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HINTERGRUND/241: Rappen "auf Maya" - subversiv, politisch und erfolgreich (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Mexiko

Maya-Rap: subversiv, politisch und erfolgreich


Sie rappen in ihrer eigenen Sprache über ihre Weltanschauung und ihre Traditionen, um ihre Lebensweise und ihre Identität als Maya zu behaupten.

(Mérida, 4. Oktober 2021, desinformémonos) - Sie rappen in ihrer Muttersprache, sagen, was sie über die Welt denken, und protestieren gegen ethnische Diskriminierung und geschlechtsspezifische Gewalt: Mit subversiven Klängen hinterfragen junge Musiker*innen wie Pat Boy, Dino Chan und Yazmín Novelo aus Yucatán vorgefasste Meinungen über die Maya und erobern sich einen Bekanntheitsgrad, der über die mexikanischen Landesgrenzen hinausgeht. Auch in Quintana Roo und Campeche räumen Rapper*innen mit traditionellen Klischees auf. Sie sind Teil einer Bewegung, die sich mit Musiker*innen aus anderen Regionen und sogar aus anderen Ländern vereint.


Eine gerappte Neudefinition der Maya-Identität

Diesen Sounds, die die Narrative der indigenen Musiktradition zu "Lärm" machen, haftet etwas Subversives an, findet Nidelvia Vela Cano, promovierte Mesoamerikanistin der mexikanischen Universität UNAM. "Subversiv deshalb, weil sie Rap und Pop-Rock in der Sprache der Maya produzieren und uns zwingen, die Jugend dieses Volkes aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Sie rappen in ihrer eigenen Sprache, um ihre Weltanschauung, ihre Traditionen und ihre Lebensweise auszudrücken; um ihre Identität als Maya zu behaupten. Zugleich formulieren sie ihren Wunsch, weiterhin Maya sein zu können." Dass sie in der Maya-Sprache rappen, verleihe den Künstler*innen eine ganz eigene Identität, so Vela Cano, die ihre Doktorarbeit über rebellische Musik von Maya-Jugendlichen der Gegenwart geschrieben hat. Rappen "auf Maya" ist subversiv, weil die Sprache nur zu Hause und innerhalb des eigenen sozialen Umfelds gesprochen wird. Wer beispielsweise in der Stadt Mérida eine indigene Sprache spricht, muss mit Diskriminierung rechnen. Mit ihrer Musik sind die Rapper*innen jedoch weit über die Grenzen der Stadt Mérida hinaus bekannt geworden. Aber sie gehen noch viel weiter, protestieren mit diskursiver und musikalischer Kreativität gegen Diskriminierung, geschlechtsspezifische Gewalt und die sozialen und wirtschaftlichen Probleme, die sie in ihrem Alltag erleben. Bis 2014 war ihr Stil noch weitestgehend unbekannt; inzwischen werden sie jeden Tag lauter und begeistern Jung und Alt, denn "Maya-Rap ist nicht nur etwas für junge Leute", ergänzt die Anthropologin.


Große Begeisterung, wenig Gage

Dem Rhythmus dieser Musik und den gerappten Texten können sich nur wenige verwehren, so auch nicht beim Konzert Sangre Maya, mit Pat Boy und dem Sinfonieorchester aus Campeche. Auf dem internationalen Maya-Kongress, der 2016 von der UNAM in Izamal organisiert wurde, tanzten sogar die Akademiker*innen zum Rhythmus von Pat Boy, Yazmín Novelo und der Gruppe Yok'el'jk'umaltik, einer Band aus Las Margaritas im Bundesstaat Chiapas, die Ska, Rock und Reggae mischt und auf Tojol-Ab'al, Tzotzil, Zoque und Tzeltal textet. Bei einem Konzert im Jahr 2019 im Gran Museo del Mundo Maya in Yucatán traten Yok'el'jk'umaltik, Chan Santa Roots und Pat Boy aus Quintana Roo, die Gruppe Juumil Moots (Sonido de raíz) aus Mérida und El Maya aus dem Bundesstaat Yucatán auf. Immer häufiger werden die Bands für Events im In- und Ausland gebucht. Dennoch: Bis sie von ihrer Musik leben können, ist es vermutlich noch ein weiter Weg. Die Jugendlichen komponieren nicht nur Musik und improvisieren erstklassige Texte, sie drehen auch ihre eigenen Videos und stellen sie ins Netz. Sie leben für den Rap, Pop-Rock, Ska und Ethno-Reggae, doch für den Lebensunterhalt reicht die Musik nicht. Die meisten dieser jungen Künstler*innen erhalten lediglich eine Aufwandsentschädigung für Fahrtkosten und Unterkunft pro Auftritt. Nicht einmal Pat Boy, Dino Chan oder Yazmín Novelo, die internationale Bekanntheit erlangt haben, verdienen so viel wie andere Musiker*innen und Sänger*innen in der Stadt.


Jede Region hat ihre Trends

In Chiapas und Quintana Roo spielen indigene Gruppen Rock mit Blechblasinstrumenten und einigen traditionellen Instrumenten, wie etwa der Rascabuche, dem Tunkul und den Caracoles, oder sie mischen ihre traditionellen Rhythmen. Der Rap aus Yucatán legt besonderen Wert auf Texte, die unter die Haut gehen. Dino Chan zum Beispiel thematisiert mit großer Sensibilität die Stärke, die man braucht, um Maya zu sein. Frauen sind in dieser sozialkritischen Musikbewegung weniger stark vertreten, möglicherweise weil der öffentliche Raum für sie gefährlich ist. Die Nah-Schwestern aus Akil treten beispielsweise unter dem Namen der Band auf, die sie zusammen mit ihrer Familie gegründet haben. Eine Ausnahme ist Yazmín Novelo: Mit ihrer Gruppe Juumil Moots spielt sie Pop und Rock und fusioniet ihre experimentelle Musik mit Gitarrenklängen der yukatekischen Trova, und vielleicht kommt eines Tages noch das traditionelle Klangholz Tunkul dazu. Der sehr schnelle, rhythmische Rap von Pat Boy transportiert eine Message, mit der viele junge Leute etwas anfangen können, die sich für Maya-Rap interessieren. In seinem Bundesstaat Quintana Roo ist er ein wichtiger Vertreter dieser Musikrichtung.

Doch die modernen, frechen Sounds der Jugendlichen gibt es nicht nur auf der Halbinsel Yucatán: "Auch in anderen Regionen des Landes hört man Hip-Hop, Rock, Reggae, Blues und sogar Mariachi in indigenen Sprachen", so Nidelvia Vela Cano.


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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 7. Dezember 2021

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