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BERICHT/071: Exkursion ins Reich der Ringe - Saturn im Amateurteleskop (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 2/13 - Februar 2013
Zeitschrift für Astronomie

Exkursion ins Reich der Ringe
Saturn im Amateurteleskop

Von Martin J. Neumann



In der Gunst der Beobachter konkurriert Saturn mit Paradeobjekten wie dem Mond und Jupiter. Denn auch bei dem zweitgrößten Planeten unseres Sonnensystems gibt es einiges zu sehen: das Ringsystem mit seinen Teilungen, den Umlauf der Trabanten, den Schatten der Planetenkugel auf den Ringen - und manchmal sogar einen Sturm planetaren Ausmaßes.


Obwohl die Astronomen mit großen Teleskopen und Raumsonden bei allen Riesenplaneten Ringe entdeckten, behauptet Saturn weiterhin seine Stellung als »der Ringplanet«. Denn im Vergleich zu seinen Geschwistern Jupiter, Uranus und Neptun zeigt Saturn ein viel auffälligeres und bereits seit Jahrhunderten bekanntes Ringsystem, das ihn zu einer der größten Attraktionen des Himmels macht. Und Sie müssen nicht unbedingt über ein großes Teleskop verfügen, um eindrucksvolle Ansichten des Planeten genießen zu können. Bereits kleinste Geräte zeigen, dass sich die Gestalt Saturns von derjenigen anderer Planeten unterscheidet, und bereits mit einem Fernglas können Sie seinen größten Mond Titan sehen.

Wie leistungsfähig muss ein Linsen- oder Spiegelteleskop mindestens sein, um den Saturnring sehen zu können? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage lässt sich kaum geben, denn sie hängt letztlich von der Güte der Optik, der Sehfähigkeit der Augen und von der Erfahrung des Beobachters ab. In der Literatur findet sich beispielsweise die Angabe von fünf Zentimeter Öffnung bei einer etwa 20-fachen Vergrößerung, aber auch viele Feldstecher geben den Ring trotz ihrer geringen Vergrößerung zweifelsfrei zu erkennen. Darum hier ein Vorschlag: Versuchen Sie doch selbst einmal herauszufinden, welches das kleinste optische Gerät ist, mit dem Sie den Ring gerade noch von der Planetenkugel unterscheiden können! Gelingt es Ihnen bereits mit einem Fernglas? Bei solchen Beobachtungen empfiehlt es sich übrigens, das Gerät auf ein Stativ zu montieren oder die Ellbogen abzustützen, damit das Bild nicht wackelt - beispielsweise auf einer Mauer oder den Armlehnen eines Liegestuhls.


Das Abc der Ringe

Mit einem Teleskop ab etwa vier Zoll Öffnung sehen Sie im Ringsystem bereits Strukturen. Bei ruhiger Luft lassen sich ein breiter innerer Ring und ein schmalerer äußerer Ring unterscheiden, die eine feine pechschwarze Linie, voneinander trennt. Sie heißt Cassini-Teilung und trägt den Namen ihres Entdeckers, des Astronomen Giovanni Domenico Cassini (1625-1712).

Die visuell sichtbaren Saturnringe werden von außen nach innen mit A, B und C bezeichnet, weitere lichtschwächere Ringe mit den Bezeichnungen D, E, F und G lassen sich nur mit Raumsonden ausmachen (Diese und alle folgenden Bildhinweise gelten nur für die Druckausgabe / siehe auf S. 76 oben). Auf den ersten Blick werden Ihnen nur die hellen Ringe A und B ins Auge fallen. Innerhalb des B-Rings zeigen Amateurteleskope ab etwa sechs Zoll Öffnung noch den bedeutend lichtschwächeren C-Ring. Erfahrene Beobachter können ihn aber auch bereits mit einem Vier-Zoll-Teleskop in den henkelförmigen Bereichen des Ringsystems rechts und links der Planetenkugel wahrnehmen. Abgesehen davon gibt es noch eine einfache Möglichkeit, den C-Ring mit kleinen Fernrohren zu erspähen: Ab etwa 150-facher Vergrößerung sollten Sie einmal jenen Teil des Ringsystems inspizieren, der unmittelbar vor der Planetenkugel vorüberläuft. Hier verrät sich der C-Ring als schmale graue Zone, die das Licht der dahinterliegenden Saturnatmosphäre abschwächt (siehe Bild auf S. 77 oben).

