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FORSCHUNG/359: Rosetta beobachtet Asteroiden aus nächster Nähe (ESA)


ESA - Europäische Weltraumorganisation - Samstag, 6. September 2008

Begegnung der anderen Art:
Rosetta beobachtet Asteroiden aus nächster Nähe


ESAs Kometenjäger Rosetta flog vergangene Nacht an dem Asteroiden Steins, einem kleinen Mitglied des Asteroiden-Hauptgürtels, vorbei und sammelte wertvolle Informationen über diesen seltenen Typus kleiner Himmelskörper des Sonnensystems.

Vergangene Nacht näherte sich die ESA-Sonde Rosetta um 20.58 Uhr MESZ dem Asteroiden 2867 Steins auf eine Entfernung von nur 800 km. Steins ist Rosettas erstes nominelles wissenschaftliches Zielobjekt auf ihrer elfeinhalb Jahre langen Reise zur Erforschung des Kerns des Kometen 67/P Tschurjumow-Gerasimenko.

Die erfolgreiche Begegnung wurde um 22.14 Uhr MESZ bestätigt, als das Bodenkontrollteam im Europäischen Raumflugkontrollzentrum der ESA (ESOC) in Darmstadt die ersten Telemetriedaten der Sonde empfing. Während des Vorbeiflugs bestand kein Funkkontakt mit Rosetta, da die Antenne der Raumsonde nicht auf die Erde ausgerichtet war. Aufgrund der großen Entfernung von ca. 2,41 AU (360 Millionen Kilometer) benötigte das Bestätigungssignal 20 Minuten, bis es unseren Planeten erreichte.

Steins ist ein kleiner, unregelmäßig geformter Asteroid mit einem Durchmesser von nur 4,6 km, der zu der seltenen Kategorie der 'E-Typ-Asteroiden' zählt, die noch nie direkt von einem interplanetaren Raumfahrzeug beobachtet wurde. Diese Asteroiden weisen eine relativ geringe Größe und enge Umlaufbahn auf und sind meist im inneren Teil des zwischen Mars und Jupiter gelegenen Asteroiden-Hauptgürtels anzutreffen. Sie stammen vermutlich aus dem Mantel größerer Asteroiden, die in der Frühgeschichte des Sonnensystems zerstört wurden und wahrscheinlich größtenteils aus Silikatmineralen mit wenig oder keinem Eisenanteil bestehen.

Die vergangene Nacht von Rosetta gesammelten Daten werden in den kommenden Tagen und Wochen ausgewertet, um endlich die wahre Beschaffenheit von Steins zu enthüllen.

Mit der Untersuchung kleiner Himmelskörper wie Asteroiden bietet Rosetta erste Erkenntnisse über die Frühgeschichte unseres Sonnensystems. Dies führt zu einem besseren Verständnis der Ursprünge und Entwicklung von Planeten und hilft bei der besseren Auswertung von an der Oberfläche gesammelten Asteroidendaten.


Unter Rosettas wachsamem Auge

Dies ist nicht das erste Mal, dass Rosetta Steins unter die Lupe nimmt. Im März 2006 beobachtete Osiris, die Kamera an Bord von Rosetta, die Helligkeitsveränderungen des rotierenden Asteroiden aus einer Entfernung von 159 Millionen Kilometern (etwas mehr als der Abstand zwischen Erde und Sonne) und fand heraus, dass der kleine Asteroid sich innerhalb von ca. sechs Stunden einmal um sich selbst dreht.

Zusammen mit den beiden Navigationskameras an Bord von Rosetta nahm Osiris am 4. August Steins erneut ins Visier und beobachtete den Asteroiden zur optischen Navigationsunterstützung von Rosetta bis 4. September, was eine Premiere im Raumsondenbetrieb der ESA darstellte. Einige Tage vor dem Vorbeiflug wurden die meisten Instrumente der Sonde sowie der Magnetometer des Philae-Landegerätes eingeschaltet, um wissenschaftliche Daten über den Asteroiden zu sammeln, die im Laufe des Anfluges der Raumsonde immer mehr an Genauigkeit gewannen.

Rosettas leistungsstarke Instrumente konzentrierten sich zunächst auf die Bahnbewegung, Rotation, Gestalt und Dichte des Asteroiden. Da sich die Entfernung verringerte, weitete sich die Untersuchung auf dessen Oberflächenbeschaffenheit und -eigenschaften, die Analyse der chemischen und mineralogischen Zusammensetzung der Böden sowie ihr jeweiliges Alter und die Auswirkungen des Sonnenwindes auf die Oberfläche aus.

Zum Zeitpunkt ihrer geringsten Entfernung von Steins flog Rosetta mit einer relativen Geschwindigkeit von 8,6 km/s an dem Asteroiden vorbei. Um den kleinen Himmelskörper im Blickfeld ihrer Instrumente zu halten, musste die Sonde ein schnelles und äußerst anspruchsvolles Drehmanöver vollführen, das bereits im März dieses Jahres erfolgreich geprobt worden war.

Eine vorläufige Auswertung der ersten Daten des Vorbeifluges wurde der Presse heute um 12.00 Uhr MESZ im ESOC vorgestellt.


Steins und fernere Gefilde

"Steins ist zwar klein, aber wir leisten hier herausragende wissenschaftliche Arbeit", so Dr. David Southwood, ESA-Direktor für Wissenschaft und Robotische Exploration. "Je mehr wir über die unterschiedlichen Asteroidentypen wissen, desto besser werden wir unsere eigenen Ursprünge verstehen. Brechen solche Wanderer des Sonnensystems aus dem Asteroidengürtel aus, könnten sie zudem zu einer Gefahr für die Erde werden. Je besser wir sie kennen, desto besser werden wir in der Lage sein, die Risiken einzudämmen, die einige von ihnen in Zukunft darstellen könnten."

"Rosetta funktionierte die ganze Zeit einwandfrei", so Southwood weiter. "Um ein so kleines Ziel im Auge behalten zu können, war ein komplexes Manöver notwendig, das die Raumsonde mit Bravour meisterte. Jetzt sind wir sogar noch zuversichtlicher, dass sie die schwierigen Aufgaben, die bei der Untersuchung des Kometen Tschurjumow-Gerasimenko vor ihr liegen, bewältigen wird."

Die wissenschaftlichen Beobachtungen von Steins werden noch bis 10. September fortgesetzt.

Seit ihrem Start mit einer Ariane-5-Trägerrakete am 2. März 2004 legte Rosetta bereits ca. 3,7 Milliarden Kilometer zurück und führte zwei Vorbeischwungmanöver an der Erde und ein Vorbeischwungmanöver am Mars durch. Am 17. Dezember dieses Jahres wird Rosetta auf ihrer derzeitigen Umlaufbahn die größte Entfernung zur Sonne erreichen und anschließend in Richtung Erde zurückkehren, um am 13. November 2009 auf dem Weg zu ihrem endgültigen Ziel ein letztes Mal Schwung zu holen.

Am 10. Juli 2010 wird Rosetta an einem weiteren, sehr viel größeren Himmelskörper, dem Asteroiden 21 Lutetia, vorbeifliegen. Die Ankunft am Kometen 67/P Tschurjumow-Gerasimenko ist für Mitte 2014 geplant. Bis dahin wird die Raumsonde insgesamt ca. 6,5 Milliarden Kilometer zurückgelegt haben.


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Quelle:
ESA-Pressemitteilung Nr. 37 vom 6. September 2008
Herausgeber: Europäische Weltraumorganisation
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. September 2008