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AUSLAND/8319: Aus aller Welt - 14.11.2019 (SB)


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Machtübernahme in Bolivien verfassungswidrig

Boliviens langjähriger Präsident Evo Morales hat in seinem mexikanischen Asyl der spanischen Zeitung El País unter anderem erklärt, daß er solange Staatsoberhaupt seines Landes ist, wie das Parlament in La Paz seinen Rücktritt nicht offiziell angenommen oder abgelehnt hat. Bei einer Annahme seines Rücktritts und des Rücktritts seines Stellvertreters stünde verfassungsgemäß die Präsidentin des Senats, Adriana Salvatierra, an der Spitze des Staates. Diese hatte am Sonntag ebenfalls ihren Rücktritt erklärt und betonte am Mittwoch, dieser sei vom Parlament noch nicht angenommen worden, weshalb er nicht in Kraft getreten sei. Am Dienstag hatte sich die zweite Vizepräsidentin des Senats, Jeanine Áñez, zur Übergangspräsidentin erklärt und die Durchführung von Neuwahlen angekündigt. Laut Morales verstößt die Machtergreifung von Áñez gegen die bolivianische Verfassung. Das Verfassungsgericht hat jedoch die Machtübernahme von Áñez gebilligt. Senat und die Abgeordnetenkammer Boliviens sind bislang nicht beschlußfähig, weil die Abgeordneten der sozialistischen Regierungspartei MAS die Sitzungen der Gremien boykottieren.

Morales war am 20. Oktober erneut zum Präsidenten Boliviens gewählt worden. In einem zweifelhaften Schritt hatte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die Wahl für manipuliert erklärt, bevor die Wahlergebnisse aus den hauptsächlich von Indigenen bewohnten, ländlichen Wahlbezirken vorlagen. Die OAS empfahl Morales die Durchführung von Neuwahlen. Der Präsident akzeptierte den Vorschlag, doch die bei der Wahl unterlegene Opposition hatte bereits die Straße gegen die sozialistische Regierung mobilisiert. Militärs und Polizei stellten sich auf die Seite der Opposition. Morales dankte ab und floh am vergangenen Dienstag, um sein Leben fürchtend, nach Mexiko, wo ihm humanitäres Asyl gewährt wird.

Morales würde bei Neuwahlen nicht erneut kandidieren. Für ihn ist wichtig, daß die Todesfälle und Verletzungen in Bolivien aufhören und Armee und Polizei ihre Verantwortung wahrnehmen. Er warf in dem El-País-Interview den Ordnungskräften vor, einen Staatsstreich zur Verteidigung der reichen Bevölkerung durchzuführen und die Menschen mit Flugzeugen und Hubschraubern einzuschüchtern. Morales sprach von einem Klassenproblem. Er plädierte für einen nationalen Dialog, an dem die Bürgerkomitees, die politischen Kräfte, die Rechten, die sozialen Bewegungen und die Regierung beteiligt sind.

14. November 2019


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