Eine weitere oft übersehene Feinheit ist der Helligkeitsunterschied der Ringe A und B. In Saturnbildern erscheint der A-Ring zumeist dunkler als der B-Ring. Außerdem nimmt die Helligkeit des B-Rings zur Planetenkugel hin ein wenig ab. Gelingt es Ihnen, diese Nuancen in Ihrem Teleskop auszumachen?

Bilder von Raumsonden enthüllten in den Ringen unzählige Helligkeitsminima, -maxima und Teilungen. Ihr Anblick erinnert ein wenig an die Rillen einer Schallplatte. In einem Teleskop ab etwa zehn Zoll Öffnung sind immerhin zwei Lücken des Ringsystems sichtbar: Neben der erwähnten Cassini-Teilung lässt sich unter sehr günstigen Bedingungen im äußeren Drittel des A-Rings die bedeutend schmalere Encke-Teilung als feine schwarze Linie ausmachen. Ihre erfolgreiche Sichtung setzt ruhige Luft und eine gut justierte Teleskopoptik voraus. Etwas einfacher ist das inmitten des A-Rings verlaufende breitere Encke-Band auszumachen. Dabei handelt es sich nicht um eine Lücke, sondern um eine dunklere Zone, die entlang des Rings verläuft (siehe Kasten S. 78). Im Teleskop ist sie vorzugsweise rechts und links der Planetenkugel sichtbar, wo der Winkelabstand des Rings am größten ist.


Aktive Atmosphäre

Abgesehen von den Ringen hat auch die Atmosphäre des Saturn dem Beobachter zeitweilig einiges zu bieten. Allerdings lässt sich ihr Erscheinungsbild kaum mit dem der Jupiteratmosphäre vergleichen, wo es auffällige Wolkengürtel, Flecken und Girlanden gibt, deren Aussehen sich ständig ändert. Hingegen sehen wir auf der Saturnkugel oft nur eine helle Äquatorzone, flankiert von den dunkleren Gebieten der gemäßigten Breiten, sowie die noch dunklere Polregion. Weitere Details sind bei dem Ringplaneten eher die Ausnahme - doch dieses ruhige Erscheinungsbild trügt.

Tatsächlich gibt es auf Saturn Windsysteme mit Geschwindigkeiten von rund 1000 Kilometern pro Stunde. Auch hier tummeln sich Gaswirbel und heftige Stürme. Allerdings verbergen sie sich unter einer ausgedehnten Dunstschicht, die uns den Blick auf das turbulente Geschehen verwehrt. Zudem sind die Wolken der Saturnatmosphäre nicht so farbenprächtig wie bei Jupiter. Dennoch hält Saturn für ausdauernde Beobachter Überraschungen bereit.

So entdeckten Amateurastronomen Ende 2010 auf der Nordhalbkugel einen großen Sturm, der zunächst als heller weißer Fleck auftrat und sich in den darauffolgenden Monaten ausdehnte, bis er einen beträchtlichen Teil der Planetenkugel erfasste. Der Sturm erstaunte auch die Fachastronomen, denn bislang gingen sie davon aus, dass ein solches Ereignis nur einmal innerhalb eines Saturnumlaufs von 29,5 Jahren auftritt, und zwar dann, wenn auf der Nordhalbkugel Spätsommer ist. Nachdem zuletzt im Jahr 1990 ein weißer Fleck aufgetaucht war, wäre der nächste um das Jahr 2020 zu erwarten gewesen. Überraschenderweise gab es jedoch bereits im Jahr 2010 einen neuen Fleck. Erst kurz zuvor, im August 2009, hatte Saturn die Tag-und-Nacht-Gleiche erreicht, und auf der Nordhalbkugel war soeben erst der Frühling angebrochen. Der »außerplanmäßige« Sturm des Jahres 2010 ließ sich noch weit bis ins Jahr 2011 hinein beobachten (siehe Bilder unten).

