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FORSCHUNG/321: Die Saga von den Schwarzen Löchern (FTE info)


FTE info - Sonderausgabe EIROforum - Februar 2007
Magazin über europäische Forschung

Die Saga von den Schwarzen Löchern


Schwarze Löcher waren ursprünglich nichts anderes als geistige Konstrukte, ersonnen von Theoretikern der Physik. Heute kann man diese allerdings bestimmen und astronomisch beobachten. Sie bieten einen Schatz von Informationen über die Natur und die Entwicklung der Galaxien. Die jüngsten Entdeckungen in diesem Bereich gehören zu den großen Erfolgen der europäischen Astronomie.


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Das Abenteuer der Schwarzen Löcher beginnt im Jahr 1963, als es erstmalig gelang Quasare zu bestimmen. Quasare sind weit entfernte Objekte, die eine riesige Energie ausstrahlen. Der hellste jemals aufgenommene Quasar 3C273, im Sternbild der Jungfrau, strahlt milliardenfach heller als unsere Sonne. Nur Gammablitze sind energiereicher.


Riesige Anziehungskräfte

Wie lassen sich so hohe Energieemissionen erklären? Wissenschaftler haben die Hypothese aufgestellt, dass dieses Phänomen mit den Schwarzen Löchern in Zusammenhang stehen könnte. Schwarze Löcher wurden von den sich aus der modernen Physik ableitenden kosmologischen Theorien bereits vorausgesehen. Sie lassen sich als "Punkte" im Weltall mit einem starken Gravitationsfeld beschreiben, das nah vorbeiziehende Sterne "anzieht" oder "einfängt". Ihre Dichte ist so hoch, dass nicht einmal Licht entweichen kann.

Heutzutage weiß man, dass Schwarze Löcher tatsächlich existieren und dass die von diesen zeitweilig ausgesandte Energie - die dem Phänomen der Quasare entspricht, das mit den Schwarzen Löchern zusammenhängt - in Wirklichkeit von der Materie oder den Sternen stammt, die diese einfangen. Sobald sie in das Gravitationsfeld des Schwarzen Lochs geraten, geben sie ihre Gravitationsenergie durch Erwärmung ab und fangen intensiv an zu strahlen. Zunächst strahlen sie im Radiofrequenzbereich, dann im Infrarotbereich, im sichtbaren Spektralbereich, im UV- und schließlich im Röntgenstrahlenbereich.

Das Schwarze Loch, das die Astronomen am meisten fasziniert, liegt im Zentrum unserer eigenen Galaxie, inmitten der Milchstraße. Man hat tatsächlich lange über die Präsenz einer unerklärlichen, sehr starken Radiostrahlungsquelle gerätselt. Sie wurde als Sagittarius A bezeichnet und als Kandidatin für ein "supermassereiches Zentrum unserer Galaxie" angesehen, ohne dass man sicher war, dass es sich um ein Schwarzes Loch handelte.


2,7 Millionen Sonnen...

Die endgültige Bestätigung kommt von einem internationalen Team, das für ein mit adaptiver Optik ausgestattetes Teleskop der vier VLTTeleskope (Very Large Telescope) der ESO in Chile verantwortlich ist (siehe Kasten). Nach zehn Jahren unermüdlicher Beobachtungen (1992-2002) haben die Forscher beeindruckende Bilder des Sterns S2 erhalten. Dieser Stern, der die 15-fache Sonnenmasse hat, umkreist mit einer Geschwindigkeit von 5000 km/s (d.h. 200 mal schneller als sich die Erde um die Sonne dreht) den berühmten Sagittarius A.

Reinhard Genzel, Direktor des Max Planck Instituts für Extraterrestrische Physik (MPE) in Garching (DE) und Mitglied dieses Teams erklärt hierzu: "Die Masse des Sterns S2 und vor allem seine genau beobachtete elliptische Laufbahn weisen darauf hin, dass das Gravitationszentrum, das sich an einem Schwerpunkt seiner Umlaufbahn befindet, sehr massereich ist. Diese entspricht 2,7 Millionen Sonnenmassen und nimmt ein winziges Volumen von zehn Licht-Minuten im Durchmesser ein - d.h. etwas weniger als die Umlaufbahn der Venus, welcher der zweitnächste Planet der Sonne ist." Da diese Angaben nur mit dem Profil eines Schwarzen Loches übereinstimmen konnten, lag ein Beweis dafür vor, dass Sagittarius A das zentrale, massereiche Schwarze Loch unserer Galaxie sein musste.


Ein klarer "Fall" beweist...

Andere jüngste Entdeckungen weisen darauf hin, dass das Zeitalter der direkten Beobachtung der Schwarzen Löcher für die Physiker gerade erst begonnen hat. Am 8. Mai 2003 machte einer der Astronomen des Teams um Reinhard Genzel am Bildschirm seines Riesenteleskops eine unerwartete Entdeckung: ein Stern war plötzlich aufgetaucht. Die zweite Überraschung war, dass der Stern nach wenigen Minuten wieder verschwunden war. Das Team war - zum ersten Mal - Zeuge eines starken Blitzes geworden, der im nahen Infrarotbereich lag, genau dort, wo man ein supermassives Schwarzes Loch im Zentrum unserer Galaxie vermutet.

