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FORSCHUNG/350: Supernova des 17. Jahrhunderts erstrahlt noch einmal (MPG)


Max-Planck-Gesellschaft - 29. Mai 2008

Astronomen lassen galaktische Supernova des 17. Jahrhunderts noch einmal erstrahlen!

Lichtechos ermöglichen erstmals die spektroskopische Untersuchung einer Supernova in unserer Milchstraße und klären das Rätsel der Herkunft von Cassiopeia A


Eine Supernova ist der spektakuläre Todeskampf eines massereichen Sterns, in dem er über wenige Tage und Wochen eine Galaxie wie das Milchstraßensystem mit seinen mehr als 100 Milliarden Sternen überstrahlt. Cassiopeia A ist einer der bekanntesten Überreste einer solchen Sternexplosion. Er besitzt eine helle, annähernd kreisförmige Struktur, eingebettet in Gas und Staub seiner interstellaren Umgebung (Abb. 1 und 2).


An unserem Himmel erschien Cassiopeia A vor mehr als 300 Jahren als Folge einer Supernova-Explosion, die um das Jahr 1680 stattgefunden haben muss und möglicherweise von John Flamsteed, dem ersten Astronomer Royal in Greenwich, beobachtet wurde. Seither expandiert der Überrest mit hoher Geschwindigkeit. Für die Astronomen ist er ein einzigartiges "Labor", in dem sich die Explosionswolke einer Supernova und deren Wechselwirkung mit der diffusen Materie in ihrer Umgebung studieren lässt.

Es gibt verschiedene Typen von Supernovae, die sich in charakterisischen Eigenschaften ihrer Spektren unterscheiden. Leider treten Supernovae äußerst selten auf und seit der Einführung moderner Beobachtungsmethoden hat sich kein derartiger Ausbruch in unserer Milchstraße ereignet. Supernova-Ausbrüche konnten daher im Detail bisher nur in fernen Galaxien untersucht werden. Es gab also bisher keine Möglichkeit, die Ergebnisse der detaillierten Studien, die sich an einem nahen Supernova-Überrest durchführen lassen, mit den Eigenschaften einer spektroskopisch untersuchten Supernova zu verknüpfen.


Einmalige Chance

Der Überrest Cassiopeia A liegt vor unserer kosmischen Haustür, nur elftausend Lichtjahre von der Erde enfernt, und ist daher eines der am besten untersuchten Objekte am irdischen Nachthimmel. Als die Supernova vor mehr als elftausend Jahren explodierte, sandte sie ihr helles Licht nach allen Richtungen aus. Dieses Licht passierte die Erde im 17. Jahrhundert und schien danach für uns auf ewig verloren. Die "posthume" Spektroskopie der längst verblassten Supernova gelang nun, weil die Astronomen mehrere kurzlebige Reflexe des damaligen Lichtblitzes an Staub- und Gaswolken in der Umgebung von Cassiopeia A erwischten: Der Umweg einiger Lichtbündel über die Reflexion an diesen Wolken hatte aufgrund der endlichen Geschwindigkeit des Lichtes zu derartigen Verzögerungen geführt, dass sie die Erde erst heute erreichen - so wurden die Forscher jetzt im Nachhinein Zeugen des damaligen Geschehens.

Damit konnte erstmals das Licht einer galaktischen Supernova mit modernen spektroskopischen Methoden analysiert werden. Dies ermöglicht nun die sichere Bestimmung der Supernova; und es wirft neues Licht auf das umfangreiche, im Laufe der Jahrzehnte in ihrem berühmten Überrest angesammelte Datenmaterial.


Das Ende des Roten Überriesen

Die Untersuchungen wurden von Forschern des MPI für Astronomie zusammen mit japanischen und amerikanischen Kollegen unter der Leitung von Oliver Krause (MPIA) durchgeführt. Bereits 2005 hatten sie unter Einsatz des Weltraumteleskops SPITZER eine Reihe von infraroten "Lichtechos" gefunden (Abb. 2 und Abb. 3): Sobald Verdichtungen im interstellaren Staub vom Lichtblitz der Supernova erreicht und aufgeheizt werden, geben sie ihre Wärmestrahlung für einige Tage und Wochen im Infraroten ab: Die infraroten Lichtechos markieren die aktuelle Lage der radial nach außen laufenden Lichtfront.

Die Astronomen verwendeten nun die infraroten Echos in Cassiopeia A als Indikatoren, um die viel schwächeren optischen Lichtechos mit den Teleskopen auf dem Calar Alto aufzuspüren. Die optischen Lichtechos bestehen aus dem ursprünglichen, an den Staubverdichtungen nur gestreuten Licht der Supernova und enthalten deshalb die gesamte spektroskopische Information über die ursprüngliche Sternexplosion.

Sobald die optischen Lichtechos gefunden waren (Abb. 4), war schnelles Handeln geboten, denn die Echos leuchten an einem Ort nur für wenige Wochen auf - so lange eben, wie die damalige Supernova etwa ihre maximale Helligkeit besaß. Mit dem japanischen 8-Meter-Teleskop Subaru auf Hawaii wurde ein optisches Spektrum der Echos aufgenommen, das nun die Klassifikation der längst vergangenen Supernova erlaubt (Abb. 5): Im Spektrum treten sowohl Wasserstoff- als auch Heliumlinien auf - damit ist erwiesen, dass die Supernova von vor mehr als 300 Jahren vom seltenen Typ IIb war. Solche Supernovae entstehen dadurch, dass ein Roter Überriese, ein massereicher Stern am Ende seines Lebens, nach vorherigem Verlust eines Großteils seiner äußeren wasserstoffreichen Hülle einen Kollaps seines inneren, heliumreichen Kerns erfährt: Er kollabiert unter seiner eigenen Last und wirft dabei einen Teil der verbliebenen Hülle schlagartig ab. Zurück bleibt (wie in diesem Fall) ein Neutronenstern, oder ein Schwarzes Loch.