Wenngleich sich der Anblick des Planeten im Teleskop im Jahr 2012 wieder normalisiert hat, scheint es unter der Dunstschicht seiner Atmosphäre weiterhin turbulent zuzugehen. Darauf deuten Infrarotbeobachtungen hin, die Wissenschaftler der NASA mit der Saturnsonde Cassini durchführten. Die Daten enthüllten »rekordverdächtige Störungen« in der oberen Atmosphäre - und dies lange, nachdem im sichtbaren Spektralbereich alle Merkmale des Sturms verschwunden waren. Die Forscher bezeichneten den Sturm als »ein Ereignis von seltener Wucht«, und ihre Messungen belegen, dass die Atmosphäre des Ringplaneten weiterhin sehr aktiv ist. In den nächsten Jahren wird das wärmende Sonnenlicht unter einem zunehmend steileren Winkel auf die Nordhalbkugel Saturns fallen, und vielleicht wird diese Energiezufuhr weitere Überraschungen auslösen. Ein regelmäßiger Blick auf den Planeten könnte sich daher lohnen.


Wie beobachten?

Um Veränderungen in der Saturnatmosphäre möglichst frühzeitig erkennen zu können, sollten Sie sich zunächst mit dem »normalen« Erscheinungsbild der Atmosphäre vertraut machen. Am besten gelingt Ihnen dies, wenn Sie den Anblick des Planeten im Teleskop regelmäßig zeichnen (siehe Bild auf S. 75). Hierfür gibt es Zeichenschablonen, welche die aktuelle Ringöffnung berücksichtigen. Sie stehen im Internet zum Herunterladen bereit, beispielsweise bei der Saturn-Sektion der Association of Lunar and Planetary Observers (ALPO) oder bei der British Astronomical Association (BAA). Für Fragen, Auskünfte und zur Diskussion aktueller Beobachtungen stehen im deutsprachigen Raum auch die Mitglieder des Arbeitskreises Planetenbeobachter als Ansprechpartner bereit (siehe unten bei den Literaturhinweisen).

Im Jahr 2013 ist das Ringsystem relativ weit geöffnet und lässt einen Großteil der Planetenkugel erkennen. Sicherlich gelingt es Ihnen leicht, die hellere Äquatorzone von den dunkleren Partien der gemäßigten Breiten und der Polregion zu unterscheiden. Nachdem Sie den Planeten eingehend betrachtet haben, können Sie daran gehen, die verschiedenen Bereiche der Planetenkugel und eventuelle Schattenwürfe auf den Ringen in einer Zeichnung wiederzugeben. Erfassen Sie dabei zunächst die groben Merkmale, beispielsweise den Verlauf der atmosphärischen Zonen. Anschließend sollten Sie versuchen, feinere Details zu dokumentieren.

Zu Beginn jeder Beobachtung werden Sie nur wenige Einzelheiten auf dem Planeten und Ringen erkennen. Lassen Sie Ihren Augen genügend Zeit, sich an das Bild zu gewöhnen. Dieses »Einsehen« erfordert umso mehr Geduld, je größer die Luftunruhe (englisch: seeing) ist. Leider ist die Qualität der Luft an Ihrem Beobachtungsort nicht der einzige Faktor, der das Seherlebnis mindern kann. Wenn Sie Ihr Teleskop aus einem geheizten Zimmer ins Freie gebracht haben, muss sich die Optik zunächst an die Außentemperatur anpassen, denn sonst liefert sie nur kontrastarme Bilder. Zudem führen auch Temperaturunterschiede innerhalb des Teleskoptubus zu Luftturbulenzen.

Bei ruhiger Luft können Sie das Planetenbild etwa bis zum Zweifachen der in Millimetern ausgedrückten Teleskopöffnung vergrößern. So ergibt sich für ein Teleskop mit einer Öffnung von 150 Millimetern eine maximale Vergrößerung von 300-fach. Bei permanent schlechterem Seeing empfiehlt es sich, die Vergrößerung nur so hoch zu wählen, dass das Planetenbild nicht verwaschen erscheint. Häufig schwankt die Luftunruhe sehr stark und unvorhersehbar. Die Kunst des Beobachtens besteht nun darin, geduldig die kurzen Phasen ruhiger Luft abzuwarten, die Ihnen die Sicht auf feinste Details gewähren. Übung erfordert es auch, das Gesehene lagerichtig in eine Zeichnung zu übertragen. Je häufiger Sie den Ringplaneten beobachten, desto geschulter wird Ihr Blick und Ihre Fähigkeit, die kontrastarmen Details wahrzunehmen.