Die Strahlungswellenlänge entsprach dem Bild einer Akkretion erhitzter Materie, die sich während ihres "Falls" in das Schwarze Loch erwärmt und damit im nahen Infrarotbereich zu strahlen beginnt. So wurde nach jahrzehntelangen Forschungen diese lang ersehnte Spur nach der Absorption von Materie durch ein Schwarzes Loch entdeckt. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine Nachweise für das letzte Signal der Materie, wenn diese von einem Schwarzen Loch eingefangen wird und in einen Bereich eintritt, aus dem es keine Rückkehr gibt.

Am erstaunlichsten dabei ist, dass sich die Intensität dieser Abstrahlung innerhalb weniger Minuten sehr schnell verändert. Dies beweist, dass diese Infrarotsignale aus einer winzig kleinen Zone stammen müssen. Diese liegt direkt an der Grenze des Schwarzen Loches. Über diese hinaus kann keine Strahlung mehr entweichen. Man stellt bei diesem Phänomen auch eine Periodizität der Strahlung fest, die auf die Spiralbewegung der das Schwarze Loch umkreisenden Materie zurückzuführen ist, bevor sie darin verschwindet. Dieses muss sich schnell drehen. "Es handelt sich um eine wichtige Entdeckung", fügt Reinhard Genzel hinzu, "durch die wir die aktuellen Theorien zu den Schwarzen Löchern bestätigen können. Eine derartige Möglichkeit war bis vor kurzem noch undenkbar."


Wenn die Astronomie sich wieder auf die Theorie beruft

Die Astronomie des 21. Jahrhundert befasst sich nicht nur mit astrophysikalischen Fragestellungen wie die Ausdehnung des Universums, die schwarze Masse und die dunkle Energie. Sie greift darüber hinaus in die großen Fragen der theoretischen Physik ein. Man kann beispielsweise in Erwägung ziehen, die Theorie der Quantengravitation, die Entwicklung des Weltalls, den Big Bang selbst oder die Stabilität der grundlegenden Konstanten im Lauf der Geschichte des Universums durch Beobachtung zu testen. Innerhalb von fünfzehn Jahren wurden verblüffende Fortschritte gemacht. Zu verstehen, wann und wie sich diese supermassiven Schwarzen Löcher gebildet haben und warum fasst alle wichtigen Galaxien ein Schwarzes Loch zu haben scheinen, wird zu den nächsten großen Schritten gehören.


Scharfeinstellung

Das Teleskop Yepun, eines der vier Teleskope, aus dem das VLT auf dem Cerro Paranal in Chile besteht, ist mit NaCo und SINFONI, zwei Systemen für adaptive Optik ausgestattet. Bei dieser Technologie werden unscharfe Bilder, die durch Störungen der Erdatmosphäre entstehen, durch eine Verformung des Spiegels kompensiert, bei der genau umgekehrte Störungen erzeugt werden, so dass diese sich gegenseitig aufheben, wenn beide Störungen übereinandergelegt werden. Dazu bedient man sich eines Sterns im Gesichtsfeld, der als Referenzstern dient. Sobald das Bild des Referenzsterns unscharf wird, stellen superschnelle Servomechanismen (die 1000 mal pro Sekunde auf einen verformbaren Spiegel im Instrument einwirken) dessen "Schärfe" und damit die des gesamten Gesichtsfelds wieder ein.

Steht bei einer Himmelsbeobachtung kein Referenzstern zur Verfügung, verwenden die Astronomen einen künstlich erzeugten Laserleitstern. Diese technische Neuerung wurde im Jahr 2006 eingeführt. Dabei regt ein starker Laserstrahl (mit stabiler Wellenlänge) in 90 km Höhe die Natriumschicht in der Erdatmosphäre zum Leuchten an.


Möchten Sie mehr wissen?
www.eso.org


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

> Luftaufnahme des Paranal-Gipfels. Zu sehen sind die vier Teile des VLT, des größten Teleskops der Welt. Im Vordergrund das Teleskop Yepun, von links nach rechts die Teleskope Antu, Kueyen und Melipal.

> Die Bewegung eines Sterns um ein supermassives Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße. Links: Sagittarius (SgrA*) und S2. Rechts: Abbildung der Bahn des S2 um SgrA*, beobachtet zwischen 1992 und 2002. Ein Video von Sagittarius A und S2 kann von der Webseite der ESO heruntergeladen werden:
www.eso.org/outreach/press-rel/pr-2002/video/ vid-02-02.mpg

> Das Yepun-Teleskop des VLT und sein Laserstrahl, der einen "künstlichen Stern" erschafft.


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Quelle:
FTE info - Sonderausgabe EIROforum, Februar 2007, Seite 40-41
Magazin über europäische Forschung
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FTE info wird auch auch auf Englisch, Französisch und
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2007