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HINTERGRUND/138: Das Tier herausbrüllen - Promotion über Black und Death Metal (UNI-INFO Oldenburg)


UNI-INFO Nummer 4 - Mai 2009
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

"Das Tier herausbrüllen"

Promotion über Black und Death Metal


Black und Death Metal. Der Sound. Der Markt. Die Szene", so der Arbeitstitel der Dissertation von Sarah Chaker, die sie am Institut für Musik bei Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer schreibt. Der UniSPIEGEL fand Chakers Forschung so interessant, dass er sie unter dem Titel "Frau Doktor Death Metal" auf die Titelseite der Februar-Ausgabe nahm. Und auch sonst zählt die Musikwissenschaftlerin zur absoluten Szene-Expertin.


UNI-INFO: Frau Chaker, Black und Death Metal gehören nicht unbedingt zum kulturellen Allgemeingut. Was kann man darunter verstehen?

CHAKER: Black und Death Metal sind in erster Linie zwei musikalische Phänomene, die sich aus Heavy Metal entwickelt haben. Dieser entstand wiederum aus dem Hardrock. Zur Musik gehören zwei Szenen, deren Anhängern es in allererster Linie um die Musik geht. Black und Death Metal Musik erkennt man daran, dass die Sänger grunzen und schreien, die Stimme wird als archaisches Musikinstrument eingesetzt. Damit brüllen sie das Tier in sich heraus.

UNI-INFO: Sie spielen in ihrer Freizeit Klavier, Flöte und Oboe. Das sind nicht unbedingt Metal-typische Instrumente. Wie kamen sie zu Ihrem Forschungsgegenstand?

CHAKER: Vor zehn Jahren war ich auf einem Rock-Festival. Mittags trat dort eine Band auf, deren Musik mir neu war. Ich habe später festgestellt, dass es Black Metal war. Ich arbeitete mich in das Thema ein, beschäftigte mich mit den extremen Spielarten des Metals. In Oldenburg veranstaltete ich dann als DJ Extreme Metal-Partys. So habe ich Zugang zur Szene bekommen, und langsam entstand der Gedanke, dass ich meine Magisterarbeit darüber schreiben könnte.

UNI-INFO: Für ihre Doktorarbeit besuchen Sie Konzerte und haben über 500 Metal-Anhänger befragt. Metal gilt gemeinhin als ziemlich konservativ und oftmals frauenfeindlich. Bestätigen Ihre Untersuchungen das?

CHAKER: Im Metal Bereich sind Black und Death Metal in musikalischer Hinsicht durchaus progressive Bewegungen. Viele Fans sind gebildet, über 50 Prozent der Death Metal Fans haben Abitur. Die Inhalte von Black und Death Metal sind zudem ziemlich komplex. Bei Black Metal sollte man sich zum Beipspiel mit nordischer Mythologie oder der Philosophie Nietzsches auseinandersetzen. Man muss Zeit investieren, bis man in der Szene mitreden kann.

UNI-INFO: Wie muss man sich den typischen Black und Death Metal-Fan vorstellen?

CHAKER: Black und Death Metal sind klare Männerdomänen. Die meisten kommen im Alter von 16 Jahren zur Szene. Zumeist über Freunde. Die Zugehörigkeit erstreckt sich über weite Zeiträume hinweg, was dem Wunsch nach Beständigkeit und intensiven Bindungen entspricht. Meine Daten zeigen, dass die meisten der bürgerlichen Mittelschicht entstammen. Viele gaben außerdem an, eine glückliche Kindheit verlebt zu haben.

UNI-INFO: Die Amokläufer aus Erfurt und Emsdetten, aber auch aus Littelton und dem finnischen Kuhajoki hörten verstärkt Metal-Musik?

CHAKER: Ich persönlich denke, dass alles, was man im Extremen betreibt, nicht gut ist. Wenn man nur noch Black oder Death Metal hört und das zum einzigen Lebensmittelpunkt macht, kann das ein Indiz dafür sein, dass im sozialen Umfeld etwas nicht in Ordnung ist. Aber der Auslöser für einen Amoklauf ist die Musik sicherlich nicht. Die allermeisten Metal-Anhänger können durchaus zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheiden.


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Quelle:
UNI-INFO Nr. 4 - Mai 2009, Seite 3
36. Jahrgang
Herausgeber: Presse & Kommunikation
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Das UNI-INFO erscheint in der Vorlesungszeit monatlich.


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2009