Und noch ein praktischer Tipp: Am Teleskop sollten Sie eine möglichst bequeme Körperhaltung einnehmen, die es Ihnen jederzeit gestattet, ohne Anstrengung in das Okular zu blicken. Ihre Schreib- und Zeichenunterlagen sollten in bequemer Reichweite sein. Am besten beobachten Sie im Sitzen, so dass Sie sich mühelos auf den Anblick des Planeten konzentrieren und ungestört nach Details Ausschau halten können. Diese einfachen Maßnahmen zahlen sich aus: Erfahrene Planetenbeobachter sagen, dass eine entspannte Körperhaltung ein zusätzliches »virtuelles Zoll« an Teleskopöffnung ergibt!


Die Sichtbarkeit im Jahr 2013

Saturn erreicht am 28. April 2013 seine Oppositionsstellung zur Sonne. Er steht dann dem Tagesgestirn am Himmel gegenüber und geht zu Sonnenuntergang über dem Südosthorizont auf. Kurz nach 1 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit erreicht er seine höchste Stellung über dem Horizont, die Kulmination. Wie jeder Planet, der sich außerhalb der Erdbahn bewegt, so beschreibt auch Saturn im Lauf von Monaten eine Schleifenbahn am Himmel. In diesem Jahr verläuft sie in den Sternbildern Jungfrau und Waage. Die Bewegung Saturns lässt sich dann recht einfach erkennen, wenn Sie den hellen Stern Spika als Bezugspunkt wählen (siehe Bild auf S. 80). Dabei bietet das ungleiche Paar dem bloßen Auge einen reizvollen Farbkontrast.

Die Oppositionszeit sollten Sie auch dazu nutzen, die Monde in Augenschein zu nehmen, denn kein anderer Planet zeigt in einem Amateurteleskop so viele Trabanten wie Saturn! Durch einen kleinen Refraktor sehen Sie neben dem größten Mond Titan auch Rhea, und durch ein Teleskop ab etwa sechs Zoll Öffnung auch Dione und Iapetus. Stehen Ihnen größere Optiken mit 8 bis 16 Zoll Öffnung zur Verfügung, dann können Sie auch die inneren Monde Mimas, Enceladus und Tethys sichten. Allerdings sind sie etwas schwieriger zu finden - insbesondere deshalb, weil sie sich niemals sehr weit vom hellen Planeten entfernen (siehe Bild oben). Über die Positionen der in kleineren Teleskopen sichtbaren Monde informiert regelmäßig die Rubrik »Aktuelles am Himmel« (siehe S. 64).

Auch außerhalb der günstigsten Sichtbarkeit hält Saturn einen Leckerbissen für Beobachter bereit: Betrachten Sie ihn einige Monate vor oder nach der Opposition, dann wird Ihnen auffallen, dass die Ringe kurz vor dem Rand der Planetenkugel im Dunkel des Weltalls zu enden scheinen (siehe Bild auf S. 75 und auf S. 77 oben). Bei hoher Vergrößerung erscheinen die Ringe nun geradezu wie abgeschnitten. Die Ursache liegt darin, dass die von der Sonne beleuchtete Planetenkugel einen Schatten ins Weltall wirft. Außerhalb der Opposition blicken wir ein wenig »von der Seite« auf Saturn und seinen Schattenkegel. Wir können dann diejenige Stelle betrachten, an der die Ringe in den Schatten eintauchen.

In den kommenden Jahren wird sich das Ringsystem für den irdischen Betrachter weiter öffnen. Allerdings setzt Saturn zugleich seine Wanderung in die südlichen Gefilde des Tierkreises fort und wird dann in Mitteleuropa geringere Höhen über dem Horizont erreichen. Damit verbunden ist auch ein längerer Lichtweg durch die Erdatmosphäre. Die unvermeidliche Luftunruhe wird es uns dann erschweren, feine Details wahrzunehmen. Insbesondere werden die Cassini- und die Encke-Teilung häufiger von den Luftturbulenzen verwischt. Freuen wir uns also auf die diesjährige Sichtbarkeitsperiode, wenn sich der »Herr der Ringe« noch in einer Höhe von mehr als 25 Grad präsentieren wird.