Das abgeworfene Material enthält vor allem Helium und Wasserstoff, deren Linien im Spektrum der Supernova erscheinen. Es entfernt sich mit vielen Tausend Kilometern pro Sekunde in alle Richtungen und wechselwirkt heftig mit der interstellaren Materie in der Umgebung. Das dabei entstehende hochgradig angeregte Gemisch aus stellarer und interstellarer Materie bildet den Supernova-Überrest.


Neue Perspektiven

Nun lassen sich die vielen in der Vergangenheit gesammelten Beobachtungen von Cassiopeia A diesem speziellen, seltenen Explosionsmechanismus zuordnen: Manche Details gewinnen dadurch eine ganz neue Bedeutung. Zum Beispiel schien es bisher merkwürdig, dass von der Supernova, die den Überrest Cassiopeia A entstehen ließ, kaum Zeugnisse überliefert sind. Möglicherweise war sie identisch mit dem Stern, von dem der Astronomer Royal John Flamsteed 1680 in Greenwich berichtete: Er konnte den Stern allerdings nur ein einziges Mal und mit Mühe erkennen. Da wir jetzt aber wissen, dass es eine Supernova vom Typ IIb war, lässt sich dies besser verstehen: Solche Supernovae werden besonders schnell schwächer - da reichen ein paar bewölkte Nächte, um den Mangel an Beobachtungsberichten zu erklären.

Lichtechos wurden schon früher zur Untersuchung von Supernovae in fernen, extragalaktischen Systemen genutzt. Zusammen mit dieser Studie eines nahen und mit anderen Methoden bereits ausgiebig beobachteten Falls erweist sich nun die ganze Wirksamkeit dieser trickreichen Methode.

Die Arbeit "The Cassiopeia A Supernova Was of Type IIb" von O. Krause, S.M. Birkmann, T. Usuda, T. Hattori, M. Goto, G. H. Rieke und K. A. Misselt ist am 30 Mai 2008 in der Fachzeitschrift "Science" erschienen.

Kontakt:

Dr. Oliver Krause (krause@mpia.de)
Tel.: 0049 6221 528 352
Dr. Jakob Staude (staude@mpia.de, PR)
Tel.: 0049 6221 528 229



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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 1: Falschfarbenbild des Supernova-Überrestes Cassiopeia A, aufgenommen mit dem Röntgensatelliten CHANDRA im Röntgenbereich (blau und grün), dem Weltraumteleskop HUBBLE im Optischen (gelb) und mit dem Weltraumteleskop SPITZER im mittleren Infrarot (rot). Sterne und das von der Supernova-Explosion mit schweren Elementen angereicherte Gas leuchten besonders im Optischen, während die Emission im Infraroten warmen Staub im Überrest zeigt. Das kompakte türkise Objekt (im Kästchen) ist der nur im Röntgenbereich sichtbare Neutronenstern. (NASA /JPL-Caltech/O. Krause, MPIA)

Abb. 2: Diese Montage von Infrarot-Aufnahmen des Weltraumteleskops SPITZER der NASA zeigt den hellen, runden Supernova-Überrest in der Mitte und interstellare Staubwolken in seiner Umgebung (grau). Das Bild ist aus sechs über einen Zeitraum von drei Jahren aufgenommenen Einzelbildern zusammengesetzt. Über diesen Zeitraum unveränderte Infrarotstrahlung erscheint grau, während die aufgrund der Lichtechos zeitlich veränderliche Strahlung farbig erscheint. Blau entspricht dabei einem früheren, rot einem späteren Zeitpunkt. Der große Kreis hat einen Radius von 200 Bogenminuten oder 650 Lichtjahren. (NASA /JPL-Caltech/O. Krause, MPIA)

Abb. 3: Dieser Ausschnitt aus einem staubreichen Gebiet zeigt die Infrarotstrahlung des warmen interstellaren Staubes zu verschiedenen Zeiten. Im Teilbild c ist das Aufleuchten eines dichten Staubknotens zu erkennen. Das eingezeichnete Quadrat markiert den in Abb. 4 gezeigten Ausschnitt. (NASA /JPL-Caltech/O. Krause, MPIA)

Abb. 4: Drei Aufnahmen des in Abb. 3c markierten Ausschnitts im sichtbaren Licht. Im Teilbild b sind in gelb die Konturen des Infrarotechos eingetragen, hier ist auch das schwache Leuchten des optischen Lichechos zu erkennen. Aus dem zwei mal zwei Bogensekunden großen roten Quadrat wurde das zur Spektroskopie verwendete Licht extrahiert (vgl. Abb. 5). Unten rechts im Teilbild b ist die Auflösung der Infrarotbilder angegeben. (NAOJ/O. Krause, MPIA)

Abb. 5: Das Spektrum des Lichtechos an der in Abb. 4b markierten Stelle, verglichen mit dem Spektrum der typischen IIb-Supernova 1993 J. Es herrscht weitgehende Überenstimmung, deutlich sind die charakteristischen, breiten Emissionslinien des Wasserstoffs und Heliums zu erkennen. (NAOJ/O. Krause, MPIA)


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Quelle:
MPG - Presseinformation vom 29. Mai 2008
Herausgeber:
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2008