW vom 20. November 2013

50.000 Kindern drohen Suchererkrankungen



Symposium der Landesärztekammer informiert über Risikofaktoren und Interventionsmöglichkeiten. Experten verschiedener Professionen tauschen ihre Erfahrungen aus und entwickeln gemeinsame Handlungskonzepte.

Rund 150.000 Kinder unter 15 Jahren wachsen in Baden-Württemberg in suchtbelasteten Familien auf. "Eine erschreckende Bilanz für einen sozialen Rechtsstaat, der die Würde des Menschen als oberste Priorität staatlichen und gesellschaftlichen Handelns definiert", sagt Dr. Christoph von Ascheraden von der Landesärztekammer Baden-Württemberg, wo er den Ausschuss "Suchtmedizin" leitet.

"Die betroffenen Kinder erfahren häufig körperliche und seelische Gewalt, werden vernachlässigt, haben keinen Raum für eine kindgerechte Entwicklung, kommen selbst früh mit Alkohol, Drogen und deren desaströsen Folgen in Kontakt", berichtet der Allgemeinarzt aus St. Blasien. Und er weist darauf hin, dass das Risiko, selbst eine Suchtkrankheit zu entwickeln und wiederum gegenüber der nächsten Generation gewalttätig zu werden, bei Kindern aus suchtbelasteten Familien um ein Vielfaches erhöht ist.

Die Landesärztekammer sensibilisiert über 200 ihrer Mitglieder heute (20.11.2013) in Stuttgart für diese Problematik mit dem Fortbildungs-Symposium "Gesund von Anfang an". Schließlich haben die Kinder- und Jugendärzte den häufigsten Kontakt zu Kindern aus suchtbelasteten Familien. Aber auch Hausärzte, Gynäkologen und Neonatologen sowie Ärzte im Notfalldienst sind immer wieder mit der Thematik befasst.

Ärztinnen und Ärzte aus Praxis und Klinik diskutieren über Maßnahmen der Frühintervention und tauschen sich mit staatlichen, medizinischen und suchttherapeutischen Einrichtungen aus, wie sie noch enger zusammenarbeiten können, um den Teufelskreis aus Sucht, Gewalt und Armut zu durchbrechen.

Sollte es trotz aller begleitenden Hilfsmaßnahmen zu einer Eskalation, insbesondere auch zur Gewaltanwendung gegen Kinder kommen, sind auch schützende Maßnahmen wie etwa die Inobhutnahme zu erwägen. "Die vorübergehende oder dauerhafte Unterbringung und Versorgung der Kinder außerhalb der eigenen Familie muss jedoch die letzte Möglichkeit bleiben: Die Verbesserung der Situation in der eigenen Familie, der Aufbau eines positiven emotionalen Entwicklungsprozesses und die Förderung eigener Talente sind in jedem Fall zunächst anzustreben", ist Dr. von Ascheraden überzeugt.

Im multiprofessionellen Schulterschluss möchte die Landesärztekammer nach seinen Worten ein strukturiertes Konzept zur Sucht- und Gewaltprävention in den Familien möglichst frühzeitig etablieren. Dies beginnt mit der Betreuung und Beratung von Schwangeren, um eine embryonale Schädigung durch Alkohol, Medikamente, Nikotin und Drogen möglichst zu verhindern. Eine individuelle Förderung und Begleitung von belasteten Familien muss sich anschließen. Ein Platz in der Kita und im Kindergarten sind wichtige Bestandteile der weiteren Förderung für Kinder aus belasteten Familien. Mögliche unterstützende Maßnahmen sind frühzeitig zu bedenken und gegebenenfalls über das Jugendamt zu koordinieren.

Das Symposium der Landesärztekammer Baden-Württemberg sensibilisiert Ärztinnen und Ärzte für die Problematik. Denn nur wer um die Zusammenhänge, die Erscheinungsformen und die Ursachen der frühkindlichen Gefährdung weiß, kann ihr auch professionell begegnen. Darüber hinaus fördert das traditionell am Buß- und Bettag stattfindende suchtmedizinische Symposium den intensiven Meinungsaustausch zwischen verschiedenen Professionen. "Nur in einer gemeinschaftlichen Anstrengung können wir die Entwicklungsmöglichkeit der Kinder aus prekären Familien verbessern. Dazu sind wir alle aufgerufen", fordert Dr. von Ascheraden.

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Quelle:
Landesärztekammer Baden-Württemberg
Ärztliche Pressestelle
Jahnstraße 38a, 70597 Stuttgart
Telefon: 0711-76989-99, Telefax: 0711-764523
E-Mail: Presse@aerztekammer-bw.de
Internet: www.aerztekammer-bw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. November 2013