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Die Encke-Teilung und das Encke-Band

Im äußeren Drittel des A-Rings gibt es eine schmale Lücke, die nach dem deutschen Astronomen Johann Franz Encke (1791-1865) benannt ist. Er leitete im 19. Jahrhundert die Berliner Sternwarte. Zu ihren Instrumenten gehörte ein 9,6-Zoll-Refraktor von Fraunhofer, mit dem Encke im Jahr 1837 Saturn studierte. Zweimal sah er inmitten des A-Rings bei 480-facher Vergrößerung eine dunkle »Trennung«, deren Lage er sogar mit einem Mikrometer vermaß. Es war jedoch nicht jene feine schwarze Linie, die heute als Encke-Teilung bezeichnet wird, sondern ein breiteres dunkles Band, das sich etwa zwischen dem ersten und dem zweiten Drittel entlang des A-Rings erstreckt (siehe Bild rechts oben). Aufnahmen von Raumsonden zeigen diese Region als kontrastarmen Streifen, der mehrere Helligkeitsminima enthält. Dieser Bereich wird heute als Encke-Band oder Encke-Minimum bezeichnet. In Amateurteleskopen ist er visuell sichtbar und zudem in vielen CCD-Aufnahmen des Planeten enthalten.

Nach außen hin wird das Encke-Band durch die schmale »Encke-Teilung« begrenzt, die der Astronom jedoch niemals selbst sah. Ihr Anblick im Teleskop wird oft mit dem einer dünnen Bleistiftlinie verglichen. Historische Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass mehrere Beobachter im 19. Jahrhundert die schmale Lücke im A-Ring erspähten - sehr wahrscheinlich auch William Lassell (1799-1880), der Saturn gemeinsam mit seinem Freund William R. Dawes (1799-1868) in England untersuchte. Lassell nutzte in seinem Starfield Observatory bei Liverpool ein Newton-Teleskop mit neun Zoll Öffnung. Am 7. September 1843 betrachteten die beiden den Ringplaneten unter hervorragenden Sichtbedingungen durch Lassells Teleskop.

Der unter dem Spitznamen »Adlerauge« bekannte Dawes notierte: »Der Himmel war dunstig, und die Sterne erschienen matt ... Er [Lassell] bat mich, die Außenbereiche des Rings genauer zu betrachten und zu sehen, ob ich etwas Bemerkenswertes darin entdecke. Sogleich erkannte ich, dass der äußere Ring zweigeteilt war ... Der Umriss des Planeten war bei 450-facher Vergrößerung hart und scharf definiert ... die primäre Teilung sehr schwarz und rundherum sichtbar.«

Dawes sah eine schmale Teilung knapp außerhalb der Mitte des A-Rings. Als primäre Teilung bezeichnet er in seinem Bericht die Cassini-Lücke. Indem er sie erwähnt, gibt er dem heutigen Beobachter, der nach der schmaleren Encke-Teilung Ausschau hält, ein praktisches Kriterium an die Hand: Ist die Cassini-Teilung ständig und rundherum in tiefem Schwarz sichtbar, dann könnte auch eine Suche nach der Encke-Teilung Erfolg versprechend sein. Des Weiteren merkte Dawes an, dass die sekundäre Teilung bei weniger als 400-facher Vergrößerung unsichtbar war. Er nutzte die höchste für das gegebene Instrument sinnvolle Vergrößerung von 50-fach pro Zoll Öffnung. Dawes schrieb auch, dass der Himmel während der Sichtung der Lücke im A-Ring dunstig gewesen sei. Planetenbeobachter berichten immer wieder, dass bei leichter hoher Bewölkung oder bei feuchter, zu Nebel neigender Luft zwar die Durchsicht leidet, dass jedoch gerade bei diesen Wetterlagen die Luft relativ ruhig ist und daher hohe Vergrößerungen und das Erkennen feinster Details gestattet.

Wundervolles und Wundersames
Zu den zahlreichen Forschern, die sich im 19. Jahrhundert dem Ringplaneten widmeten, zählte auch der US-amerikanische Astronom James E. Keeler (1857-1900). Er beobachtete Saturn gleich nach der Fertigstellung des großen Linsenteleskops am Lick-Observatorium auf dem Mount Hamilton in Kalifornien (siehe SuW 1/2013, S. 76). Von der kalten Winternacht des 1. Januar 1888 berichtet Keeler, dass die Kuppel des neuen 36-Zoll-Refraktors eingefroren war. Sie ließ sich nicht drehen, aber es gelang, ihren Spalt zu öffnen. So blieb nur übrig, diejenigen Objekte in Augenschein zu nehmen, die infolge der Erddrehung vor dem Spalt vorüberzogen. Nach einigen Stunden erschien Saturn. Den nun folgenden Blick durch das große Teleskop bei 1000-facher Vergrößerung beschrieb der Astronom so: »Es ist jenseits allen Zweifels das größte teleskopische Schauspiel, das Menschen jemals zuteilwurde. Der Riesenplanet mit seinen wundervollen Ringen, seinem Gürtel, seinen Monden, in nie zuvor erreichter Pracht und Klarheit.« Eine von Keeler angefertigte Skizze zeigt in der äußeren Hälfte des A-Rings eine sehr schmale Lücke (siehe Bild oben). Der spätere Direktor des Lick-Observatoriums, Donald E. Osterbrock (1924-2007), setzte sich dafür ein, dass diese Teilung nach Keeler benannt wird - jedoch ohne Erfolg: Sie trägt heute den Namen Enckes.

Zu den bedeutendsten Arbeiten Keelers gehört übrigens auch der spektroskopische Nachweis, dass die Umlaufgeschwindigkeit der Saturnringe von innen nach außen abnimmt (siehe SuW 2/2012, S. 72). Diese Messung belegte, dass das Ringsystem kein starrer Körper sein kann.

Von dem US-amerikanischen Astronomen kündet heute die sehr nahe an der Außenkante des A-Rings gelegene »Keeler gap«. Sie ist nur rund ein Zehntel so breit wie die Encke-Teilung und mit erdgebundenen Teleskopen nicht sichtbar.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Johann Franz Encke beobachtete am 25. April 1837 im A-Ring eine relativ breite »zweite Teilung« und beschrieb sie als »viel grauer als die schwarze erste«. James E. Keelers Zeichnung vom 7. Januar 1888 zeigt hingegen eine weiter außen liegende schmale Lücke. Sie trägt heute den Namen »Encke-Teilung«.


Martin J. Neumann ist Astrophysiker und seit 1997 Redakteur der Zeitschrift Sterne und Weltraum.


Literaturhinweise

Alexander, A.F.O 'D.: The Planet Saturn: A History of Theory, Observation and Discovery. Faber and Faber, London 1962
Althaus, T.: Stürmische Zeiten auf dem Ringplaneten. In: Sterne und Weltraum 9/2011, S. 26-28
Dollfus, A.: Visual and Photographic Studies of Planets at the Pic du Midi. In: Kuiper, G.P., Middlehurst, B.M. (Hg.): Planets and Satellites, University of Chicago Press, Chicago, 1971
Osterbrock, D.E., Cruikshank, D.P.: J.E. Keeler's Discovery of a Gap in the Outer Part of the A Ring. In: Icarus 53, S. 165-173, 1983
Roth, G.D.: Planeten beobachten. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002
Witt, V.: Als die Astronomen auf den Berg zogen. Die Lick-Sternwarte. In: SuW 1/2013, S. 76-84

Weblinks zum Thema:
www.sterne-und-weltraum.de/artikel/1179230

Saturn im Web
Weltweit nutzen Amateurastronomen jede Sichtbarkeitsperiode des Saturn, um die Atmosphäre, die Monde und das Ringsystem zu überwachen - sei es visuell oder mit deiner Digitalkamera am Teleskop. Aktuelle Daten, Bilder und weiterführende Informationen finden Sie unter anderem beim Arbeitskreis Planetenbeobachter unter
www.vds-astro.de/fachgruppen/planeten, auf der Website der Association of Lunar and Planetary Observers (ALPO) unter
www.alpo-astronomy.org, bei der ALPO Section Japan,
http://alpo-j.asahikawa-med.ac.jp/Latest/Saturn.htm, sowie in den Beobachterforen bei www.astronomie.de und www.astrotreff.de.

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w i s - wissenschaft in die schulen

Didaktische Materialien zu diesem Beitrag

Was ist WIS?
Unser Projekt »Wissenschaft in die Schulen!« wendet sich an Lehrerinnen und Lehrer, die ihren naturwissenschaftlichen Unterricht mit aktuellen und praktischen Bezügen anschaulich und abwechslungsreich gestalten wollen - und an Schülerinnen und Schüler, die sich für Vorgänge in der Natur begeistern und ein tieferes Verständnis des Universums gewinnen möchten.

Um diese Brücke von der Wissenschaft in die Schulen zu schlagen, stellt WIS didaktische Materialien als PDF-Dokumente zur Verfügung (kostenloser Download von unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de).

Mit Hilfe der ID-Nummer sind diese auf der Seite
www.wissenschaft-schulen.de/artikel/ID-Nummer als Download unter dem Link »Zentrales WiS!-Dokument« zugänglich.

WiS in Sterne und Weltraum

Zum Beitrag »Exkursion ins Reich der Ringe« auf stehen zwei WiS-Materialien zur Verfügung:

»Schleifenbewegung von Planeten«: Beobachtet man die Positionen der äußeren Planeten Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun am Nachthimmel, so stellt man fest, dass sich diese relativ zu den Fixsternen im Jahreslauf verändern. Die Bewegung der Planeten am Firmament ist aber nicht gleichmäßig. Mal bewegen sie sich schneller, mal langsamer. Manchmal drehen sie sogar ihre Bewegungsrichtung um und durchlaufen eine Schleife. Der WiS-Beitrag erläutert warum.
(ID-Nummer: 1051366)

»Keine einfache Scheibe - zur (Schul-)Physik der Saturnringe«: Verschiedene Modellexperimente, Analogiebetrachtungen und kleinere Berechnungen helfen, die Entstehung planetarer Ringe zu erklären und einige Rätsel der Ringlücken und »Rillen« zu lösen.
(ID-Nummer: 1051465)


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 75:
Saturn ist in jedem Teleskop ein faszinierendes Objekt. Die Zeichnung des Amateurastronomen Jeremy Perez gibt den visuellen Anblick durch ein Newton-Teleskop mit sechs Zoll Öffnung im Jahr 2011 wieder. Im Jahr 2013 wird das Ringsystem noch weiter geöffnet sein.

Abb. S. 76-77 oben:
Die Saturnringe A, B und C sind in Amateurteleskopen sichtbar, ebenso die Cassini- und die Encke-Teilung sowie das Encke-Band und alle hier aufgeführten Monde. Hinzu kommen die Monde Iapetus und Titan, die sich weiter außen um den Planeten bewegen.

Abb. S. 76-77 unten:
Es lohnt sich, die Planetenkugel des Saturn dauerhaft zu überwachen: Ende 2010 trat in der nördlichen Hemisphäre unerwartet ein Sturmgebiet auf. Peter Mielke gelang es, die Entwicklung während der Sichtbarkeitsperiode 2011 zu dokumentieren.

Abb. S. 77 oben:
Die am 17. März 2012 bei ruhiger Luft belichtete Aufnahme zeigt alle wesentlichen Details, die ein Beobachter mit einem Amateurteleskop visuell bei Saturn ausmachen kann. Im Jahr 2013 ist das Ringsystem noch weiter geöffnet.

Abb. S. 80 oben:
Im Jahr 2013 bewegt sich Saturn im Bereich der Sternbilder Jungfrau und Waage, unweit des hellen Sterns Spika. Ende April finden Sie den Planeten um 1 Uhr MESZ über dem Südhorizont.

Abb. S. 80 Mitte:
Im Jahr 2013 blicken wir von Norden her auf Saturn und die Bahnen seiner inneren Monde. Eingetragen sind die scheinbaren Helligkeiten der im Teleskop sichtbaren Trabanten am 28. April, dem Tag der Opposition. Der Winkeldurchmesser der Planetenkugel beträgt dann 18,5 Bogensekunden.

© 2013 Martin J. Neumann, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 2/13 - Februar 2013, Seite 74 - 80
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie), Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
Telefon: 06221/528 150, Fax: 06221/528 377
Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69117 Heidelberg
Tel.: 06221/9126 600, Fax: 06221/9126 751
Internet: www.astronomie-heute.de
 
Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 7,90 Euro, das Abonnement 85,20 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2013